Offenbarung der wahren Gefühle

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Celeste:
Ich sehe, wie Adam America zum Abschied auf die Hand küsst. Ich stehe am Tisch bei den Erfrischungen und schaue zu Maxon, der ebenfalls gerade etwas trinkt und versucht America und Adam unauffällig zu beobachten.

„Du solltest dir schon ein bisschen mehr Mühe geben", flüstere ich ihm ins Ohr, wodurch er sich so sehr erschreckt, dass er sich verschluckt. Er versucht, so gut es geht, seinen Hustenanfall zu unterdrücken, doch es gelingt ihm nicht recht. Er wirkt ertappt. „Ist es...ist es etwas Ernstestes?", bringt er dann hervor. Wir beobachten, wie America das Studio verlässt und Adam zu seinem Vater geht. „Warum interessiert dich das?" „Nur so...", antwortet Maxon knapp und merkt, dass er einen Fehler begangen hat. „Ich weiß nicht. Vielleicht schon. Kommt ganz darauf an." „Worauf kommt es an?", hakt Maxon nach. „Ach, auf vieles."
Ich warte nicht auf seine Reaktion, sondern verlasse ebenfalls das Studio. Soll er sich darüber mal den Kopf zerbrechen. Doch Maxon läuft mir hinterher und hält mich auf. „Celeste." „Ja?" Wie ein unschuldiges Lamm schaue ich ihn an. „Wie meinst du das?" „Maxon." Ich bleibe stehen und schlage einen ernsten Ton an. „Das du America liebst, kann jeder Blinde erkennen. Außer America selbst vielleicht. Also sag du mir bitte erst, warum die Situation gerade so ist, wie sie ist." „America denkt, dass ich sie nicht mehr liebe?" „Versuche nicht mit Gegenfragen abzulenken." Ich blicke in seine Augen, in denen sich auf einmal so viel Schmerz spiegeln, dass es mir das Herz zerreißt. Ich seufze schwer. „Natürlich denkt sie das! Du hast ja auch alles getan, damit sie es tut. Du warst, nein du bist gemein, kaltherzig, abweisend und rücksichtlos ihr gegenüber. Versuchst in jeder Sekunde, in der sie in deiner Nähe ist, sie von dir zu stoßen, eure Distanz zueinander zu vergrößern. Du bist hartherzig, barsch und-" „Ich hab's verstanden." „Ach ja? Da wäre ich mir nicht so sicher." Wut kocht in mir hoch. Ich muss ihn endlich dazu bringen, dass er dazu steht, was er fühlt. „Hör zu." Doch weiter kommt er nicht. Leute kommen aus dem Studio und laufen an uns vorbei. „Komm." „Wohin?" „An einen Ort, an dem wir ungestört reden können."

Er führt mich den Flur entlang und öffnet dann eine der unzähligen Türen. Der Raum wird anscheinend nicht genutzt. Die Möbel sind abgedeckt und staubig. Die Vorhänge sind aufgezogen, sodass nur das Mondlicht den Raum erhellt. Maxon schließt die Türe hinter sich und stellt sich neben mich an eins der bodentiefen Fenster. „Ich höre." Maxon atmet tief ein und schaut mich an. „Du musst mir versprechen, niemanden hier von zu erzählen, okay?" „Okay, ich verspreche es." Ich kann gerade zu spüren, wie viel es ihn kostet, sich zu offenbaren.
„Ich weiß, dass mein Verhalten ihr gegenüber alles andere als faire ist. Wenn du wüsstest, wie sehr ich mich selber dafür hasse." „Und warum tust du es dann?" „Weil das der einzige Weg ist, wie ich sie schützen kann." „Vor was denn bitte?" „Nicht vor was, sondern vor wem." Ich ziehe eine Augenbraue hoch, weiß aber, wenn er meint.
„Meinem Vater. Nur wenn ich so zu ihr bin, schaffe ich es meine Gefühle unter Kontrolle zu halten." „Aber ist dein Vater wirklich so eine große Bedrohung?" „Leider ja. Wüsste er davon, würde er America das Leben zur Hölle machen. Sie psychisch und seelisch völlig zerstören." „Aber sie hätte doch dich an ihrer Seite. Du würdest sie beschützen." „Natürlich würde ich das, aber es würde nicht reichen! Du hast keine Ahnung, wie mächtig mein Vater ist, wie grausam er sein kann. Niemand hat das. Niemand ist sicher vor ihm, wenn mein Vater dich erst einmal im Visier hat." „Lass sie doch selber entscheiden, ob sie bereit ist, diesen Kampf gegen deinen Vater zuführen. Sie ist stärker, als du denkst." „Ich weiß, dass sie stark ist. Sie ist der stärkste Mensch, den ich kenne. Aber was ist, wenn es nicht genug ist und sie dennoch den Kampf verliert? Und das nur, weil ich zu egoistisch war, sie gehen zu lassen. Das würde ich mir selbst niemals verzeihen können. Also sehe ich sie lieber glücklich in den Armen eines anderen." Ich schaue ihn an, doch er ist immer noch dem Fenster zugewandt.
„Aber ist es wirklich nötig, so zu ihr zu sein?" „Ich muss sie überzeugend von mir stoßen, denn das ist der einzige Weg, um sie zu retten. Und wenn sie dadurch denkt, dass ich sie nicht mehr liebe, ist das wahrscheinlich besser so." „Tust du es dennoch?" „Ja", haucht er. „Ich habe nie damit aufgehört und werde es auch nie." „Aber dann müssen wir einen Weg finden! Eine Alternative." „Celeste, die gibt es nicht. Ich habe bereits alles versucht. Sogar meine Mutter hat es versucht und ist gescheitert." „Dann wart ihr nicht gründlich genug! Man hat immer eine Wahl. Es gibt immer einen anderen Weg!" Maxon schnaubt bei diesen Worten. Ich umgreife seinen Oberarm und drehe ihn zu mir um. Zwinge ihn, mich anzusehen. Tränen stehen in seinen Augen.
„Nein, den gibt es nicht. Ich dachte zunächst, Kriss zu heiraten, wäre der größte Fehler meines Lebens gewesen und ist es für mich auch. Aber nicht für America. Mich zu heiraten, wäre ihr größter Fehler geworden. Mein Vater hätte alles getan, damit wir niemals glücklich werden. Sie solange bearbeitet, bis ihre Liebe für mich nicht mehr ausreichen würde, um bei mir bleiben zu können. Bis sie vielleicht sogar in Hass umgeschwenkt wäre. Und das zu erleben, könnte ich nicht ertragen, möchte ich ihr nicht antun. Also heirate ich lieber Kriss und sehe sie in den Armen eines anderen, dafür aber glücklich. Nur mit diesem Weg kann ich sie schützen."
„Verstehst du das etwa immer noch nicht? Dich mit Kriss zu sehen, zerstört sie innerlich. Dich verloren zu haben. Davon wird sie sich nie erholen. Und was ist mit Kriss? Das ist alles andere als Faire, ihr gegenüber. So was hat sie nicht verdient." „Nein, das ist es nicht. Aber Kriss wird davon niemals etwas erfahren. Ich werde ihr ein guter Ehemann sein. Ihr wird es an nichts fehlen. Also sag mir nun bitte, ob es etwas Ernstes ist." Er schaut mich gleichzeitig mit so viel Ernst und Schmerz an, dass ich davon völlig überwältigt bin. Er liebt America so sehr, dass er bereit ist alles aufzugeben, damit sie glücklich ist. Sogar America und sich selbst.
„Wenn du deine Entscheidung nicht mehr änderst, wird es das werden", beantworte ich dann seine Frage. „Gut. Adam ist ein guter Mann. Er kann ihr ein Leben bieten, wie ich es niemals könnte. Ein Leben ohne Krone, ohne Pflichten, ohne meinen Vater. Ein Leben mit Privatsphäre, Ruhe und Glück." „Du vergisst die wahre Liebe in diesem Leben. Bei euch dreien."
Er will etwas darauf antworten, doch ich gebe ihm keine Chance dazu. Ich lasse ihn dort alleine am Fenster stehen, so wie er es für den Rest seins Lebens sein wird. Nichts zu tun, nicht um America zu kämpfen, das wird sein größter Fehler sein.

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