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Kais POV

Langsam drehte ich den Kopf. Es schien alles wie in Zeitlupe zu verlaufen, als ich die verstrubbelten blonden Haare zu sehen bekam. Seine smaragdgrünen Augen stachen gerade zu aus der Menge heraus, obwohl er mindestens 50 meter von mir entfernt stand.

Mein Körper erstarrte und ich war unfähig irgendwas zu tun. Mein Herz schlug rasant und ich hatte das Gefühl, dass es mir gleich aus der Brust platzen würde. Es war so surreal, dass er dort stand. In meinen Träumen hatte ich ihn immer lebendig gesehen, aber das hier war die Realität. Ich musste den Drang unterdrücken mich zu kneifen, um auch wirklich sicher zu gehen, dass das alles kein Traum war. Und auch wenn es ein Traum sein sollte, dann wollte ich nicht, dass er aufhörte.

Es konnte einfach nicht der echte Lloyd sein. Ich hatte immer noch die Szene vor Augen, wie er in meinen Armen an dem Tag des Balles seinen letzten Atemzug getan hatte. Seine Leiche..

Jay war derjenige, der Lloyd mit genommen und in einen Sarg gesteckt hatte.

Doch langsam wurde ich unsicher.. war Lloyd wirklich im Sarg gewesen?
Wenn nicht dann wer?
Mein Kopf war kurz vor dem explodieren, denn innerhalb weniger Sekunden durchströmten unzählige Gedanken durch mein Gehirn.

Die ganzen Gedanken und Lloyds Blick ließen meine aufgebauten Mauern zerfallen. Die ganze Trauer, die ich in mir seit dem Vorfall mittrug, platzte wie aus dem Nichts.

Meine Augen fingen an zu brennen und Tränen sammelten sich allmählich an. Ich presste meine Augenlider zusammen und versuchte nicht vor der gesamten Menschenmenge, sowie vor den Medien, zu weinen. Aber ich war wohl nicht stark genug.

Einzelne Tränen konnten ausbrechen und liefen mir über die Wange bis sie auf den Boden tropften. All diese Wut und Trauer über seinen Tod wurde mit diesen wenigen Tränen von mir getragen. Ich hatte mir so oft die Schuld für seinen Tod gegeben.
Und nun kam heraus, dass mein Leid völlig unbegründet war.

Ich fühlte Erleichterung, Neugier und da war noch was anderes.. Wut.
Ich war wütend. Auf Lloyd und warum er mich all diese Schmerzen hat erleiden lassen.

Doch ich durfte nicht meiner Wut die Kontrolle über mich geben. Ich war schließlich der König und hatte eine Arbeit zu erledigen. Ich holte tief Luft und öffnete wieder die Augen. Ich sah den Jungen, den ich so sehr geliebt hatte, an.

„Lloyd" , entwich mir ein Flüstern über die Lippen. Obwohl es kaum hörbar war, drehte Lloyd in diesem Moment den Kopf zu mir, als hätte er alles glasklar gehört.

Schmerz flackerte in seinen Augen auf, als unsere Blicke sich kreuzten. Und noch etwas anderes. Er wirkte schon beinahe.. schuldig. Aber warum?

Der Priester sah von Skylor zu mir und wieder zurück zu ihr. Ich blickte sie ebenfalls an. Sie hatte die Hand zu einer Faust geballt und bedachte Lloyd mit einem wütenden Blick.

„Wachen ergreift diesen- diesen Störenfried!", befahl sie und deutete mit dem Zeigefinger auf Lloyd.

Das war wohl der Teil, in dem ich nun einschreiten musste. Ich durfte nicht zulassen, dass Lloyd etwas geschah. Er war mir immerhin eine Erklärung schuldig.

„Halt! Nein, der .. junge Mann wird nicht gefasst", befahl ich und die Wachen hielten in ihrer Bewegung inne.

Dieser sah mich sichtlich überrascht, aber auch mit stolzem Blick an.

Ich wandte mich dem Priester zu.

„Er hat recht. Diese Hochzeit.. war ein Fehler. Sie wird nicht stattfinden."

Der Priester nickte, Skylor bekam einen Wutanfall.

„Nicht stattfinden? Ich habe meine Zeit dafür geopfert das alles zu planen! Du kannst es nicht einfach so absagen!"

In diesem Moment ertönte eine Schrei aus der Menge. Und jemand schrie: „Ein Überfall!"

Mein Kopf drehte sich schnell um und ich sah wie eine Masse von maskierten Männern auf uns zu rannten, mit Waffen in den Händen.

Einige Mitglieder der Cheng-Familie waren aufgesprungen und kämpften gegen dir mir unbekannten Männer. Die Wachen, welche für eine kurze Sekunde wie betäubt waren, liefen schnell zum Kampfgeschehen und mischten sich mit ein. Was zum Teufel passierte gerade? Warum wurden wir angegriffen? Zuerst die Sache mit Lloyd und jetzt das..

Skylor räusperte sich kurz, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen, und sah mich betrübt und wütend zugleich an.

„Skylor können wir das nicht verschieben?", sagte ich lediglich desinteressiert. Der Angriff der feindlichen Männer machte mir noch viel mehr Sorgen.

Sie öffnete den Mund für eine Antwort, doch weitere Schreie ließen sie verstummen.

„Holt schnell Verstärkung!", schrieen die Wachen. Ich sah wie schon das erste Blut anfing zu fließen. Die Gäste sprangen von ihren Stühlen und rannten panisch weg.

Ich erlitt ein déjà-vu von dem Abend des Balles, wo die Gäste durch die Schießerei ebenfalls panisch geflohen waren. Es war ein reinster Albtraum gewesen. Und jetzt schien es sich zu wiederholen.

Nein, ich konnte das nicht zulassen. Ich ballte die Hände zu Fäusten und presste die Zähne aufeinander. Ich war der König und ich hatte mir seit dem Ball geschworen, dass so etwas nie wieder vorkommen würde.

Ich trat einige Schritte vor, doch einer der Wachen stellte sich mir quer.

„Mein König, Sie können da nicht hin! Wir müssen sie unter jedem Umstand beschützen! Euer Vater, der ehemalige König, ist schon auf dem Weg zu dem Sicherheitsraum. Ich werde Sie ebenfalls dorthin bringen!"

„Was? Nein, ich muss mitkämpfen!"

„Mein König, Sie können nicht mehr rational denken!" Er sah mich schon beinahe panisch an. Nun ja, das auch zu Recht. Wenn mir etwas passieren würde, dann wäre es seine Schuld gewesen. Er würde dafür sofort bestraft werden.

Aber trotzdem konnte ich einfach nicht regungslos zu sehen, wie meine Leute da ihre Leben aufs Spiel setzten, um einen König zu schützen, dessen Aufgabe es eigentlich war, das Volk zu beschützen. Welch ein Widerspruch.

„Aber", fing ich an zu argumentieren und sah in die besorgten und dennnoch entschlossenen Augen des Wachmanns.

„Tu es nicht, Kai", ertönte plötzlich eine Stimme, so zart wie Honig. Als ob ein Engel gesprochen hätte. Und wahrlich stand ein Engel mit smaragdgrünen Augen und blonden Haaren vor mir. So viele Emotionen waren hinter seinen Augen verborgen. Er sah mich mit weichen und sanften Geschichtszügen an.

„Du solltest dein Leben nicht riskieren. Komm, lass dich in Sicherheit bringen", sagte er leise und trotz des ganzen Lärmes, konnte ich ihn dennoch perlenklar verstehen.

Wie in Trance nickte ich. Der Wachmann schien ebenfalls erleichtert zu sein.

„Dann los kommen Sie mit", bat er mich.

„Moment, ich komme ebenfalls mit!", mischte sich jetzt auch Skylor mit ein und hakte sich bei mir unter, nur um von mir dann zur Seite geschoben zu werden.

Der Wachmann nickte und schließlich ergriff Lloyd noch einmal das Wort.

Seine Lippen bewegten sich, doch ich konnte nicht hören was er sagte. Diese Lippen. Er fing an mit seinen Händen zu gestikulieren und ich beobachtete jeden einzelnen seiner Bewegungen.
Ich atmete seinen wunderbaren Duft, welcher mir so lange gefehlt hatte, tief ein.

„Kai? Kai?", hörte ich meinen Namen und kam wieder in der Realität an.

„Los lass uns gehen Kai", befahl Lloyd und ich nickte. Gemeinsam machten wir uns also auf den Weg ins Schloss, zum Sicherheitsraum. Anscheinend hatte Lloyd den Wachmann davon überzeugt auch mitkommen zu dürfen.

Die Tatsache, dass Lloyd nur wenige Zentimeter neben mir entlang ging, erschien mir immer noch surreal.

Doch das war erst nur der Anfang vom Ganzen.

King ♔ | greenflame✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt