Cayden POV
„Wie heisst du eigentlich?", fragte Liam plötzlich, als ich ihn zurück zum Zimmer führte. Ich sah weiterhin nach vorne und grinste breit. „Vielleicht wirst du es selbst herausfinden. Bis dahin kannst du mich Sir oder Meister nennen", erwiderte ich ganz gelassen. Meine Hand wurde an der Leine zurückgehalten und ich blieb deshalb stehen und drehte den Kopf. Sein Gesichtsausdruck war unbezahlbar und liess mich schmunzeln. „Bist du eigentlich komplett bescheuert?! Du bist nicht mein Meister, du kranker Idiot! Und ich werde dich auch nie so nennen!", fuhr er mich an. Ich blieb ganz ruhig, schaute wieder nach vorne und meinte: „Ich erwarte ja auch nicht, dass du hinter jeden einzelnen Satz ein 'Sir' quetschst. Aber du solltest dir das einfach merken, falls du mal etwas von mir willst." „Tsk", war seine ganze Antwort. Auch ich sagte nichts mehr, sondern zog wieder an der Leine.
Im Zimmer angekommen machte ich dann erstmal den freien Ring der Handschellen, die an seiner linken Hand baumelten, am Halsband an. Aus dem Käfig, in den ich ihn anschliessend verfrachtete, würde er sowieso nicht rauskommen, nicht ohne den Schlüssel. Aber trotzdem wollte ich ihm nicht zu viel Bewegungsfreiheit lassen. Da er mich offenbar nicht so schnell so nennen würde, wie er sollte und meine wirklichen Namen nicht so bald herausfinden würde, beschloss ich, ihm eine Chance zu geben. Zum einen, damit er auch mal zum Essen und zum Trinken kam, irgendwann musste ich ihm ja ohnehin was geben, zum anderen, damit er einen kleinen Tipp hatte. Es dauerte nicht lange, bis ich ein altes Lateinbuch gefunden hatte, mit welchem ich zu Liam zurückkehrte. Er hatte gewusst, dass ich dieses Wahlfach genommen hatte. Und auch daran hatte er was auszusetzen gehabt. Latein und ich seien gleich nützlich, nämlich gar nicht, das hatte er immer gesagt. Es war zwar nicht schlimm, aber ich erinnerte mich trotzdem daran und vielleicht tat er es auch.
Ich stellte eine Box, die ich gleich auch mitgenommen hatte, ausserhalb seiner Reichweite vor ihm hin und lehnte das Buch daran an, sodass er zwei Seiten voller klein geschriebener Vokabeln hatte. „So, ich geh auf einen kleinen Spaziergang. Und wenn ich zurückkomme, werde ich dich abfragen. Wie viel zu trinken und zu essen du bekommst, hängt davon ab, wie viele Wörter du richtig hast", erklärte ich ihm die Regeln grob. Ich wollte testen, wie gut er sich Dinge merken konnte und wollte gleichzeitig auch schauen, ob er so etwas simples tun würde, nur weil ich es ihm sagte. „Und was für einen Sinn soll das jetzt haben?", fragte er missmutig nach und ich antwortete knapp: „Dass du eine Möglichkeit hast, was zu trinken und eventuell auch was zu essen." Er sagte nichts mehr und ich liess ihn dann auch alleine, ging mit Leyla nach draussen und lief von der Stadt weg. So schwierig war seine kleine Aufgabe ja nicht. Ich hatte weit mehr Vokabeln lernen müssen und wusste noch immer mehr. Denn auch wenn die Wörter klein und eng beieinander geschrieben waren, so waren es wahrscheinlich nur etwas mehr als hundert, also würde er das schon schaffen. Wenn er wollte.
So in meinen Gedanken versunken merkte ich kaum, wie weit wir liefen. Erst als der Wald vor uns war, kam ich wieder in die Realität zurück. Ich sah mich kurz um und mein Blick wanderte dann aber zu meiner Hündin. Sie sah mich mit ihren schönen, dunkelbraunen Augen direkt an und wedelte mit dem Schwanz. Leicht lächelnd bückte ich mich, um einen Stock aufzuheben, den ich dann auch warf. Augenblicklich flitzte Leyla los und jagte dem Stock hinterher. Als sie ihn dann hatte, brachte sie ihn sofort zu mir zurück und wir wiederholten das Spielchen noch ein paar Mal.
Leyla wurde dann aber doch müde und ich ging vor ihr in die Hocke. Zuerst streichelte und kraulte ich sie ein wenig, danach gab ich ihr noch ein paar der Leckerlis, die ich immer dabei hatte. Gut gelaunt machte ich mich auf den Rückweg.
Kaum waren wir zuhause angekommen, meldete sich mein Magen. Ich ass allerdings nur einen Riegel und ging dann nach oben. Mit einem finsteren Blick wurde ich begrüsst. Zum Glück konnten Blicke nicht töten. So grinste ich einfach, anstatt tot umzufallen. „Na, bist du fleissig gewesen?", zog ich Liam auf und kauerte mich vor seinen Käfig. „Das ist doch sowieso nur Schrott. Niemand interessiert sich für dämliches Latein", meinte er und ich hob leicht eine Augenbraue. Danach hob ich das Buch, sowie auch die Box, auf und wandte mich zum Gehen. „Ich dachte, du wolltest mich abfragen?", kam von ihm. „Mach ich gleich. Aber es bringt auch nichts, wenn du Sekunden zuvor die Wörter noch gesehen hast. Also versorge ich das Zeugs schnell wieder und danach kommst du an die Reihe." Irgendwas murmelte er noch, aber durch die geschlossene Tür hindurch konnte ich es nicht verstehen. Ich kümmerte mich auch nicht mehr darum und tat das Buch und die Box an ihre ursprünglichen Plätze.
Wieder im Zimmer setzte ich mich auf meinem Bett hin, er brauchte mich dafür nicht zu sehen, obwohl es ihn wahrscheinlich ärgerte, dass er nicht viel mehr als meine Beine sehen konnte. Irgendwie enttäuschte Liam mich. Er hatte kaum mehr als die Hälfte der Wörter richtig. Allerdings war es irgendwie auch zu erwarten gewesen. Daran würden wir noch arbeiten. Aber ich wusste, dass er Zeit brauchen würde, um zu verstehen.
Ich verliess ihn kurz, um in die Küche zu gehen und da einen Riegel und ein Glas Wasser zu holen, damit ging ich dann zurück. Ich platzierte beides auf dem Boden und öffnete das Türchen seines Käfigs. Da musste ich mir wahrscheinlich auch noch was einfallen lassen. Seinem Körper tat es nicht gut, wenn er sich so wenig bewegte. Aber das eilte nicht. Jetzt hielt ich ihm erstmal das Glas Wasser an die Lippen. Er versuchte, es selbst in die Hände zu nehmen, aber diese brauchte er, um sich abzustützen. Denn er hatte von selbst gemerkt, dass Liegen dafür vielleicht nicht gerade die idealste Position war und sich auf die Knie begeben, konnte sich aber wegen der niedrigen Decke des Käfigs nicht ganz aufrichten. Ich erklärte ihm dann auch knapp: "Lass das. Ich mach das. Entweder so oder gar nicht." Er grummelte nur leise, trank dann aber sofort, als ich das Glas leicht kippte und ihm das Wasser entgegenlief. Sobald das Glas leer war, nahm ich den Müsliriegel, packte ihn aus und hielt ihn Liam vors Gesicht. Dieser sah mich nicht an und biss nur ab, kaute schnell und schluckte gleich. Den Rest des Riegels verputzte er ebenso gierig. Er sah mich erwartungsvoll an, aber bei der Leistung würde er nicht mehr bekommen, selber schuld. "Du hättest besser lernen sollen."
Danach hatte ich ihn alleine gelassen und einen recht gemütlichen Abend verbracht. Erst nachdem ich ihn von seinem Ausflug ins Badezimmer zurückgebracht hatte, fiel mir ein, dass es eigentlich weitaus praktischer wäre, wenn ich das Shirt gleich auch noch entfernen würde, aber jetzt hatte ich keine Lust mehr dazu und ging lieber schlafen, denn morgen war Montag und ich durfte folglich wieder arbeiten. Und er würde das dann auch tun können, um sich etwas zu essen zu verdienen.
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Ein neues Haustier?
De TodoWell... Ich hasse Beschreibungen, also kommt diese etwas später. Bis jetzt sage ich einfach mal: Es geht darum, dass Liam, der sein Leben ziemlich verkorkst hat, bei der falschen Person einbricht und erleben muss, wozu ein Mensch fähig sein kann.