Taehyung
Er erwachte mitten in der Nacht.
Es war kalt, aber auszuhalten. Jungkook, der neben ihm lag, hatte die Decke eng um sich gewickelt und schien friedlich zu schlafen.
Taehyung suchte verwirrt nach der Ursache seines Erwachens, bis er ein Schluchzen aus der Ecke, in der Namjoon und Seokjin schliefen.
Nut das Seokjin offenbar wach war.
Taehyung konnte trotz der Dunkelheit die Silhouette des Älteren ausmachen.
"Hyung?", fragte er und augenblicklich war nichts mehr zu hören.
Es blieb still, solange, bis Taehyung aufstand, um sich seinem Freund zu nähern. Bedachte setzte er einen Schritt vor den anderen über den kalten Holzfußboden.
Er konnte erkennen, dass Seokjin zurückwich, aber Taehyung wollte nicht locker lassen.
"Hyung, was ist passiert? Hattest du einen Alptraum?", fragte er leise, um die Anderen nicht zu wecken.
Seokjin schüttelte lediglich den Kopf.
Taehyung kniete sich neben ihn, legte seine Hände auf die Schultern des Älteren, der unter der Berührung leicht zusammenzuckte. Keine Sekunde später aber warf er sich förmlich in seine Arme und fing an, lauter zu schluchzen.
Taehyung konnte nichts weiter tun, als ihm über den Rücken zu streichen. Es dauerte lange, ehe sich Seokjin zu weit beruhigte, dass er ihn ansprechen konnte.
"Hyung, möchtest du mir sagen, was los ist?"
Er konnte spüren, dass der Ältere zögerte. Einige Sekunden verstrichen, in denen es still blieb und nur das leicht hektische Atmen Seokjin's zu hören war.
"Weißt du, ich hab versprochen sie zu beschützen...sie alle..."
Die Stimme seines Freundes klang leise und gebrochen.
"Ich hab versprochen, dass ihnen nichts passieren wird, solange ich da bin...", führte Seokjin fort. "Namjoon, Jimin, Yoongi, dich und Jungkook...Hoseok..."
Taehyung ahnte, worauf das Gespräch hinauslief und wollte Jin bereits jetzt unterbrechen und ihm die Last von den Schultern nehmen, aber er wusste, dass der Ältere zuerst zu Ende sprechen wollte.
"Ich habe mir geschworen, mein Leben für sie zu opfern, falls es nötig sein würde...und als Jimin angegriffen wurde, da war ich nicht da...Hoseok hat sich zwischen sie geworfen...und jetzt ist er tot..."
Seokjin sah aus, als würde er jeden Moment wieder zu weinen anfangen, aber er schien sich zusammenzureißen.
"Am Ende habe ich niemanden beschützt...und jetzt sitze ich hier und kann nichts tun, damit es den Anderen besser geht."
Taehyung wollte etwas sagen, aber seine Worte blieben ihm im Hals stecken, als er Seokjin's Gesichtsausdruck näher ansah. Er wirkte fast emotionslos.
"Taehyung, vielleicht ist es besser, wenn wir alle unseren eigenen Wege gehen.", meinte Seokjin schließlich.
Taehyung zuckte unter den harten Worten zusammen und glaubte fast, sich verhört zu haben. Das konnte der Ältere unmöglich wirklich befürworten.
"Wie meinst du das, Hyung?", fragte er also vorsichtig und befürchtete, dass er mit seiner Vermutung recht hatte.
Seokjin sah ihn kurz schweigend an, sein intensiver Blick drängte sich formlich unter Taehyung's Haut und er hatte das Gefühl, plötzlich nackt zu sein.
"Du warst früher, vor Jungkook, allein, hattest du doch gesagt, oder?"
Taehyung nickte verwirrt.
"Allein hat man in dieser Welt bessere Chancen. Mehr Nahrung für längere Zeit. Man fällt weniger auf. Sag mir nicht, dass dir das nicht auch aufgefallen ist."
"Worauf willst du hinaus?", fragte Taehyung entsetzt.
"Ich will sagen, dass du und Jungkook verschwinden solltet. In einer großen Gruppe wie der unseren wird keiner lange sicher sein."
Taehyung starrte Seokjin verängstigt an.
"Du hast Jahrelang mit drei Personen in einer Hütte gelebt und ihr habt überlebt?", zweifele Taehyung an. "Wir sind nur zwei Personen mehr. Das mit Hoseok war ein Unfall."
Seokjin ließ den Kopf hängen.
"Entschuldige...ich weiß nicht mehr, was ich glauben und denken soll...", meinte er schließlich.
Taehyung runzelte die Stirn.
"Hyung?", fragte er.
"Taehyung...", began Seokjin leise. "Ich will dich etwas fragen, und ich möchte, dass du ehrlich antwortest."
Taehyung nickte vorsichtig.
"Was genau ist unsere Gruppe für dich?"
Taehyung war nicht wirklich überrascht, dass Seokjin danach fragte. Er hatte, tief im Inneren, gewusst, dass er das früher oder später preis geben musste.
"Familie...", brachte er also krächzend heraus.
Es war seltsam für ihn, es auszusprechen. Seine Hand glitt unbewusst zu seinem Hals, an dem die Kette seiner Mutter hing.
"Familie.", sagte er diesmal mit festerer Stimme. "Ich war skeptisch, als Ich Jungkook Unterschlupf gewährte. Aber ich hatte bald verstanden, dass er mir wichtig war und ähnlich ist es mit dir, Namjoon, Yoongi und Jimin. Ich glaube nicht, dass ich ohne euch leben könnte..."
Seokjin lächelte plötzlich sanft.
"Deine Worte könnten meine sein. Namjoon war schon immer Familie für mich, aber als ich Hobi und Jimin und schließlich auch Yoongi und euch beide dazugewann, hatte ich plötzlich das Gefühl, wieder komplett zu sein. Das hatte mir so lange gefehlt."
Taehyung lächelte nun ebenfalls. Die Atmosphäre lockerte sich merklich auf.
"Eins noch...", meinte Seokjin plötzlich.
Taehyung spitzte die Ohren.
"Jungkook und du...ihr mögt euch doch, richtig?"
Seokjin's Lippen umspielte ein freches, kindliches Grinsen. Taehyung's Wangen wurden rot.
"Ich mag ihn...", gab er leise zu, Seokjin konnte er nicht anlügen, "aber ich weiß nicht, ob Jungkook-..."
Er verstummte mitten im Satz und drehte sich herum, um einen Blick auf den schlafenden Jungkook zu werfen.
"Oh glaub mir, ich weiß, wie Verliebte aussehen.", beteuerte Seokjin kichernd.
"Mhm...", brummte Taehyung.
Er wollte Seokjin glauben und hoffen, dass es wirklich so war. Es erfüllte sein Herz mit Wärme, wenn er daran dachte.
"Ach Taehyung...weißt du, Namjoon und Jungkook sind sich in dieser Hinsicht sehr ähnlich. Sie sagen selten, was sie denken, aber zeigen ständig, dass sie einen gern haben. Wenn ich so darüber nachdenke, ist Yoongi vermutlich genauso."
Taehyung kicherte leise.
Es blieb wieder still und im nächsten Moment musste Taehyung herzhaft gähnen.
"Geh zurück ins Bett, Tae. Schlaf noch etwas, morgen müssen wir eine Menge erledigen."
"Du solltest auch schlafen, Hyung.", merkte Taehyung an und sah Seokjin eindringlich an.
"...Ich werde noch etwas wach bleiben."
Seokjin Worte klagen endgültig, aber sanft, sodass Taehyung nicht länger nachhakte. Stattdessen legte er sich zurück in sein eigenes Nachtlager und drückte sich leicht an Jungkook, der im Schlaf zufrieden seufzte. Taehyung lächelte.
"Gute Nacht.", meinte er leise.
"Gute Nacht, Tae.", kam Seokjin's Antwort.
Es dauerte nicht lange, bis er wieder einschlief.
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WELCOME IN HELL
FanfictionDie Welt ist im Chaos versunken. Für Kim Taehyung gibt es, außer dem Ring seiner Mutter, nichts mehr, dass ihn an sein altes Leben erinnerte. Kurz bevor er beginnt, seinen Verstand zu verlieren, läuft ihm der verletzte Jeon Jungkook über den Weg und...