Ich kletterte durch das Fenster und wäre beinahe in Dean gestolpert.
„Was macht ihr denn hier?", fragte ich ihn und Amy, welche beide neben Zaras Bett standen.
„Es ist halb elf und du warst nicht unten. Wir dachten... Wir haben schon vermutetet, dass du hier oben bist und wollten dich holen, damit... naja, du weißt warum..."Ich nickte nur auf Amys Worte und mein Blick schweifte wieder zu der Wand. Ich erkannte meinen gemalten Sternenhimmel und schnell wandte ich bei der Erinnerung, wie wir hier lachend die Wand bemalt hatten, meinen Blick ab. Dean fragte: „Wollen wir?"
Und gleichzeitig meinte Amy mit dünner Stimme: „Findet ihr es auch nicht komisch, dass wir hier vor unserer Wand stehen? Komisch, dass wir hier stehen, wo Zara uns haben will? Vor einem Jahr hatte sie doch gesagt, dass wir in einem Jahr oder in 50 Jahren hier wieder zusammen stehen würden und über die Erinnerungen lachen werden..."Ich schluckte. Die Erinnerung an diesen perfekten und ausgelassenen Tag war einfach wunderschön und zerstörerisch zu gleich.
„Ich weiß noch, wie Zara unsere Hosen angemalt hatte...", sprach Dean leise mit einem traurigen Gesicht auf dem Gesicht.
„Und dann haben wir uns gegenseitig bemalt", fügte Amy ebenfalls mit einem leichten Lächeln hinzu. Ich kam nicht umher und meinte deswegen: „Und dann habt ihr euch auf den Boden vor Lachen geworfen."
Nun lächelten wir alle drei und starrten auf unsere Kunstwerke. Wobei ich die ganze Zeit auf unsere gemalten Ich's sah. Zaras Locken schienen sich in einem nicht vorhandenen Wind zu bewegen und lächelnd schüttelte ich den Kopf. Zara war so begabt gewesen... Mein Blick schweifte automatisch zu dem Loch, wo früher einmal das Flügelpaar und zugleich die Fesseln waren. Und da wurde es mir erneut bewusst:
Wir waren vom Leben gezeichnet. In den buntesten Farben.„Wollen wir los? Sonst schaffen wir es nicht mehr rechtzeitig...", flüsterte ich und räusperte mich. Die anderen nickten und schweigend machten wir uns auf dem Weg. Wie von selbst tastete ich mit meiner Hand nach meinem Stein der Wünsche, den ich seit einem Jahr immer mit mir herum trug.
Kurz darauf saßen wir in Delores Auto und fuhren über die Landstraße. Delores wusste von unserem Plan nichts, aber wenn alles gut ging, würde sie es auch nie erfahren.
„Habt ihr alles eingesteckt?", fragte ich und durchbrach somit die nächtliche Stille. Amy nickte nur und dann wurde es wieder leise. Und so blieb es auch, bis Dean auf einen Parkplatz fuhr, der spärlich beleuchtet war, mich dennoch schmerzlich an diese eine Erinnerung erinnerte.„Hier, für dich." Dean drückte mir eine Taschenlampe in die Hand, als wir ausgestiegen waren. Ich antwortete nichts, schaltete sie einfach nur an und lief auf das schwarze Tor zu. Wie ich es schon erwartet hatte, war es abgeschlossen.
„Es ist abgeschlossen und wir haben nur noch eine halbe Stunde bis es Mitternacht ist..."
„Max, wir klettern einfach. Zara hätte es genauso gemacht." Mit diesen Worten kletterte Amy mit ihrem Rucksack über den Zaun und sprang auf der anderen Seite wieder herunter. Dean und ich machten es ihr nach, wobei ich jedoch Mühe hatte, mir nicht meine Jeans einzureißen.
Heil auf der anderen Seite angekommen, liefen wir schweigend mit den Taschenlampen über die Kieswege.
Ich hatte es mir gruseliger vorgestellt, aber diese gespenstische Stille war gerade zu angenehm.Trotz der vielen in der Dunkelheit liegenden Grabsteine schienen meine Füße wie von selbst zu wissen, wo sie lang mussten. Obwohl ich diesen Weg erst einmal in meinem Leben gegangen war.
Schweigend liefen wir Reihe um Reihe weiter. Vorbei an den unterschiedlichsten Steinen. Aber keiner interessierte mich, bis ich einen im Mondschein korallenfarben glitzern sah.„Hallo, Zara", flüsterte ich in die Stille und ließ mich vor ihrem Grab nieder. Die anderen taten es mir gleich.
„Hey, Süße. Ich habe dich vermisst. Ich muss dir noch so viel erzählen", hauchte nun auch Amy. Ich sah nicht zu ihr, denn auch ohne einen Blick auf sie zu werfen, wusste ich, dass sie kurz davor war zu heulen. Aber dafür waren wir nicht zu dritt hierhergekommen.
Nein, wir waren aus einem anderen Grund hier.
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Das Mädchen aus Glas
Teen Fiction-- Diese Geschichte wird zum 26. November 2021 wieder kostenlos lesbar sein! -- "Das hier, Max, hat einen tieferen Sinn, der glasklar auf der Hand liegt." "Und der wäre?" "Die Freiheit." Als Max sie zum ersten Mal sieht, ist er sprachlos. Denn Zara...