no. 17 ✉「 Rot 」

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25. Oktober. 

Jahreszahl unbekannt. Ein einziges Foto - Doch es liegt auf meinem Schreibtisch. Versteckt, aber da.


Ich wusste, es wird schwer; schwer darüber zu schreiben, über dich, den ich nicht kenne. Der, dessen Name nicht genannt werden darf. Du heißt nach einer Farbe, doch hast du mich "Anna" genannt. Heute revanchiere ich mich und taufe dich "Rot".

Es ist weniger eine Hassliebe als ein Liebeshass, weniger Gewalt als Protest.


Ich habe dir viele Gesichter gegeben, bis ich vor eineinhalb Jahren das erste Foto gesehen habe. In der Grundschule warst du Ralph Caspers. Natürlich warst du Ralph Caspers. Dann verwandeltest du dich in meinen Onkel, dann in eine Leiche und schließlich verlorst du gänzlich dein Gesicht.

Es hat sich nie so schwer angefühlt für mich, dieses Leben ohne Vater. Mein Leben in Unwissenheit. Einige scheinen mehr darin zu sehen, als wirklich ist. Ich habe nie Mitleid gebraucht. Warum auch? Ich habe meine Familie, wer sagt denn, dass sie dICH enthalten muss, nur, weil ICH Repliken deiner Desoxyribonukleinsäure enthalte?


Trotzdem sog ich alles an Informationen auf, was ich nicht mit Spekulationen füllen konnte. Ein kleiner Anna-Schwamm. Ist das nicht niedlich?

Genau wie deine endlosen Haustiere - über deren Schicksal ich Bescheid weiß - und deine Affinität zu deinem eigenen Vater. Ich hoffe, ihm stehen die Gefängnisklamotten.


Ich hoffe, deine Mutter hat wenigstens einmal in den Stunden vor ihrem Tod an mich gedacht und bereut, dass sie ihr einziges Enkelkind nie sehen wollte. Ich war das, was sie zu einer Großmutter hätte machen können. Stattdessen bekam ich nur eine, doch die verwandelte diese Bezeichnung in eine Auszeichnung. Sie machte unantastbar, was deine Mutter nie angetastet hatte.


Man sagt mir, die Unterhaltszahlungen kommen nie. Man sagt mir, du hättest keinen Geschäftssinn, würdest ständig pleite gehen. Man sagt mir, du wärst ein Charmeur.

Doch am Ende jedes einzelnen vaterlosen Tages sage ich mir: 

Solange es mit uns beiden nicht endet wie in "homo faber", kann ich die vaterlosen Tage kaum erwarten.




𝒜𝒷𝓈𝒸𝒽𝒾𝑒𝒹𝓈𝒷𝓇𝒾𝑒𝒻𝑒Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt