Summer:
Am nächsten Morgen sprang ich fast schon aus dem Bett, schließlich hatten wir gleich als erstes Schwimmen und seit ich meine Gabe kannte, liebte ich es nur noch mehr. Beim Frühstück musste ich mich daran hindern alles hinunter zu schlingen und sofort zur Schwimmhalle rüberzurennen. Kiera schien meine Begeisterung amüsant zu finden, denn sie sah mich die ganze Zeit belustigt an. Auch Lend lehnte sich zu mir und sagte mit seinem besten Lämmchen-Blick: "Bist du etwa verlie-hiebt?" Dabei klimperte er mit den Wimpern. Fast hätte ich lachen müssen, denn ausnahmsweise hatte er Unrecht. "Nein, ich bin einfach sehr gut gelaunt!" Er zwinkerte mir nur zu und ich rollte mit den Augen, natürlich glaubte er mir nicht. Und meine beste Freundin hatte anscheinend auch nicht vor mir auszuhelfen.
Verständlicherweise hatte ich als erste aufgegessen und zappelte auf meinem Stuhl herum: "Kommt schon! Lasst uns gehen!" Kiera nahm seelenruhig einen Bissen von ihrem Croissant und Lend warf stirnrunzelnd einen Blick auf die Uhr: "Wir haben doch noch eine Viertelstunde..." Enttäuscht ließ ich die Schultern hängen und spielte, während die anderen ihre Mahlzeit beendeten, mit meinem Teelöffel herum und starrte fast ununterbrochen meine Armbanduhr an. Und ehrlich gesagt, kamen mir diese sechs Minuten und siebenunddreißig Sekunden wie Stunden vor. Doch schließlich holten wir unsere Sachen und eilten in der beißenden Morgenkälte hinüber zur Schwimmhalle.
Als uns die typische Schwimmbadluft entgegenschlug, entspannte ich mich augenblicklich und hatte auf einmal nicht mehr das Bedürfnis sofort ins Wasser zu müssen. Es würde nicht weglaufen oder verschwinden. Meine Handflächen fingen an zu kribbeln, was wohl an der großen Menge des Wassers liegen musste. Es war wie ein Signal, das mir sagte, dass mein Element in der Nähe war. Mit einem seeligen Grinsen folgte ich den anderen Mädchen in die Umkleide und zog mich um - im Normaltempo. Als wir dann aus den Duschen traten, haute es mich fast um. Es war atemberaubend. Letze Woche war es einfach nur ein Becken voll mit chlorhaltigem Wasser gewesen, das nach kurzer Zeit in den Augen brannte. Aber seit ich meine Gabe zum ersten Mal freigesetzt hatte - auch wenn es nicht besonders spektakulär gewesen war - war etwas an mir anders. Ich hatte es erst gemerkt, nachdem ich ein paar Mal im Bad geübt hatte, aber ich reagierte auf Wasser. Deshalb hatte ich in letzter Zeit auch immer so lange unter der Dusche gebraucht, es war schwer sich vom Wasser zu trennen. Jetzt hörte ich die Wellen, die über den Rand schwappten, betrachtete das helle Blau, das leider etwas unnatürlich war, und fühlte die Kraft des Wassers in meinen Händen. Ich mochte zwar noch nicht in der Lage sein riesige Wellen zu erschaffen oder das Wasser lange in der Luft zu halten und zu verformen, aber ich spürte es und jede Zelle meines Körpers sehnte sich danach abzutauchen.
Summer, wo bist du denn in Gedanken?, schallte es da in meinem Kopf und ich verdrängte erschrocken das einnehmende Gefühl. Coach Lionel gab anscheinend schon seit ein paar Augenblicken irgendwelche Anweisungen und Kiera war erstaunt, dass ich nicht aufgepasst hatte, eigentlich war ich nämlich eine sehr aufmerksame Schülerin. Die Klasse setzte sich in Bewegung und ich raunte Kiera zu: "Was machen wir jetzt?" "Keine Ahnung", sie grinste frech und nutzte ihre überlegene Position schamlos aus, indem sie mich zappeln ließ. "Ach, komm schon!" Zum Glück konnte sie nicht so fies zu mir sein und teilte doch ihr Wissen mit mir: "Wir sollen jeder ein paar Bahnen zum Aufwärmen schwimmen und dann machen wir ein Staffelwettrennen." Das freute mich und ich folgte der Gruppe zum Beckenrand.
Die meisten waren bereits im Wasser, als ich auch hinein sprang. Langsam ließ ich mich bis nach unten sinken, während mein Element um mich herumstrich, wie um zu sagen: Ich habe auf dich gewartet. Fast keine Geräusche waren mehr zu hören und ich fühlte mich entspannt und frei. Ich konnte auch problemlos die Augen offen halten und sah meine Mitschüler über mir losschwimmen. Also ließ ich mich vom Wasser nach oben tragen, indem ich intuitiv die Handinnenseiten nach unten drehte und daran dachte, dass ich von etwas hochgeschoben werde. Es funktionierte tatsächlich und ich tauchte mit einem triumphierenden Gefühl auf. Sofort begann ich zu kraulen, um nicht ganz hinten zu bleiben. Die langsameren Schlusslichter überholte ich noch, aber alle anderen waren zu weit vorraus. Ich spielte mit dem Gedanken mich nach vorne schieben oder beziehungeweise tragen zu lassen, aber das war vielleicht doch etwas riskant, es könnte sich ja jemand fragen, wie ich so überdurchschnittlich schnell sein konnte. Daher ließ ich es, schwor mir aber, irgendwann allein schwimmen zu gehen und es dann ausprobieren. Vielleicht konnte ich ja auf einer Welle reiten so wie Delfine! Die Vorstellung gefiel mir.
Nach drei weiteren Bahnen, kletterten wir wieder an Land und der Coach zählte durch, um uns für die Staffel einzuteilen. Leider waren weder Lend noch Kiera in meinem Team, aber wir würden es überstehen für dieses Mal getrennt zu sein. Dafür hatte ich das Vergnügen meinen lieben Freund Nathan in der Mannschaft zu haben. Ich bemerkte, dass er Kiera die ganze Zeit anstarrte und rollte mit den Augen. Naja, jedenfalls wurde ich dazu auserkoren als letzte zu starten, weil die anderen meinten ich sei die schnellste - sogar Nathan-, was ich ziemlich nett fand, aber scharf auf den Job war ich nicht gewesen. Dennoch wollte ich natürlich mein Bestes geben und schwamm wie eine Verrückte. Im Endeffekt erreichten wir den zweiten Platz, womit ich mich wohl zufrieden geben musste.
Direkt nach dem Schwimmen mussten wir eine Stunde Latein durchstehen, aber es war aushaltbar. Auch der Rest des Schultages verlief normal und geregelt, beim Mittagessen unterhielt uns Lend wie so oft mit seinen ausgefallenen Ideen und durchgeknallten Geschichten. Dadurch aufgeheitert konnten wir auch den Nachmittagsunterricht - Chemie und Musik - gut ertragen und trafen uns nach Unterrichtsschluss wieder mit ihm, um die freie Zeit gemeinsam zu verbringen.
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Midnight Academy - Spiel mit dem Schicksal
FantasyWenn es um Magie geht, müssen Summer und Kiera ihre besonderen Kräfte verborgen halten. Dies ändert sich, als sie auf ihre neue Schule, die Midnight Academy, gehen, auf der Magie, in einer kleinen Gruppe von begabten Schülern, noch immer praktiziert...