10. Vergangenheit

39 6 0
                                    

Erik stellte sich neben Luna und nahm Nelly auf den Arm.

„Bei sich zu Hause wäre sie im Moment nicht gut aufgehoben. Wir bringen sie ins Krankenhaus“, sagte er und ging vor.

„Hey ich schaff das auch alleine! Wenn du mich nicht von ihr getrennt hättest wäre das gar nicht erst passiert“, protestierte Luna.

„Hör zu ... Es tut mir leid. Sollte ich demjenigen erwischen der für Nellys Zustand verantwortlich ist, kann er sein Testament machen. Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt zum streiten, wenn wir Nelly ins Krankenhaus gebracht haben kannst du gerne deine Wut an mir auslassen“, entgegnete Erik und sah über seine Schulter.

Luna blieb verwundert einen Moment stehen, bis sie die Lücke zwischen ihnen schloss. War das wirklich der arrogante Badboy Erik Everest? Oder spielte er bloß ein falsches Spiel? Luna war zu überfordert um es genau sagen zu können.
Noch nie gab es jemanden der sie so durcheinander brachte wie Erik es tat und sie musste zugeben, dass ihr Herz schneller schlug als er Nelly auf den Arm nahm, um sie zu tragen. Vielleicht gab es ja doch noch die Seite in Erik, die es hasste so wie es im Augenblick war.
Den ganzen Weg zum Krankenhaus sprach keiner der beiden ein Wort miteinander.

Nelly wurde bei ihrer Ankunft sofort behandelt und es stellte sich heraus, dass ihr jemand eine Art Partydroge ins Getränk gemischt hatte. Zum Glück ging es Nelly schnell wieder gut und sie konnte das Krankenhaus nach 3 Stunden wieder verlassen. Da man ihre Eltern nicht erreichen konnte und Luna sie nicht alleine lassen wollte, brachten sie Nelly zu Luna nach Hause.

„Wohin soll ich sie bringen?“, fragte Erik als sie Lunas Wohnung betraten.

„Bring sie in mein Zimmer“, antwortete sie und zeigte in die Richtung.

Luna machte Nelly einen Tee und stellte ihn auf die kleine Komode neben dem Bett. Sie ging leise aus dem Zimmer und schloss die Tür damit Nelly ihre Ruhe hatte.
Erik hatte sich auf's Sofa gesetzt und sah Luna an.

„Jetzt darfst du mich gerne zusammenscheissen.“

Luna schüttelte den Kopf. „Danke, wenn du mir nicht geholfen hättest wären Nelly und ich immernoch unterwegs.“

Erik sah sich verwundert um und zeigte dann auf sich. „Meinst du etwa mich?“

Luna setzte sich neben ihn und nickte. „Siehst du hier noch jemanden?“

„War doch nur Spaß, aber du brauchst dich nicht zu bedanken. Wenn ich nicht gewesen wäre, wäre das nicht passiert“, erwiderte Erik und drehte sich zu Luna. „Ich bin einfach ein totaler Versager, ich verbock alles was es zu verbocken gibt.“

„Du bist kein Versager, wenn du ein Versager wärst hätten du und Beauty-Louisa schon zwei Kinder“, entgegnete sie und lächelte leicht.

Erik schenkte ihr ein warmes Lächeln und lehnte sich ein Stück zurück.

„Luna, gibt es eigentlich einen Grund warum du alleine lebst?“, wollte er wissen und hätte es, nachdem er ihren Gesichtsausdruck gesehen hatte, am liebsten wieder zurück genommen. „Du musst es mir nicht erzählen wenn du nicht willst. Jeder hat eben eine Vergangenheit über die er nicht gerne spricht.“

Luna sah ihn schweigend an.

„Weist du mein Vater war schon immer ein riesen Arschloch. Er hat meine Mutter andauernd geschlagen und saß ab und zu mal im Knast. Irgendwann hat meine Mutter es dann nicht mehr ausgehalten und ist bei Nacht und Nebel abgehauen. Mein Vater ist kurz darauf wieder in den Bau gewandert und ich würde bei meinem Bruder untergebracht, der den Knast auch schon von innen gesehen hatte. Damit ich nicht in irgendein Heim abgeschoben wurde, habe ich alles gemacht was mein Bruder mir gesagt hat und glaub mir darauf bin ich nicht stolz. Ab und zu passe ich sogar auf seinen kleinen 2 jährigen Sohn auf, um den er sich einen Scheiss kümmert. Deshalb hab ich auch die letzten Tage in der Schule gefehlt, der kleine war krank und seine Mutter hat kein frei bekommen, also habe ich Krankenschwester gespielt. Tja soviel zu meinem Leben“, erzählte er und lächelte leicht, um seine wahren Gefühle zu überspielen.

„Dann bist du also gar kein Arsch?“

Erik zuckte mit den Schultern. „Mal so, Mal so.“

„Und als du sagtest du willst Drogendealer werden?“

„Das war gelogen. Ich will meinem kleinen Neffen schließlich ein gutes Vorbild sein.“

Luna wante ihren Blick ab und zog ihre Beine dicht an ihren Körper. Sie vergrub den Kopf zwischen ihren Knien und begann schwer zu atmen.

„Vor 5 Jahren wurden meine Eltern von Einbrechern vor meinen Augen umgebracht. Ich überlebte nur weil ich mich in einem der Schränke versteckt hatte.“ Langsam stiegen ihr die Tränen in die Augen. „Danach wurde ich in ein Heim gesteckt, weil meine Verwandten mich nicht aufnehmen konnten oder wollten. In diesem Heim da war dieser wiederliche Betreuer...“ Ihre Stimme wurde zittriger und Erik rückte näher an sie ran. Immer wieder schossen ihr Bilder der Vergangenheit in den Kopf. „Der Typ hat jedes Mädchen immer angegrabscht und niemand hat etwas dagegen unternommen. Einmal da musste ich nach dem Abendessen den Spüldienst alleine machen und da tauchte dieser Wiederliche auf. Ich werde diesen Blick nie vergessen den er mir zu warf, als er mich am Arm packte. Wäre damals nicht einer meiner Mitbewohner aufgetaucht wäre wer weis was passiert.“

Immer mehr Tränen tropften von ihrem Gesicht. Erik hatte einen Arm um sie gelegt und zog sie noch näher zu sich.

„Ich habe mich damals von allen losgesagt und nur noch für mich gelebt. Ich wollte keine Nähe mehr, das hätte ich nicht ertragen. Doch schließlich sind du und Nelly aufgetaucht, ihr wart die einzigen die einfach nicht aufgeben wollten“, sagte sie und wischte sich die Tränen weg.

Erik nahm sie in den Arm und legte seinen Kopf auf ihren.
„Jetzt verstehe ich das alles und du hast diese Sache die ganze Zeit mit dir rumgeschleppt, ohne es jemanden zu sagen?“

Luna nickte und schlurzte leicht.
Eriks Brust zog sich zusammen und er   spürte einen stechenden Schmerz. Nun wurde ihm klar, dass er sie beschützen musste.

„Luna von nun an brauchst du dir keine Sorgen mehr machen... Ich werde auf dich aufpassen. Dir wird keiner mehr wehtun, dass verspreche ich dir.“

Lunas Herz schlug schneller, doch endlich fing sie an sich zu beruhigen.

„Danke Erik", entgegnete sie und lehnte ihren Kopf auf seine Brust.

Erik zog seine Jacke aus, legte sie ihr über und gab ihr einen Kuss auf den Scheitel.

„Schon gut und jetzt schlaf noch ein bisschen, solange es noch dunkel draußen ist.“

Luna kuschelte sich an Erik, ihr Atem wurde ruhiger und sie schlief ein.
Endlich war sie diese Last, die auf ihrem Herzen lag, weg. Sie musste sich selbst eingestehen, dass sie ihn falsch eingeschätzt hatte. Luna musste  ihre Meinung über Erik von Grund auf ändern, aber wer hätte den gedacht, dass der Badboy Erik Everest auch nur ein Opfer seiner Vergangenheit war?

The Badboy's broken AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt