Kalte Luft

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Und so zog die Nacht langsam über die kleine Ortschaft heran. Die Sonne verschwand hinter den endlosen Bäumen welche die Kleinstadt umzingelten. Kein Auto fuhr mehr durch die dunklen Straßen welche lediglich mit Laternen beleuchtet waren. 

Doch Niklas saß an seinem Schreibtisch und schaute aus dem Fenster. Seine Gedanken waren nach wie vor bei seinem vermissten Freund. Auch wenn er erst ein paar Tage weg war so kam es ihm wie eine Ewigkeit vor. Vielleicht war er auch schon länger weg... zu lange. 

Niklas fragte sich ob er überhaupt noch am Leben ist. Aber während er wieder mal in Gedanken verloren war ging er die ganze Geschichte noch einmal in seinem Kopf durch. Die wirkliche Frage war doch wieso gerade Paul so etwas passiert ist und nicht jemand anderem. 
Oder ob es vielleicht tatsächlich Anzeichen oder Hinweise gegeben hat die einfach von allen übersehen werden. Es erklärte sich ihm einfach nicht wie ein Mensch einfach so verschwinden kann. Ohne ein Zeichen... Ohne ein Hinweis. 

Der Junge wusste genau das er nicht schlafen kann. Nicht so. Nicht mit all den Gedanken in seinem Kopf. Er zog sich seine schwarze Jacke an und ging leise durch sein Haus. Er bemerkte das es schon nach 22 Uhr war. Wenn seine Eltern ihn jetzt bemerkten würden sie definitiv wütend werden. Aber das war ihm irgendwie egal. Seine Gedanken waren schließlich ganz wo anders.

Leise schloss Niklas die Tür hinter sich und nahm einen Atemzug von der Kalten Nachtluft. Während er langsam die Straße entlang lief dachte er immer und immer mehr nach. Er entschloss sich schnell bis zum Stadtrand zu laufen. Nirgends war eine Menschenseele. Die Straßen waren verlassen und der Großteil der Häuser war ebenfalls schon verdunkelt. 

Am Rand der Stadt angekommen hielt Niklas einen Moment. Er blickte in die Dunkelheit hinein. Er stand direkt unter der letzten Laterne der Ortschaft. Das Licht ging noch ein paar Meter in die unendlich wirkende Dunkelheit hinein. Ein bedrückendes Gefühl machte sich in ihm breit. 

Was ist wenn der Entführer sich irgendwo dort versteckt? Wenn er Paul jetzt gerade verletzt oder... schlimmeres. 

Er ging ein paar Schritte in den dunklen Wald hinein. Vielleicht fünf Schritte. Er stand nun am äußeren Rand des Lichtes. Vor ihm lag nur noch Dunkelheit. Dunkelheit und Ungewissheit. Erneut atmete er die kühle Luft ein und dachte nach. 

Eigentlich ist es doch am sinnvollsten im Wald zu suchen. Wieso sollte der Entführer noch in der Stadt sein? Aber nicht jetzt... Nicht in der Dunkelheit... 

Der Junge wurde aus seinen Gedanken gerissen als eine kalte Hand ihm auf die Schulter fasste. Erschrocken drehte er sich um. Ein Mann stand vor ihm und grinste breit. 

"Was machst du denn so spät noch hier draußen?" fragte der Mann und schaute durch seine Brillengläser, diese reflektierten das Licht der Laterne. 
"Ich... Ich gehe nur spazieren" antworte Niklas beunruhigt. 
"Achso. Und das ganz alleine hier am Waldrand?" fragte er nach und schaute dem Jungen direkt ins Gesicht. Immer noch mit diesem erdrückenden Lächeln. 
"Ja... Aber ich wollte gerade weiter gehen" sagte Niklas und ging ein paar Schritte zurück. 
"Das ist eine gute Entscheidung Junger Mann. Wer weiß was in diesem Wald lauert" sagte der Mann sanft und fing langsam an auf Niklas zuzulaufen. 

"Du erinnerst mich an meinen Sohn" fügte er hinzu. 
"Wieso?" fragte Niklas und versuchte ruhig zu bleiben. 
"Er ging auch gerne Abends spazieren" antworte der Mann und setzte dabei wieder einen Schritt zu Niklas. 
"Tut er das immer noch?" fragte Niklas nach. 
"Nein... Nicht mehr" sagte die Stimme und wurde etwas finsterer. 
"Wer war ihr Sohn?" fragte Niklas und kam mit dem Rücken an einen Baum. 
"Er war genau so alt wie du. Ein bisschen kleiner und nicht so... Abenteuerlustig" antworte der Mann und atmete tief ein bevor er stehen blieb. 
Niklas schluckte. 
"Haben sie von dem Verschwunden Jungen gehört?" fragte er dann. 
"Ja" antworte der Mann nur in ruhiger Stimme. 
"Wissen sie etwas darüber?" fragte Niklas beunruhigt. 
"Ich weiß nur das es keine gute Idee ist in der Nacht alleine am Wald entlang zu laufen während ein Entführer in unserer Stadt ist... Und das solltest du dir zu Herzen nehmen kleiner... In unserer Welt gibt es viele merkwürdige Menschen... Menschen die dir vieles wollen aber... nichts gutes. Und in den Momenten wo wir solchen Menschen begegnen ... sollten wir hoffen das wir nicht alleine sind" sagte der Mann und lächelte wieder. 
"Danke... für den Rat" sagte Niklas beunruhigt. 
"Immer doch Junge. Und nun solltest du gehen bevor noch etwas... schlimmes passiert" erwiderte der Fremde immer noch mit einem lächeln. 

Vorsichtig ging Niklas ein paar Schritte rückwärts. Der Mann schaute ihn immer noch direkt an. 
"Was ist los? Vertraust du mir nicht?" fragte er in ruhiger Stimme. 
"Ich... ich weiß es nicht" antworte Niklas nur. 
"Wenn ich dich hätte verletzen wollen... und entführen wollen dann... hätte ich das längst getan oder glaubst du ich würde mich vorher mit dir unterhalten?" sagte er und lachte amüsiert. 
"Und jetzt verschwinde bevor ich es mir... anders überlege" sprach der Mann dann in einer ernsten bösen Stimme aus. 

Niklas drehte sich um und lief schnell davon. In seinem Rücken das grauenhafte Gefühl das ihm jemand hinterher kommt. Als würde dieser Mann ihm hinterherrennen und jeden Moment von hinten greifen. Seine Schritte wurden immer schneller doch er wagte es nicht sich umzudrehen. Erst als er an der Ecke stand welche in die Stadtmitte führte wagte er einen kleinen Blick zurück. Er schaute an jene Laterne doch der Mann war... Verschwunden. Genau so schnell wie er hergekommen war. 

Ein schauer lief dem Jungen über den Rücken und das Gefühl verfolgt zu werden verließ ihn nicht. Selbst als er seinen Hausflur betrat und in sein Zimmer ging spürte er immer noch dieses Erdrückende Gefühl. Er spürte immer noch die kälte die er spürte als der Mann ihm ins Gesicht schaute. Wie als würde die kalte Luft um ihn herum noch viel kälter werden...

Der HinterbliebeneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt