3. Kapitel

1.7K 123 11
                                    

Summer:

Kiera und ich lümmelten entspannt auf unseren Betten und schauten das Infomaterial durch, das wir bekommen hatten. Zum Glück hatten wir alle Fächer gemeinsam. „Wow! Hast du gesehen, was für AGs und Zusatzfächer man belegen kann?“ Das Angebot war riesig, man konnte allerlei Sportarten machen, musischen und künstlerischen Tätigkeiten nachgehen und noch andere Sachen, von denen ich noch nie etwas gehört hatte. „Hier steht auch, dass jeder Schüler mindestens zwei AGs belegen muss“, ergänzte ich, als mir der Absatz ins Auge fiel. Ich beschloss zum Reiten zu gehen, denn das hatte ich schon zu Hause seit ein paar Jahren gemacht und schon befürchtet, dass ich es hier auf dem Internat schrecklich vermissen würde, etwas mit Pferden zu machen. Genauso wie ich meinen lieben, faulen Kater Freddie jetzt schon vermisste. Energisch schob ich die trübseligen Gedanken beiseite, ich hatte mir doch vorgenommen meine Zeit hier zu genießen, schließlich hatte ich bisher nur Gutes über die Midnight Academy gehört und auch Sunshine und Spring hatten nie Schlechtes verlauten lassen. Und wenn meine ach so perfekten Schwestern an einer Schule nichts auszusetzen hatten, musste sie ja ebenfalls perfekt sein.

Als nächstes widmeten wir uns der Karte der Schulgebäude und – geländes. „Ich werde mich garantiert in den nächsten Wochen dauernd verlaufen“, jammerte ich scherzhaft und Kiera antwortete: „Keine Sorge du hast ja noch mich!“ Da brachen wir beide in Gelächter aus, weil wir uns an einen Augustnachmittag vor zwei Jahren erinnerten, an dem wir uns heillos im Wald verlaufen hatten und nach zwei Stunden zufällig in ihrem Garten gelandet waren. Seitdem wurden wir des Öfteren von unseren Familien deswegen geärgert, aber inzwischen konnten auch wir darüber lachen.

Als ich schließlich auf die Uhr schaute, erschrak ich. In zehn Minuten gab es Essen! Schnell öffneten wir unsere Schränke, in denen neben unseren eigenen Kleidern auch ziemlich viele Sätze Schuluniformen hingen. Sie waren alle schwarz, grau, rot und weiß. Es gab verschiedene Ausführungen für Sommer und Winter und die Blazer, Blusen und Röcke hatten je unterschiedliche Farben, so dass man sie kombinieren konnte. Auf die Oberteile war zudem noch das Wappen der Schule, schwarz mit drei weißen Sternen und darunter in Schnörkelbuchstaben „MA“. Ich entschied mich für eine weiße Bluse, einen grau-rot karierten Rock und eine graue Jacke, da es an diesem Septemberabend schon etwas kühler war. Kiera war auch schon fertig. In Windeseile schlüpften wir in die schwarzen Ballerinas, die neben der Tür standen und eilten zum Speisesaal. Da einige Schüler wohl genauso spät dran waren wie wir, fanden wir den Weg, indem wir ihnen einfach hinterher hasteten. Der Eingang zum Essensaal war eine große, hölzerne Tür mit großen Knäufen. Ein Junge mit blonden Haaren, der genauso gehetzt wirkte wie wir, zwinkerte uns zu und hielt uns die Tür auf. Wir liefen an ihm vorbei durch die Tür und mussten aus irgendeinem Grund kichern. Drinnen setzten wir uns zu ein paar Gleichaltrigen an den Tisch und genau eine Minute später traten die Lehrer ein und alle Schüler erhoben sich.


Kiera:

Bevor wir uns unserem Essen widmen konnten, trat eine große, schlanke Frau, mit Brille und schon leicht vergrauten Haaren, vor ein Podest und begann zu sprechen: ,,Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Neuankömmlinge, ich freue mich euch hiermit offiziell auf unserem Internat willkommen zu heißen. Mein Name ist Rebeccah Collins und ich bin die Direktorin der Midnight Academy. Ich hoffe ihr hattet schon etwas Zeit euch räumlich einzurichten und euch mit euren Mitschülern bekannt zu machen. Alles was ihr zu wissen braucht, steht in den Unterlagen, die ihr bereits erhalten habt. Ihr müsst mindestens zwei AG's belegen, das wird euch bei der großen Auswahl wohl nicht sehr schwer fallen. Morgen beginnt der Unterricht um 8.45 Uhr. Seid bitte pünktlich. Jetzt könnt ihr erstmal euer Essen genießen! Danke für eure Aufmerksamkeit." Mit einem Lächeln im Gesicht, gesellte sich die Direktorin zu den anderen Lehrern und alle begannen zu essen. Während Summer, fröhlich wie sie immer ist, eine Geschichte erzählte, beobachtete ich beiläufig die anderen Schüler. Sie unterhielten sich miteinander und trotz des Lärms, konnte ich ein paar Gesprächsfetzen aufschnappen, obwohl es nichts wirklich interessantes war. An einem Tisch, der zwei Tische entfernt von unserem stand, ertappte ich einen Jungen dabei, wie er Summer ein bisschen zu lange anschaute. ,,Kiera hört mir gar nicht zu...", Summers Worte rissen mich abrupt aus meinen Gedanken. ,,Was?" Sie schaute mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an. ,,Ich hab nichts gesagt..." ,,Echt nicht? Ich glaube ich höre schon Stimmen. Nebenbei...der blonde Junge von vorhin sieht die ganze Zeit zu dir hinüber..." Ich schaute sie mit einem vielsagenden Blick an und wir beide mussten sofort lachen. Als wir unsere Tabletts wegbrachten, kam es dazu, dass ich mich vor allen Anwesenden blamierte, indem ich, als Summer mich abermals zum lachen brachte, über irgendetwas hartes - vielleicht ein Stuhlbein?- stolperte, mein Tablett einem düster ausschauendem Jungen auf sein Hemd kippte und ihn mit mir zu Boden riss. In diesem Moment wollte ich im Erdboden versinken. Aliens, das wäre ein guter Zeitpunkt gewesen mich mit eurer fliegenden Untertasse abzuholen! ,,Kannst du nicht aufpassen?", Wütend schupste er mich von sich herunter und versuchte die Essensreste, so gut es ging, mit einer Serviette von seinem dunkelblauen Hemd, in welches unser Schulwappen eingenäht war, wegzuwischen. ,,Tut mir wirklich leid...", ich wusste nicht, was ich anderes sagen sollte, also half mir Summer vom Boden hoch und brachte das Tablett, inlusive zerbrochenem Teller, für mich weg, während ich wie versteinert vor dem dunkelhaarigen Jungen stehen bieb. ,,Wie tollpatschig kann man sein?" ,,Hey! Kein Grund beleidigend zu werden!" Das reichte mir! Ich ließ mich von keinem dahergelaufenen Trottel als "tollpatschig" bezeichnen. ,,Was meinst du mit beleidigend?" Für einen Bruchteil einer Sekunde war seine Wut verschwunden und stattdessen breitete sich ein großes Fragezeichen auf seinem Gesicht aus, ehe er wieder seine grimmige Miene aufsetzte. ,,Pass beim nächsten Mal einfach besser auf, sonst könntest du dir hier schnell Feinde machen, kapiert?" Er wartete meine Antwort gar nicht ab, sondern kehrte mir den Rücken zu und ließ mich, mit den Blicken aller Schüler auf mir ruhend, in meinen Essensresten stehend, zurück. Summer nahm meinen Arm und zog mich ebenfalls in Richtung Ausgang. ,,Komm schon, so schlimm war es doch gar nicht..." Ich wusste wirklich zu schätzen, dass Summer versuchte mich aufzumuntern, aber irgendwie half es heute ausnahmsweise nichts. ,,Hmm, es war so ziemlich das peinlichste, was mir je passiert ist." Plötzlich fing ich an zu lachen. ,,Was ist los, Kiera?" Summer grinste und wartete auf meine Erklärung für meinen spontanen Lachanfall. ,,Im Nachhinein denke ich, dass es diesem arroganten Idioten gerecht geschieht! Schade, dass das Essen nur auf seinem Hemd gelandet ist, wo es doch sein Gesicht viel mehr vertragen hätte!" Nun musste sie auch loslachen und wir machten uns auf den Weg zurück zu unserem Zimmer, schließlich brauchten wir unseren Schönheitsschlaf, um am ersten Schultag gut auszusehen. Das war erstmal genug Aufregung für einen Tag, das einzige, was ich in diesem Moment wollte, war mich in mein weiches Bett zu kuscheln und ins Land der Träume abzutauchen.

Midnight Academy - Spiel mit dem SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt