» five part two

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Man sieht mir die letzten Wochen an, bemerke ich, als ich mein Spiegelbild betrachte. Meine rabenschwarzen Haare lassen mich wie eine Vogelscheuche wirken, wobei ich bereits versucht habe sie zu einem Dutt zu bändigen. Meine eisblauen Augen haben jeglichen Glanz verloren und unter ihnen zieren sich tiefe Augenringe, welche mit meiner blassen Haut natürlich wieder einen nahezu toten Kontrast erzielen. Auch meine Kleidung ist wenig farbenfroh mit der grauen Jogginghose und dem schwarzen Kapuzenpullover. Ebenso habe ich mir auch nicht die Mühe gegeben, mich zu schminken, aber das habe ich auch früher schon nicht allzu oft getan.

Ein leises Klopfen an meiner Zimmertür bringt mich wieder zurück in das Hier und Jetzt. Im Spiegel erkenne ich, wie meine Mom vorsichtig hinter der Tür hinein blickt. Wie sonst auch erkenne ich die pure Sorge in ihrem Gesichtsausdruck. Verständlich, sie hat jeden Grund dazu. Und dennoch wünsche ich mir, dass das allmählich ein Ende nimmt.

„Du bist dir immer noch sicher, dass du schon zur Schule gehen möchtest?" Offensichtlich kann sie sich mit meinen Entscheidungen in letzter Zeit nicht so ganz anfreunden.

Doch ich nicke bloß.

„Es wäre doch kein Problem, wenn du die nächste Zeit trotz-"

„Ist schon in Ordnung, Mom", unterbreche ich sie, wobei ich mir nicht sicher bin, ob das zu harsch gewesen ist. Schuldgefühle kommen plötzlich in mir hoch und füge deswegen noch sanft hinzu: „Wirklich. Mach' dir nicht so viele Sorgen darüber."

Ich kann ihre Sorge wirklich vollkommen nachvollziehen. Deswegen erscheint es mir auch selbst als unerklärlich, dass es mich so nervt. Vielleicht möchte ich einfach nur für eine Zeit lang in Ruhe gelassen werden, um nicht mehr das Mitleid in den Augen aller anderen zu sehen.

Der Blick meiner Mutter wirkt traurig, wodurch die Schuldgefühle bloß verstärkt werden und ich sie am liebsten tröstend in den Arm nehmen möchte. Doch noch bevor ich den Wunsch in die Tat umsetzen konnte, verlässt sie bereits stumm mein Zimmer und lässt mich mit meinen quälenden Gedanken wieder allein.

Seufzend werfe ich einen letzten Blick in den Spiegel – verunsichert, hilfesuchend und leer. Aber ich habe keine andere Wahl, wenn ich will, dass das Mitleid und die Sorgen endlich aufhören.

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