Zusatzkapitel 16 Nami und der Kirschblütenbaum

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Erstellt am: 08.01.2019

„Wow." Ich sah an dem gewaltigen Kirschblütenbaum empor. Er war längst verblüht, dennoch beeindruckte mich seine Größe sehr. Ich berührte den Schutz, der einmal um den gesamten Baumstamm gewickelt worden war, er schien dem Baum dabei zu helfen, weiter zu blühen. Ich erinnerte mich an die fallenden Kirschblüten, die ich schon unzählige mal betrachtet hatte, mich aber immer wieder von neuem faszinierten. Katana hatte mich Sakura genannt, wie die Kirschblüte, ob ich mich deswegen zu diesen Blüten so hingezogen fühlte? Sie waren unglaublich schön, aber auch so vergänglich. Wie traurig. dass keine Kirschblüten Saison war ... da musste ich wohl bis zum Frühling warten. Ob Yukine und die anderen dann auch ein Hinami* feierten?
Ich konnte mich nicht dran erinnern, dass ich jemals einem beiwohnen durfte, für Katana war dies nur Zeitverschwendung gewesen. Es gab noch so vieles, dass ich unbedingt machen wollte! Ich lächelte ein wenig, jetzt wo ich Yatos Shinki war, konnte ich auch all dies tun. Bei Katana musste ich stets in ihr Nähe bleiben, immer kampfbereit. Aber hier hatte ich die Freiheit, mich auch entfernen zu dürfen.
„Nami!", ich erschrak kurz. Bei dieser Stimme, kamen meine Erinnerungen wieder hoch. Schuldgefühle schlichen sich ein, ich versuchte sie jedoch nicht durchklingen zu lassen, ich drehte mich lächelnd zur Person um, die meinen Namen gerufen hatte.
Völlig außer Atem blieb Yukine vor mir stehen.
„Ich hab dich schon über all gesucht!", keuchte er. Er stütze seine Hände an seinen Oberschenkeln ab und atmete einmal tief durch, dann sah er mich an. Ich blickte verwundert zurück. „Mich gesucht?", erwiderte ich verwirrt. „Ja! Yato war heute zu Faul, um irgendwelche Ayakashi zu bekämpfen, elendiger Faulpelz!", fauchte Yukine. Ich musste schmunzeln. Yato und Yukine hatten wirklich eine faszinierende Beziehung zueinander, ständig bekamen sie sich in die Wolle, aber scheinbar brauchten sie genau das, um gut zu funktionieren. „Na ja, die Hauptsache ist, ich hab erst mal frei und wir können etwas zusammen unternehmen, dachte ich.", fuhr Yukine verlegen fort. Ich wurde Rot. Ich hatte gedacht, dass Yukine mich nach den Reinigungsritual hasste oder ignorierte, da ich ihm so viele Schwierigkeiten bereitet - und - ihn so oft verletzt hatte. Dadurch, dass er genau dies nicht tat, machte er meine Schuldgefühle nur noch größer, wenn er mich doch nur irgendwie bestrafen würde, aber nein, stattdessen behandelte er mich regelrecht wie ein Familienmitglied.
„Warum bist du eigentlich ausgerechnet hier?", fragte Yukine, nachdem ich lange geschwiegen hatte. Ich blickte zu ihm und sein Gesichtsausdruck schien verändert, etwas düsterer. „Ich wollte ein wenig spazieren gehen und dann hab ich mich irgendwie hier hin verirrt.", lachte ich verlegen und fasste mir mit einer Hand an den Hinterkopf. „Ach so ..." Yukine schien irgendetwas zu beschäftigen.
„Sag mal, ist was passiert?", fragte ich verwirrt.
„Nein, es ist nichts ... nur erinnert mich dieser Baum an einen alten Freund ..." Ich schluckte. „Wer denn?", fragte ich leicht schüchtern, eigentlich sollte ich nicht weiter nachfragen, wenn ihn die Erinnerung daran bedrückte, doch die Neugier übernahm die Oberhand.
„Er hieß Suzuha und es ist kein halbes Jahr her, seit er gestorben ist.", fing Yukine traurig an zu erzählen, ging an mir vorbei und setzte sich an den Baum gelehnt hin. Ich folgte ihm und nahm neben ihm Platz. Yukine zupfte Gras aus dem Boden und drehte es zwischen seinen Fingern, während er weiter erzählte. „Auch ich hatte mich damals irgendwie hier hin verirrt, als er mich plötzlich ansprach, ich solle mich gefälligst nicht auf die Blumen setzen oder irgendwie so etwas." Er schmunzelte leicht bei der Erinnerung. „Ich war überrascht, dass er mich wahrnehmen konnte ... dann stellte sich heraus, dass er ebenfalls ein Shinki war und zwar von Bishamon. Jedoch hatte sie seinen Namen seit Jahren nicht mehr gerufen." Yukine ballte seine Hand, in der er noch das Gras hielt, zu einer Faust. „Er wurde umgebracht ... alles was von ihm übrig blieb, war dieser Kirschbaum." Yukine drehte sich um und streckte seine Hand nach dem Stamm aus.
„Lange bevor ich Yatos Shinki geworden war, gab es dieses Mädchen, welches Suzuha sehen konnte, sie war jedes Jahr hier und sah Suzuha dabei zu, wie er die Blumen pflegte, jedoch vergaß sie ihn immer wieder. Sie hatte sich von allen Herzen gewünscht, dass dieser Kirschbaum eines Tages wieder blüht. Selbst nachdem sie aufhörte, ihn zu besuchen, kümmerte er sich Tag für Tag um diesen Baum. Mittlerweile blüht er wieder." Ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf Yukines Lippen ab. „Ich glaube, Suzuha hat dieses Mädchen geliebt.", bemerkte ich. Yukine riss die Augen verwundert auf, als er bemerkte, wie mir Tränen über mein Gesicht liefen. „Was ist los?", fragte er panisch. Ich musste leicht lächeln. „Es ist nichts, dass klingt nur so unglaublich traurig." Das Lächeln verschwand wieder. „Ihr wart gut befreundet oder?", fragte ich mitfühlend und wischte mir die Tropfen Wasser von den Wangen. Yukine nickte bedrückt. „Ich kannte ihn nicht lange, aber wir haben uns wirklich gut verstanden, manchmal wünsche ich ihn mir noch immer herbei." Ohne jegliche Vorwarnung umarmte ich Yukine. Ich spürte wie sein Herz schneller schlug.
„Nami?", fragte er entgeistert. „Es tut mir sehr leid für dich, Yukine!", sagte ich laut. Ich spürte wie er sich langsam beruhigte und sein Kopf auf meine Schulter sank, ich wurde knallrot, zum Glück sah er mich so nicht! „Ist schon gut Nami, dir muss das nicht leid tun, mich tröstet es schon, wenn dieser Baum weiterhin blüht, auch über Suzuhas Tod hinweg." Langsam ließ ich ihn los und rückte wieder ein wenig von ihm weg. Die Röte war noch immer nicht gewichen und ich traute mich nicht, ihn anzuschauen. Nach Sekunden peinlicher Stille, sprach ich meine Gedanken laut aus.
„Dieses Mädchen konnte Suzuha sehen, für eine längere Zeit oder?" Aus dem Augenwinkel, sah ich Yukine leicht nicken, gleichzeitig kam eine kleine Böe und brachte die Zweige des Baumes in Bewegung. Ich zitterte leicht, ich trug die alte Kleidung von Hiyori und darüber eine Jacke von Kofuku-sama, die ich mir geborgt hatte. Sie war eher leicht und nicht für stürmisches Wetter gemacht. Wir hatten eigentlich schon Winter, doch Schnee war noch eher selten.
„Es klingt wie eine tragische Liebesgeschichte.", sprach ich weiter, „Das Mädchen vergisst ihren Prinzen immer wieder, bis sie ihn eines Tages nicht mal mehr besuchen kommt, doch der Prinz wird sich immer an sie erinnern und stirbt zum Schluss traurig und allein. Ein furchtbares Ende!", stellte ich mürrisch fest, „Wenn das in einem Buch stehen würde, ich würde das Buch an die Wand schmeißen!" Yukine lachte leicht und ich musste auch ein wenig schmunzeln. Ich drehte mich zum Kirschbaum um und nahm eine betende Pose ein. Yukine zog fragend eine Augenbraue hoch, doch ich ignorierte ihn.
„Suzuha, egal wo du jetzt bist, ich hoffe dir geht es gut, ich hoffe du kannst die Kirschblüten noch immer sehen und ich hoffe, dass sie dich immer an dieses Leben hier erinnern werden. Ich konnte dich nicht persönlich kennenlernen, aber ich glaube du warst ein großartiges Shinki und ich bin mir sicher, dass deine Prinzessin sich eines Tages wieder an dich erinnern wird." Ich blickte wieder auf und sah zu Yukine. Diesmal war es an ihm zu weinen und tatsächlich kullerte eine Träne seine Wange herunter, schnell wischte er sie hinfort.
Dann fing auch er an zu beten.
„Suzuha, ich bin mir sicher, dass du uns jetzt gerade von einem uns unbekannten Ort zusiehst, ich wünsche dir, wo auch immer du bist, alles Gute!" Yukine lächelte mich an und ich grinste zurück. „Danke Nami." Ich guckte ihn verwirrt an. „Wofür denn?"
„Für alles." Meine Wangen glühten heute ungewöhnlich oft, stellte ich fest. Verzweifelt suchte ich nach einem Gesprächsthema, um die peinliche Stille zu beenden.
„Weißt du woran mich dieser Baum noch erinnert?", fuhr Yukine fort und ich dankte ihm dafür, dass er weitererzählte.
„Woran?", schoss es aus mir heraus.
„An Yato und Bishamontens Kuss.", entgegnete er grinsend und mir blieb vor Verblüffung der Mund offen.
„Was?!", hackte ich kurz danach verwirrt und schockiert nach. Yukine brach in lautes Gelächter aus: „Du solltest mal dein Gesicht sehen!" Ich wurde wütend und boxte ihn gegen die Schulter, ihm schien das nichts auszumachen. Schmunzelnd erzählte er die Geschichte, von dem katastrophalen Picknick. „Man oh man ... Hiyori war bestimmt ganz schön eifersüchtig.", kommentierte ich zum Schluss lachend. „Wie meinst du das?", fragte Yukine grinsend. Ich sah ihn an und dachte selber kurz nach. „Na ja ... du musst zugeben, Hiyori und Yato wären schon ein süßes Paar." Auch Yukine musste bei dem Gedanken daran schmunzeln. „Einer müsste sich mal trauen, den ersten Schritt zu machen!", meinte er und ich nickte eifrig.
Wir lachten und redeten noch weiter über dies und jenes, zum Schluss war es wirklich ein schöner Tag mit Yukine an dem Kirschbaum von Suzuha gewesen.
Wir erhoben uns gleichzeitig, um zu gehen. Davor jedoch, verbeugte ich mich noch einmal vor dem Kirschblütenbaum. „Auf Wiedersehen, Suzuha."

*Hinami wird in Japan gefeiert, wenn die Kirschbäume in voller Blüte stehen, oft versammeln sich dann Familie und Freunde in einem Park und setzen sich unter einen dieser Bäume, häufig wird auch Bier oder Sake dafür mitgenommen.
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Vielen Dank für's lesen ♥️
Meinung ? 🤗
1511 Wörter

Yukine x OcWo Geschichten leben. Entdecke jetzt