Die Folgen von Fehlern...

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Ich hatte einen schlimmen Albtraum. Ich erinnerte mich nur noch vage an ihn. Doch ich wusste, dass er grausam gewesen war und mir regelrecht das Herz aus der Brust gerissen hatte. Noch immer, selbst mit geschlossenen Augenlidern, spürte ich die getrockneten Tränenspuren auf meinem Gesicht.
Es hatte etwas mit Delores zu tun gehabt. Delores, die um Zara geschrien hatte.
Um Zara, die...

Erschrocken riss ich meine Augen auf und fuhr hoch.
Sofort wurde mir bewusst, dass ich mich nicht in meinem Zimmer befand.
Wo war ich?

Verwirrt sah ich mich um und entdeckte Amy neben mir.
Sie hatte ihre Knie angezogen und bewegte sich unruhig im Schlaf hin und her.

„Sie ist gerade erst eingeschlafen, bitte, sie braucht den Schlaf", kam es leise aus einer dunklen Ecke und erschrocken fuhr ich zu Dean herum.
Er saß mit zusammengesunkenem Oberkörper in einem breiten Sessel. Eine Decke war über seine Beine ausgebreitet, in dessen Stoff er seine Finger krallte.
Zwar lag sein Gesicht zum größten Teil im Schatten, aber dennoch konnte ich die getrockneten Tränen und die geröteten Augen erkennen.
Eiskalt lief es meinen Rücken herunter und es fühlte sich so an, als würde mein Herz stehen bleiben.


Es war doch ein Traum gewesen, oder?
Es konnte doch nicht die Realität sein.
Immerhin sprachen wir von Zara.

„Dean", setzte ich langsam an und versuchte meine Gedanken zu ordnen. „Ich habe geträumt, oder? Wo ist Zara?"

Meine Stimme hatte einen flehentlichen Unterton angenommen, so als könnte Dean die Zeit zurückdrehen und alles ungeschehen machen.

Doch dann senkte er den Kopf und ich hörte, wie er leise wieder anfing zu weinen.
Diese stumme Antwort genügte mir, um all meine Hoffnung zu zerstören. Sie fiel zu Boden und zerbrach in tausend Einzelteile.
Genauso wie es mich zerstörte.

Ich bekam keine Luft mehr, meine Luftröhre wurde zusammengedrückt und eine unglaubliche Schwere lastete auf meiner Lunge.
Ich musste hier weg.
Wenn ich nur aus diesem Zimmer entkommen könnte, würde ich auch der Realität entfliehen können, oder etwa nicht?

Automatisch sprang ich aus dem Bett und wollte aus dem Zimmer stürmen, doch Deans schnellen Reflexe hinderten mich daran. Blitzschnell war er aufgesprungen und hielt mich an meinem Arm zurück.

„Wohin willst du? Max, beruhige dich!"
Ich schüttelte seinen Arm ab und schrie nun: „Das ist nur ein Scherz! Zara will uns doch nur einen Streich spielen. Zara kann nicht tot sein! Sie darf nicht tot sein! Sie kommt gleich und fällt in meine Arme und dann... dann..."

Ich konnte nicht mehr. Schluchzend fiel ich auf meine Knie und vergrub mein Gesicht in meine Hände.
Zara lebte.
Anders konnte es doch gar nicht sein!
Sie hatte mir doch versprochen, dass sie mir alles erklärte. Alle tieferen Sinne dieser Welt.
Was würde aus diesem Versprechen werden?
Was würde bleiben?

„Max!" Deans Stimme klang dünn, aber trotzdem hielt ich inne und sah ihn an. Ich hoffte auf eine Erklärung, dass er die Welt wieder in Ordnung und Zara zurückbringen würde. Doch natürlich konnte er das nicht. Niemand könnte das. Bis auf Zara.
Dean hatte sich zu mir auf den Boden gehockt und zog mich dann in eine Umarmung.
Das wurde mir zu viel.
Ich brach zusammen wie ein Damm und weinte an seine Schulter. Auch er weinte und erzählte dabei mit schniefender Stimme: „Delores hat sie bei ihrem Morgenspaziergang entdeckt. Sie... Sie... Es hat gestürmt in der Nacht... Und auf dem Dach... Sie... Ein Dachziegel ist abgerutscht und sie muss gefallen sein. Oh Gott, Zara!"

Ich wollte, dass er aufhörte, ich wollte das nicht hören.
Nein, Zara.
Zara konnte doch nicht abgerutscht sein.
Sie war doch wie eine Katze!
Sie war so flink, so geschickt.

Oh Gott. Schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen und mir wurde von einer Sekunde auf die nächste speiübel, als es mir wie Schuppen von den Augen fiel: Sie war wegen mir tot.

Wenn ich sie nicht alleine gelassen hätte, würden wir jetzt auf dem Dach sitzen, Schokoladenkekse essen und über die tieferen Sinne diskutieren.

„Ich glaub, mir ist schlecht", murmelte ich, löste mich ruckartig von Dean und rappelte mich auf. Alles drehte sich, aber ich schaffte es, die Türklinke herunterzudrücken und fluchtartig das Zimmer zu verlassen.
Dean folgte mir nicht.

Ich rannte in das nächstgelegene Badezimmer und brach vor der Toilettenschüssel zusammen.
Meine Hände krallte ich in den grünen Frotteebadevorleger, während ich anfing zu würgen. Doch es kam nichts.
Nichts außer Tränen.

Ein Fehler von ihr.
Ein Größerer von mir.
Weinend ließ ich meinen Kopf gegen die limettengrüne Kachelwand sinken.
Als ich meine Augen schloss, sah ich sofort Zara.
Rote Locken.
Grüne Augen.
Verschmitztes Lächeln.
Und natürlich barfuß.
Immer war sie barfuß gewesen.
Ihre warmen Hände, die nach meinen griffen...
Nun würde sie nie mehr lachen, laufen oder ihre tieferen Sinne mit uns teilen.
Nun war sie kalt und keine Wärmflasche auf der Welt würde sie wieder wärmen.

Und alles nur wegen mir.
Ich war ein Monster! Zara hatte es nicht verdient zu sterben.
Ich hätte mich nicht abwimmeln lassen dürfen, ich hätte bei ihr bleiben sollen.
Verdammt!
Ich hätte den Tod mehr als sie verdient.
Zara.
Zitternd atmete ich ein.
Und dann musste ich mich wirklich übergeben.

Das Mädchen aus GlasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt