36. Kapitel

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Habt ihr schon unseren Adventkalender gesehen? Wenn nicht, dann schaut ihn euch doch einfach mal an :D Es gibt jeden Tag eine neue Kurzgeschichte zu euren liebsten (oder auch nicht) Charakteren, deren Sicht man sonst nicht hat ^^

Und jetzt viel Spaß beim Kapitel ;)

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Summer:

„Summer, aufstehen!“, Kiera stand vor meinem Bett, die Hände in die Hüften gestützt. Ich klammerte mich an die Decke, zog die Beine noch weiter an den Körper und murmelte: „Ich will nicht.“ „Ob du es glaubst oder nicht, du musst“, erläuterte sie, „Es ist Unterricht.“ Als ob mir das nicht klar wäre, ich wollte nur heute niemanden sehen. Und morgen auch nicht. Eigentlich würde ich am liebsten für immer allein bleiben ohne Menschen, die einen anlogen oder täuschten oder verletzen wollten. Vielleicht sollte ich in ein Iglu in Alaska ziehen und nie mehr herauskommen. Das war eine gute Idee. „Nein, du verziehst dich nicht nach Alaska!“, protestierte Kiera, die meine Gedanken gehört hatte, „Du kommst jetzt aus dem Bett und stellst dich dem Leben!“ „Aber was, wenn ich ihn sehe“, wimmerte ich, „Kannst du nicht sagen, dass es mir nicht so gut geht? Bitte!“ Meine beste Freundin seufzte: „Na gut.“ „Danke, du bist die Beste“, antwortete ich. Kiera sah so aus, als läge ihr etwas auf dem Herzen und ich erwartete, dass sie es mir erzählte, aber sie sagte nur: „Wir sehen uns später!“ Und ging zum Frühstück.

So döste ich vor mich hin, das war angenehm und ich musste nicht nachdenken. Denn wenn ich das tat, kam er mir immer wieder in den Sinn und dann fühlte es sich so an, als wäre mein Herz ein Eisklumpen mit ziemlich scharfen Kanten, der mit jedem Herzschlag alles um sich herum aufschnitt und zerfetzte. Zudem vermisste ich ihn, aber das wollte ich mir eigentlich nicht eingestehen. Er war so lustig, aufgeweckt und humorvoll, aber auch verständnisvoll, einfühlsam und gefühlvoll. Gewesen. Verzweifelt schluchzte ich auf. Es tat noch genauso weh, wie gestern und ich war mir sicher, es würde nie besser werden.

Meine Trauer wurde von einem Klopfen an der Tür unterbrochen. Ich rührte mich nicht. Mir doch egal, wer da war, wahrscheinlich Rosalie, die mich beleidigen wollte, oder Valerie, die dasselbe vorhatte. Die Person war ganz schön hartnäckig und klopfte erneut. Und dann nochmal. „Summer, ich weiß, dass du da bist!“, hörte ich Liams Stimme gedämpft durch das Holz. War er gekommen, um mich zu holen? „Ich möchte mit dir reden“, fuhr er fort und hörte sich ziemlich aufgebracht an. Gute schauspielerische Leistung. „Bitte!“, flehte er. Mir kamen die Tränen. Ein Teil von mir wollte aufmachen und ihm in die Arme springen, der andere Teil wusste, dass das eine Falle war und dass er mich hintergangen hatte. Krampfhaft schluchzend verkroch ich mich vollständig unter der Decke. Nun konnte ich nicht mehr verstehen, was Liam sagte. Nach einer Weile kam ich wieder hervor und lauschte. Er schien, aufgegeben zu haben, denn es war vollkommen still.

Um die Mittagszeit bekam ich das nächste Mal Besuch. Die Tür wurde geöffnet. Alarmiert hob ich den Kopf. Ich sah Kiera, die ein paar schnelle Worte mit jemandem wechselte, ich verstand leider nicht, was sie sagten. Dann schob sich Lend an ihr vorbei und schloss die Tür hinter sich. „Hey“, er lächelte mich an und setzte sich vor mir auf den Boden, „Hey“, erwiderte ich und lächelte matt zurück. „Es muss ganz schön krass sein“, er musterte mich kritisch, „Du bist ungekämmt, nur halb abgeschminkt und noch im Schlafanzug.“ „Danke, ich weiß, dass ich nicht gerade prickelnd aussehe“, entgegnete ich und musste ein bisschen breiter lächeln. Lend konnte jedem den Tag erhellen. „Was auch immer passiert ist“, begann er in einem Tonfall, der besagte, dass gleich eine Lebensweisheit vom Meister selbst kommen würde, „Es kann gar nicht an dir gelegen haben, denn du, Summer, bist Einhorn-schön. Und das darfst du niemals vergessen.“ Ich kicherte, obwohl mir gar nicht danach war: „Was bedeutet Einhorn-schön?“ Die Augen meines besten Freundes leuchteten, weil er es geschafft hatte mich aufzuheitern: „Schön beschreibt Leute, die äußerlich gut aussehen, aber Einhorn-schön sind Menschen, die innere Schönheit innehaben. So wie du oder Kiera oder…“ Er schluckte. „Francesco?“, fragte ich vorsichtig, „Was ist eigentlich los zwischen euch beiden?“ Lend schaute auf den Boden: „Ja, er ist Einhorn-schön, aber ich musste Schluss machen. Er ist nicht der Eine.“ Ich nickte bedächtig. „Hey, Kopf hoch“, meinte ich dann, „wir haben einander, Oberaller-Einhorn-schönster Lend. Und du schuldest mir noch eine Umarmung.“ „Stimmt“, grinste Lend und schloss mich in die Arme. Als er gehen musste, da die Freistunde zu Ende war, war ich etwas betrübt, fühlte mich aber schon viel besser. „Sag Kiera ‚Danke‘ dafür, dass sie dich hergeschickt hat“, verabschiedete ich mich und winkte ihm, bevor er den Raum verließ.

Midnight Academy - Spiel mit dem SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt