Summer:
Am nächsten Morgen wachte ich vor meinem Wecker auf und schlagartig kamen mir die Ereignisse des gestrigen Tages wieder in den Kopf. Es war furchtbar gewesen, mit ansehen zu müssen, wie diese Jungen Lend, unseren lieben, aufgeschlossenen Lend, behandelten. Es bereitete mir auch Sorgen, dass Kiera nun schon zum zweiten Mal mit diesem Nathan aneinander geraten war. Ich hoffe das artet nicht irgendwann aus, gegen den haben wir sowieso keine Chance, wenn er seine Tante mit reinzieht!
Aber da war noch etwas gewesen, ich glaubte, niemand außer mir hatte es bemerkt, aber als ich bei dem Brunnen stand und diesen Klotz wegziehen wollte, war ich auf einmal stärker als sonst und außerdem hatte ich nasse Handabdrücke auf seinem Ärmel hinterlassen. Oder hatte ich mir das nur eingebildet? Verwirrt legte ich meinen Kopf in meine Hände und seufzte. Kann das überhaupt möglich sein? Nein wohl eher nicht, wurde ich vielleicht verrückt? So viel konnte man gar nicht an den Handflächen schwitzen, ich hatte nicht in den Brunnen gefasst und es hatte auch nicht geregnet. Logische Schlussfolgerung: ich hatte mir das eingebildet.
... Aber dennoch konnte ich mich so genau daran erinnern und auch an das erstaunte Gesicht von Bob als das Wasser durch den Stoff seiner Jacke drang. Auch unter der Dusche konnte ich den Gedanken nicht loswerden. Nach Verlassen des Bades war ich sogar noch aufgewühlter, weil ich viel zu viel nachgedacht hatte. Auch Kiera bemerkte es, denn sie fragte besorgt: "Alles okay, Summer?" Eigentlich hätte ich ihr gerne erzählt, was mich beschäftigte, aber irgendwie war es mir dann peinlich, also sagte ich nur: "Ja, alles gut. Ich bin nur ein bisschen nachdenklich, das ist alles."
Was mich dann aber doch aufheitern konnte, waren unsere ersten beiden Unterrichtstunden: Schwimmen. Ich liebte es einfach im Wasser zu sein. Wir packten schon mal unsere Schwimmsachen und gingen dann zum Frühstück, wo wir auch auf Lend trafen. Er schien den Schock über den gestrigen Zusammenstoß mit den Blödmännern schon verdrängt zu haben, denn er war bestens gelaunt und erzählte so allerlei Geschichten. Es stellte sich auch heraus, dass er nun ebenfalls Schwimmen hatte. Jungen und Mädchen haben hier also gemeinsam Sport ... interessant. Wir verabredeten uns an der Schwimmhalle und holten schnell die Taschen aus unserem Zimmer.
Pünktlich standen wir vor dem großen Gebäude mit schätzungsweise fünfundzwanzig anderen Schülern. Da trat eine Frau heraus und verkündete: "Ich bin eure Trainerin, Coach Lionel, willkommen an der Schule und so weiter, jetzt ab mit euch in die Umkleiden! In fünf Minuten fangen wir an!" Coach Lionel war ziemlich klein, jung und hatte kurzes, stacheliges, orangefarbenes Haar. Und sie hörte sich verdammt streng an. Wir rannten zu den Umkleiden, schlüpften in Sekundenschnelle in unsere Badesachen und schafften es tatsächlich rechtzeitig am Becken anzukommen. Unsere Lehrerin stand am Rand, blies in ihre Trillerpfeife und zeigte aufs Wasser.
Während die anderen noch zögerten, nahm ich zwei Schritte Anlauf und machte einen Köpfer ins Wasser. Als ich tauchte, fühlte ich mich endlich wieder befreit von den bedrückenden Gedanken. Ich stieß mich kräftig vom Boden ab und durchbrach die Wasseroberfläche. Anscheinend wurden meine Mitschüler dadurch aus ihrer Starre gerissen und kamen nun auch alle in das kühle Nass. Wir mussten die ganze Unterrichtseinheit über Bahnen schwimmen - mal Brust und mal Kraulen - und obwohl es anstrengend war, machte es Spaß. Ich hasste den normalen Sportunterricht. Gegen Ende klammerten alle sich erschöpft an den Rand und unser Coach entschied: "Bevor ihr euch wieder umziehen könnt, wird noch getaucht. Jeder von hier aus soweit er es schafft und los."
Mal wieder erklang die Trillerpfeife. Die meisten tauchten sofort ab, aber ich atmete noch ein paar Mal tief durch und stieß mich dann an der Wand ab. Wie immer öffnete ich die Augen und schoss mit kräftigen Zügen vorwärts, da bemerkte ich, dass jemand gleichauf mit mir tauchte, so dicht neben mir wie es ging, ohne dass wir uns mit Armen oder Beinen schlugen. Ich kniff die Augen zusammen, um besser zu sehen und plötzlich erkannte ich, wer es war: Nathan! Und ich sah auch, dass er mich berechnend ansah und dann noch schneller tauchte. Ich hatte mit einem Mal das Gefühl, dass ich ihn schlagen musste, schon allein um ihm den Triumph nicht zu gönnen. Es war als wolle er mich herausfordern. Ich folgte ihm, behielt aber mein Tempo bei, denn lange konnte er es nicht mehr aushalten und dann musste ich noch ein paar wenige Schwimmzüge machen und hätte ihn überholt. Tatsächlich wurde auch er jetzt langsamer und in dem Moment, in dem ich wieder auf seiner Höhe war, tauchte er auf. Ich bewegte mich weiter und wäre fast an die Beckenwand geknallt, aber ich konnte mich noch abfangen und glitt langsam nach oben. Direkt vor mir kauerte Kiera und schräg hinter ihr stand Coach Lionel. "Oh Gott, Summer! Du warst ganz schön lange da unten!" "War ich das?", ich schaute Kiera fragend, es war mir gar nicht so vorgekommen. Da kam Nathan angeschwommen, er kletterte an Land, ignorierte mich völlig und warf Kiera einen bitterbösen Blick zu bevor er in Richtung Duschen verschwand. Ich hievte mich auch aus dem Becken und ging mit Kiera zu den Duschen. Die ganze Zeit schien Coach Lionels Blick sich in meinen Rücken zu bohren.
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Midnight Academy - Spiel mit dem Schicksal
FantasíaWenn es um Magie geht, müssen Summer und Kiera ihre besonderen Kräfte verborgen halten. Dies ändert sich, als sie auf ihre neue Schule, die Midnight Academy, gehen, auf der Magie, in einer kleinen Gruppe von begabten Schülern, noch immer praktiziert...