Summer:
Ich stand gerade mit Liam, Francesco und Lend an einem der Stehtische und war in eine angeregte Unterhaltung mit ihnen vertieft, als die Band das im Moment laufende Lied ausklingen ließ und sich jemand am Mikrofon räusperte. Alle im Saal anwesenden richteten ihre Aufmerksamkeit auf die Bühne. Dort stand nun ein Junge, der bestimmt in der Abschlussklasse war. "Meine lieben Mitschüler", verkündete er, "es wird nun Zeit für die Wahl unserer Königspaare. Auf den Tischen liegen bereits Stifte und Wahlzettel und die Kellner werden auch welche verteilen. Bitte schreibt in die erste Zeile, welches Paar ihr aus der Oberstufe als König und Königin sehen wollt, und darunter, wer aus der Mittelstufe Prinz und Prinzessin werden soll. Wir, das Ballkomitee, freuen uns über rege Wahlbeteiligung und bitten euch, die Zettel vernünftig auszufüllen und eure Stimme nicht zu vergeuden. Danke!"
Lend war natürlich total begeistert und begann sofort irgendetwas hinzukritzeln. Er wollte mich allerdings nicht sehen lassen, wen er gewählt hatte. Ich griff auch zu Stift und Zettel, dachte kurz nach und schrieb dann vier Namen auf das Papier. Dann faltete ich es zweimal, legte es vor Liam und fragte: "Kannst du meinen bitte mitabgeben, ich will mal kurz nach Kiera schauen." Die hatte ich nämlich vor geraumer Zeit mit Nathan die Halle verlassen sehen und bis jetzt waren sie nicht wieder zurückgekommen. Liam stimmte zu und ich verabschiedete mich mit einem 'Bis gleich!' von den drei Jungs, bevor ich in der Menge verschwand. Ich hatte Liam mit Absicht nicht mitgeteilt, dass ich Kiera draußen vermutete, sonst hätte er mich wahrscheinlich nicht gehen lassen, aber vielleicht war ja etwas passiert. Vielleicht befand sich meine beste Freundin in einer ähnlichen Situtation, wie ich vorhin. Denn ich wusste ganz genau, dass sie sich von keinem Rumgeknutsche der Welt davon abhalten lassen würde, Ballkönig und -königin zu wählen. Schließlich war das hier unser erster richtiger Ball!
Draußen sah ich in der Nähe des Eingangs Nathan und John, die eine hitzige Diskussion führten. Während ich mich ihnen näherte, schnappte ich einige Fetzen auf, wie zum Beispiel "Was denkst du denn sollen wir jetzt machen?" und "Wir müssen sie retten!". Ich nahm einfach an, dass 'sie' Kiera war, deshalb baute ich mich vor den beiden auf, die mich noch nicht bemerkt hatten, und unterbrach sie: "Was ist passiert?" Ich erntete zwei überraschte Blicke und Nathan erwiderte: "Also.. es ist so... Kiera... ähm.. naja..." Warum stotterte er denn so herum? Das passte überhaupt nicht zu Nathan. "Kiera wurde von Jason, den ich von früher kenne und der jetzt böse ist, entführt." "Was?!", ich fuhr zu John herum. Falls das ein Scherz war, war es kein lustiger! Doch leider wirkte Nathan sehr ernst, als er das nickend bestätigte. Einen Moment lang starrte ich die Jungs nur mit großen Augen an und war geschockt. Das konnte nicht wirklich passiert sein. Diese Sicherheitsmaßnahmen waren doch angeblich so gut, wie hatte sich dann jemand von der Organisation der Bösen hier einschleichen können? Und warum musste er meine beste Freundin mitnehmen? Warum sie? Und überhaupt warum hatte ihn keiner aufgehalten?
"Wie konntet ihr das zulassen?", schrie ich aufgebracht. "Da taucht ein Typ auf, den DU", ich zeigte auf John, "wiedererkennst, und ihr macht nichts? Sonst seid ihr doch immer so bemüht!" "Aber er hatte ein Messer und dann-", setzte Nathan an, aber ich kam gerade est in Fahrt: "Ja, und?! Warum hast du denn nicht deine komische, finstere Grusel-Eis-Nummer abgezogen? Siehst du, das hättest du machen können! Und jetzt mal ernsthaft: Langsam glaube ich, dass es kein Zufall ist, dass immer, wenn etwas passiert, du mit im Spiel bist!" Nathan zuckte zusammen, während John mich beruhigen wollte: "Ganz ruhig, Summer, das bekommen wir wieder hin." "Das glaube ich aber nicht!", ich funkelte beide vorwurfsvoll an, "Kiera verschwindet und ihr steht hier und diskutiert! Manchmal hab ich echt das Gefühl, ihr seid zu gar nichts gut!" Mir war bewusst, dass das unhöflich und verletzend klang, aber das war mir egal. Wie konnte man nur so unfähig sein?
Langsam atmete ich tief ein und aus und beruhigte mich ein wenig: "So, John, du gehst zu Mr McEvans und berichtest ihm alles. Nathan, du bleibst hier und erzählst es mir und dann überlegen wir, was wir machen könnten, während wir darauf warten, dass John mit Mr McEvans zurückkommt." John machte sich gleich auf den Weg und ich fragte mich, warum ihnen das nicht früher eingefallen war. Wahrscheinlich waren sie zu geschockt gewesen. Nathan erstattete mir also Bericht. Ich hörte ganz genau zu, fragte bis ins kleinste Detail nach und bat ihn das Ende zweimal zu erzählen, obwohl die Geschichte gar nicht so lang war. "Hmm", meinte ich danach nachdenklich, "ist bekannt, wo sich dieses Quartier befindet?" Nathan schüttelte den Kopf. "Warum haben die eigentlich etwas gegen uns?", fragte ich weiter. Mein Gegenüber seufzte: "Das kann man nicht so einfach zusammenfassen, aber ich versuche es. Die meisten Mitglieder der Organisation sind ja Transmitisten, das ist aber eigentlich keine Gabe mit der man geboren wird und deshalb-" Ich musste unterbrechen: "Was ist ein 'Transmitist' denn bitte?" "Das weißt du nicht? Aber ich dachte...", er hielt inne. "Was?" "Ach, nichts", gab er zurück, aber damit wollte ich mich nicht zufrieden geben, also sah ich ihn einfach mit hochgezogenen Augenbrauen an. Die Taktik funktonierte - wie meistens - und Nathan beendete seinen Satz: "Ich dachte, Kiera und du erzählt euch immer alles." Das hatte ich eigentlich auch angenommen! "Wieso?", hakte ich nach. Er schien sich nicht sicher, ob er mit der Sprache herausrücken sollte, daher sagte ich: "Jetzt komm schon! Kiera wurde entführt! Vielleicht ist die Information ja nützlich!" Davon ließ er sich überzeugen und erklärte mir, was Transmitisten waren und dann schilderte er mir auch den Vorfall, bei dem Kiera von einem dieser Übeltäter angegriffen worden war.
"Sehr nett, dass sie es nicht für nötig hielt, mir das mitzuteilen!", empörte ich mich, aber Nathan war der Meinung, sie hätte das nur getan, um mich zu schützen. Ich fand es trotzdem unfair. "Jetzt zurück zu deiner eigentlichen Frage: die Organisationbeneidet uns um unsere Fähigkeiten, denn ihre sind nicht angeboren, sondern künstlich geschaffen - könnte man sagen. Und weil das, was sie machen illegal ist, befürchten sie wir könnten sie aufhalten wollen und versuchen uns zuvorzukommen, indem sie manche abwerben, manche beseitigen und anscheinend wollen sie machtvolle Gegenstände an sich bringen, wie den Kompass." Da kamen Mr McEvans und Johnwieder, was ich fast schon bedauerte, nicht weil ich Nathans Gesellschaft so sehr genossen hätte, sondern weil ich gerne noch mehr Fragen gestellt hätte.
"Alles okay bei euch?", erkundigte sich unser Lehrer. Ich war kurz davor mich wieder aufzuregen, nein, natürlich nicht! Aber dann nickte ich einfach nur und wartete ab, was Mr McEvans zu sagen hatte. "Dieser Vorfall ist tragisch, ich weiß gar nicht, wie das passieren konnte und ich verstehe, dass ihr sehr besorgt, um Kiera seid", dabei schaute er mich an, hatte John etwa von meinem kleinen Ausraster erzählt?, "aber wir können leider jetzt nichts machen. Wahrscheinlich werden sie für Kiera etwas fordern, sonst hätten sie sie ja gar nicht mitgenommen. Außerdem haben wir niemanden hier, der Personen aufspüren kann, ich habe allerdings Verstärkung einberufen, die sollte spätestens übermorgen da sein." "Übermorgen?", fragte Nathan und ich setzte hinzu: "Und wann haben sie vor, es ihren Eltern zu sagen?" Er hob beschwichtigend die Hände: "Es tut mir leid, aber mehr kann ich gerade nicht machen und damit warte ich auf jeden Fall bis Morgen oder bis wir mehr wissen." Ich war mit dieser Auskunft gar nicht zufrieden, aber ich konnte es ja wohl nicht ändern. Obwohl! Wenn ich den Kompass finden würde, könnte ich die Entführung verhindern, oder? Ich verwarf die Idee, erstens wusste ich nicht, wo der Kompass war, noch etwas, das ich vielleicht gerne erfahren hätte, und zweitens hatte ich keine Ahnung, wie man ihn verwendete.
Mr McEvans schickte uns wieder rein und sagte, wir sollten uns keine Sorgen machen, was ich schwierig fand, aber ich kam seiner Anweisung nach. Liam hatte mich schon vermisst: "Du warst aber lange weg, hast du Kiera gefunden?" "Ja, aber es ging ihr auf einmal nicht so gut, deshalb ist sie jetzt schon auf dem Zimmer", schwindelte ich, denn ich konnte ihm ja wohl bei bestem Willen nicht sagen, dass sie von einem bösen, zaubernden, ehemaligen Schüler gekidnappt worden war. "Oh, die Arme", meinte er bedauernd und ich wusste, dass er es ernst meinte. Wir tanzten zu den nächsten zwei Liedern und währenddessen schaffte ich es, mich ein wenig abzulenken. Als Liam mich von der Tanzfläche führte, fragte ich: „Warum tanzen wir nicht weiter?“ Liam lachte leise: „Ich könnte auch noch ewig so weitermachen, aber gleich ist die Krönungszeremonie.“ „Ach so", antwortete ich enttäuscht, aber auch voll von freudiger Erwartung. Wer war wohl gewählt worden?
Ich selbst hatte ja keine allzu großen Hoffnungen, dass Liam und ich es werden würden, ich wünschte mir aber, dass die Personen, die ich gewählt hatte, gewinnen würden. Da betrat der Junge von vorhin wieder die Bühne und ebenso zwei Mädchen, die die vier Kronen trugen. "Soooo, die Stimmen wurden ausgewertet", verlautete er und zog somit alle Aufmerksamkeit auf sich, " und nun können wir mit der Krönung beginnen." Mit theatralischen Gesten zog er zwei Umschläge hervor. "Als erstes werdet ihr erfahren, liebe Untertanen", er machte eine ausladende Armbewegung, "wer euer Kronprinz und -prinzessin sind, die dem Königspaar auf den Thron folgen werden." Aufgeregt trat ich von einem Fuß auf den anderen. Wer war gewählt worden? "In diesem Umschlag befindet sich ein Zettel mit dem Namen unseres Prinzen...", er wedelte damit herum. "Nun spann uns nicht so auf die Folter!", rief weiter vorne jemand und ein paar umstehende lachten. "Gut, wie es das Volk wünscht," meinte der Junge, dem ich den Spitznamen 'Entertainer' gegeben hatte, "der Prinz des diesjährigen Herbstballes ist..." Er öffnete den Umschlag und faltete das Blatt auf: "ist... James Foster! Komm auf die Bühne!"
Wir klatschten und während James sich einen Weg durch die Menge bahnte, äußerte sich der Entertainer mal wieder: "Meine reizenden Assistentinnen haben mich gerade daran erinnert, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe. Ich bin ja so unhöflich! Ich bin Daniel, euer Hofmeister, stets zu Diensten!" Er verbeugte sich. "Der ist irgendwie lustig", wisperte ich Liam zu und der nickte. "Willkommen, Prinz James. Hiermit kröne ich Euch rechtmäßig zu unserem Thronfolger!" Er setzte James die Krone auf und die Menge applaudierte abermals. "Nun lasst uns auch gleich noch die Prinzessin hierauf holen! Es ist ... Rosalie Sheridan!" Enttäuscht ließ ich die Schultern herabhängen. Ich hatte James und Kiera gewählt. Aber das würde ich ihr nicht verraten, da sie wahrscheinlich gewollt hätte, mit Nathan gekrönt zu werden. Die kleine Rosalie nahm ihre Krone in Empfang und strahlte.
"Ich muss euch leider bitten an den Rand zu gehen, denn jetzt wollen wir das Königspaar, das mit Weisheit und Güte über euch herrschen wird, ernennen!", Daniel wedelte mit seinen Händen in Richtung von James und Rosalie, wie um Fliegen zu vertreiben. Wir lachten. Die beiden begaben sich gehorsam an die Seite der Bühne, während der selbsternannte Hofmeister zwei weitere Umschläge hervorholte. "Hier muss gesagt werden, dass diese Wahl sehr knapp ausgefallen ist, aber mit einem kleinen Vorsprung ist unser diesjähriger König ... Travis Garner!" Ich klatschte begeistert, denn nun erlangte wenigstens eines meiner favorisierten Paare den Titel. Wenn nämlich Travis König war, konnte die Königin ja nur- "Und wie ihr liebe Untertanen es euch schon denken könnt, ist unsere verehrte Königin ... Spring Wood!"
Meine Schwester stolzierte auf die Bühne - sie sah in ihrem feuerroten Kleid wirklich wunderschön aus und endlich hatte ich auch geblickt, dass sie und Sunshine als Schneeweißchen und Rosenrot gingen - und wurde von Daniel gekrönt. "Unser Königspaar!", rief dieser und tosender Applaus brandete auf, als Spring Travis zu sich herunterzog und ihn küsste. Ich grinste und pfiff dann mit zwei Fingern. Als es wieder ruhiger wurde, sprach der Entertainer weiter: "Huch, so viel Leidenschaft vor dem ganzen Volk!" Dabei tat er so, als würde er sich Luft zu fächern. Kichernd beugte ich mich zu Liam herüber und sagte: "Das ist genau der richtige Job für dich!" Der schaute mich empört an, weshalb ich noch mehr lachen musste. "So, liebe Märchenlandbevölkerung, tretet etwas zur Seite, es wird Zeit für den ersten Tanz des Adels!", kündigte Daniel an und alle machten Platz, während Rosalie von James und Spring von Travis auf die Tanzfläche geführt wurde.
Schließlich schlossen sich immer mehr Paare dem Tanz an und so auch Liam und ich. Wir tanzten und tanzten und als der Ball endete, brachte er mich zu meinem Zimmer. "Gute Nacht, Prinzessin", verabschiedete er sich und lächelte. "Schlaf gut, mein Prinz", erwiderte ich und gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Was? Mehr bekomm ich nicht?", beschwerte er sich. "Jeder bekommt das, was er verdient", murmelte ich und küsste ihn nochmal -jetzt jedoch auf den Mund. "Ich verdiene aber mehr", meinte der und schaute ganz traurig. "Das bezweifle ich stark", lachte ich und er entgegnete: "Wenn ich gewusste hätte, dass du so fies bist, hätte ich niemals mit dir gesprochen!" Seine Augen funkelten belustigt. "Tja, jetzt ist es zu spät", grinste ich. "Ach, ich lache mir einfach eine andere Freundin an", sagte er wie beiläufig. "Das wagst du nicht!", gab ich in gespielt drohendem Tonfall zurück. "Stimmt, du bist ja echt soo furchterregend!", seine Stimme triefte vor Sarkasmus. Ich rollte mit den Augen: "Gute Nacht jetzt!" Er grinste immer noch: "Gute Nacht!" Als er sich schon zum Gehen gewandt hatte, drehte er sich noch einmal um und sagte: "Ach ja, richte Kiera gute Besserung von mir aus, wenn sie wach ist." "Mach ich", antwortete ich leise und wartete, bis er verschwunden war, ehe ich ins Zimmer schlüpfte. Zum Glück hatte ich heute den Schlüssel.
Drinnen ließ ich mich gegen die Tür sinken und schloss die Augen. Ich hatte tatsächlich verdrängt gehabt, dass sie weg war. Dass mir das gelingen würde, hatte ich echt nicht gedacht. Aber ich hatte ein schlechtes Gewissen deswegen. Ich genoss einfach den Abend, während meine beste Freundin vielleicht in Lebensgefahr war. Obwohl sich die ganze Zeit zu sorgen, brachte sie auch nicht wieder zurück. Seufzend ging ich zum Spiegel, legte den Schmuck ab, schminkte mich ab und zog mich um. Schnell putzte ich noch Zähne und kroch dann unter die Bettdecke. Aber einschlafen konnte ich nicht so schnell, ohne Kiera fühlte sich das Zimmer leer und irgendwie kalt an.
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Midnight Academy - Spiel mit dem Schicksal
FantasíaWenn es um Magie geht, müssen Summer und Kiera ihre besonderen Kräfte verborgen halten. Dies ändert sich, als sie auf ihre neue Schule, die Midnight Academy, gehen, auf der Magie, in einer kleinen Gruppe von begabten Schülern, noch immer praktiziert...