Was vorgefallen ist

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America:
Drei Tage später.
„America! AMERICA!!!" jemand schüttelt an meinem Arm und versucht mich wach zu kriegen. Ich stöhne laut auf und ziehe mir die Bettdecke über meinen Kopf. Doch die Person gibt nicht auf und zieht mich kurzer Hand aus dem Bett, sodass ich plötzlich auf dem Boden liege.
„Oh man! War das wirklich nötig?", frage ich verbittert und schaue auf. „Anscheinend schon. Sonst wärst du nie aufgewacht." May sieht zur mir runter, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. „Und was gibt es so Wichtiges, dass ich aus dem Bett geworfen werde?", frage ich und stehe auf. „Silvia ist hier." Meine Augen weiten sich vor Schreck. „WAS?! Warum sagt mir das den keiner!" „Tue ich gerade doch", sagt May belustigt. „Ich mach mich ganz schnell fertig. Sag Mum, dass ich in fünf Minuten in der Küche bin." „Ok." Mit diesem Wort hüpft May aus meinem Zimmer in die Küche.
Ich gehe zu meinem Kleiderschrank und ziehe schnell ein kurzärmliges braunes T-Shirt raus und ziehe meine dunkelblaue Jeans vom Vortag an. Ich husche schnell ins Bad, um mir das Haar zu bürsten und um mir die Zähne zu putzen. Als ich in den Spiegel schaue, erschrecke ich. Ich habe dunkle Augenringe und sehe aus, als ob ich die Nacht durchgefeiert hätte. Das kommt von den Tränen letzte Nacht. Ich hätte Maxons Briefe nicht lesen dürfen. Ich versuche die Augenringe, so gut es geht, mit ein bisschen Make-up zu verdecken, und wage mich dann in die Küche.
In der Küche steht May an der Spüle und trocknet die Teller ab. Am Küchentisch sitzt Mum mit Silvia, die einen perfekt sitzenden Hosenanzug trägt. Sie haben beide eine Tasse Kaffee in der Hand und unterhalten sich. Als ich die Küche betrete, sehen beide auf. „Guten Morgen America. Hast du gut geschlafen?", fragt Mum. Ich nicke. „Guten Morgen, Miss Singer." Silvia steht auf und reicht mir ihre Hand. „Hallo." „Es tut mir leid, dass ich Sie geweckt habe, aber ich habe heute noch viel zu tun und würde gerne mit Ihnen Ihren zukünftigen Beruf besprechen", erklärt Silvia und setzt sich wieder. „Okay." Ich gehe zum Küchentisch und setzte mich Silvia gegenüber. „Also. Ich weiß, Sie hatten nicht viel Zeit sich zu überlegen, welchen Beruf Sie wählen möchten, aber ich kann Ihnen leider nicht mehr Zeit geben. Durch die anstehende Hochzeit von Prinz Maxon und Lady Kriss in einem Monat, ist ziemlich viel Trubel im Palast."
In einem Monat schon?! Dann würde KrissMaxons Frau sein und die Hoffnung, dass Maxon seine Entscheidung noch ändert, wäre endgültig verloren. „Ich hoffe, Sie konnten schon eine engere Auswahl treffen." Silvia sieht mich hoffnungsvoll an. „Ich habe mich sogar schon für einen Beruf entschieden. Ich würde gerne als Lehrerin an einer Schule Kunst und Musik unterrichten. Ich glaube, das ist von allen Berufen, die mir zur Verfügung stehen, der passendste Beruf für mich."
„Wunderbar! Das erleichtert mir die Arbeit um ein ganzes Stück. Haben Sie eine Wunschschule? Also an der Sie besonders gerne Arbeiten möchten oder ist das egal?" Silvia sieht mich strahlenden Augen an. Man kann wirklich sehen, wie erleichtert sie ist, dass ich schon weiß, was ich machen möchte. Es muss wirklich viel im Palast los sein. „Die Schule ist mir eigentlich egal. Sie soll nur in der Nähe sein, damit leicht dort hinkomme und nicht Wegziehen muss", erkläre ich Silvia. „Aber natürlich. Das sollte kein Problem sein. Ich werde für Sie ein paar Anfragen an die besten Schulen hier in der Nähe schicken und sobald ich Antworten erhalten habe, werde ich mich mit einem Brief bei Ihnen melden." „Danke Silvia. Es ist sehr nett von Ihnen, dass Sie mir helfen. Alleine wäre das alles schrecklich kompliziert geworden." „Ach, das ist doch selbstverständlich. Aber Sie müssen sich nicht bei mir, sondern bei Königen Amberly bedanken. Sie hatte darauf bestanden, dass Sie ein bisschen Unterstützung bekommen. Sie war der Meinung, dass es als Fünf schwerer wäre eine Stelle zu bekommen, da Sie ja nie ein Bewerbungsschreiben schreiben mussten etc." „Oh. Das ist nett von Königin Amberly. Richten Sie ihr doch bitte meinen Dank aus, wenn Sie sie sehen." „Das werde ich. Ich will nicht unhöflich sein, doch jetzt muss ich leider los. Der Terminkalender ist voll. Ich danke Ihnen Mrs. Singer für den Kaffee, aber jetzt muss ich wirklich los." „Ich begleite Sie noch zur Tür." Wir alle drei stehen auf und Silvia reicht mir zum Abschied die Hand. „Ich melde mich, sobald ich eine Stelle habe." „Okay. Auf Wiedersehen." „Auf Wiedersehen", verabschiedet sich Silvia und verschwindet dann zusammen mit Mum im Flur. Ich setzte mich wieder an den Tisch und schmiere mir ein Brot zum Frühstück.
„Was glaubst du, wie lange es dauern wird, bis Silvia sich meldet?", fragt May.  „Keine Ahnung. Ich weiß nicht, wie lange es dauern kann, bis man eine Stelle als Lehrerin bekommt", antworte ich. „Hoffentlich geht es schnell. Das wird dich ein bisschen von den traurigen Geschehnissen, die in der letzten Zeit passiert sind, ablenken", sagt Mum, als sie in die Küche zurückkommt. „Vielleicht. Es wäre auf jeden Fall schön, dass alles Mal vergessen zu können. Auch wenn es nur für ein paar Stunden ist." „Das glaube ich dir gerne, America." Während sie das sagt, streicht sie mit ihrer Hand über meinen Kopf. „Und was ist, wenn Silvia keine freie Stelle für mich findet?", frage ich besorgt. „Ach America. Du machst dir zu viele Sorgen. Warum sollte sie den keine freie Stelle für dich finden?" „Vielleicht weil ich eine Fünf bin?", entgegne ich. „Aber du bist keine Fünf mehr. Du bist jetzt eine Drei. Dass du eine Fünf warst, darf nicht miteinbezogen werden. Was du in der Vergangenheit warst oder was du getan hast, hat nichts mehr damit zu tun, was du jetzt bist und tust. Außerdem bist du eine kleine Berühmtheit. Wer würde eine ehemalige Teilnehmerin der Selection nicht bei sich Arbeiten haben wollen? Das würde wahrscheinlich dafür zu sorgen, dass alle Jungen und Mädchen in Carolina auf diese Schule gehen wollen, um dich kennenzulernen. Du wirst schon sehen, in ein paar Tagen meldet sich Silvia wieder." Mum 's Worte wirken beruhigend auf mich und ich entspanne mich langsam wieder. „Du wirst wahrscheinlich recht haben ", gebe ich nach. „Bestimmt." Sie sieht mich mit einem Lächeln im Gesicht an und verschwindet im Flur.
Die nächsten Tage lang helfe ich Mum bei der Hausarbeit oder spiele oft in meinem Zimmer mit meiner Geige beruhigende Stücke, um mich von der Tatsache abzulenken, dass Silvia sich immer noch nicht gemeldet hat. Mit jedem Tag, der vergeht, an dem Silvia sich nicht meldet, habe ich immer weniger Hoffnung, dass Silvia eine freie Stelle für mich findet. Auch Mum's beruhigenden Worte können mich jetzt nicht mehr entspannen lassen. Wer würde eine ehemalige Fünf einstellen? Klar ich bin jetzt eine Drei und eigentlich dürfte das gar nicht beachtet werden, aber man weiß ja nie. Eine Woche nach Silvias besuch gebe ich die Hoffnung, auf eine freie Stelle ergattern zu können.
„Ach America. Es ist doch gerade mal eine Woche her, dass Silvia uns besucht hat. Sie hat doch gesagt, dass sie momentan viel zu tun hat. Wer weiß, wann sie die Bewerbungen rausschicken konnte. Es wird sich eine freie Stelle finden lassen. Du wirst schon sehen", sagt Mum jetzt schon zum hundertsten Mal und lächelt mich über den Mittagstisch hinweg aufmunternd an. Wir sitzen zu viert am Mittagstisch und ich habe mal wieder eine Panikattacke, dass Silvia nie eine freie Stelle für mich finden wird. „Aber du hast doch am Anfang gesagt, dass es schnell gehen würde", entgegne ich. „Ich sagte das es ein paar Tage dauern würde."
„Aber eine Woche sind ein paar Tage. Außerdem..." Plötzlich klopft es an der Tür. May springt sofort auf und eilt zur Tür. Ich verstehe nur teilweise, was gesprochen wird. „Wer war es, Liebling?", fragt Mum, als May zurück in die Küche kommt. May trägt ein ziemlich großes Paket in den Händen. „Es war der Postbote. Er hat ein Paket für America dagelassen. Wenn ich mich nicht täusche, ist das Paket aus dem Palast." „Siehst du America. Du hast dir ganz umsonst Sorgen gemacht." Ich stehe auf und räume schnell meinen Teller ab, damit May das Paket auf meinen Platz stellen kann. Ich setze mich wieder hin. May stellt das Paket vor mir ab. Das Paket sieht sehr edel aus. Es ist aus weisem Karton und ist mit goldenem Rankenmuster bedruckt. Auf dem Deckel steht, dass es von Silvia ist. Also hat sie wirklich eine Stelle für mich gefunden. Dafür, dass Silvia sich nur mit einem Brief zurückmelden wollte, ist es ein ziemlich großes Paket geworden.
„Na los, öffne es schon", drängelt May und rutscht aufgeregt auf ihrem Stuhl rum. Langsam öffne ich das Paket. Von innen ist der Karton komplett in Gold verziert und etwas in einem weißen Tuch eingewickelt liegt drin. Oben drauf liegen mehrere Briefe. „Und was ist drin?", fragt May neugierig. „Ein paar Briefe und etwas, was in ein weißes Tuch gewickelt ist", antworte ich. „Was kann das nur sein?", wundert sich Mum. „Komm mach es schon auf America!", sagt May aufgeregt. Ich lege die Briefe beiseite und öffne das weiße Tuch. Zum Vorschein kommen mehrere Hosen, T-Shirts und Blazers. „Und? Was ist drin." May hüpft jetzt schon fast auf dem Stuhl. „Es sind Anziehsachen drin. Hosen, T-Shirts und Blazers." Ich nehme die Briefe und blättere sie durch. Der Erste ist von Silvia, der Zweite von Aspen, der dritte von Anne, Mary und Lucy und der Letzte ist von Marlee. Ich nehme Silvias Brief, öffne ihn und lese ihn laut vor.

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