Kapitel 24

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Der letzte Abend vor der Hochzeit verlief trotz arger Befürchtungen relativ ruhig. Janes Zorn währte nicht allzu lange. Nachdem ich mich ihrer „Spezialbehandlung für Bräute", einem allumfassenden Schönheitspflegeprogramm, pflichtbewusst unterzog, kam sie schnell wieder zur Ruhe. Allerdings war sie erst zufrieden, als sie mich nach dem Abendessen ins Bett stecken konnte.

Wie beneidete ich doch Marius, der mit den Herren des Hauses im Salon saß und einen Schluck Portwein genoss. Prost!

Während ich noch in meinem Bett lag und den Vögeln beim – nein, dabei nicht - abendlichen Singsang zuhörte, drehte sich der Knauf meiner Tür, die ich wohlweislich abgeschlossen hatte. Mit nackten Füßen schlich ich geräuschlos zu selbiger und lauschte. Draußen wurde ein gläsernes Gefäß geöffnet und schon bald fraß sich sein geruchloser Inhalt unter der Tür durch.

Säure! Seltsame Säure. Aus sicherer Entfernung begutachtete sie genauer. Ich legte mich auf den Boden. Es sah beinahe aus, als ob sich die Säure mit kleinen Beinchen fortbewegte. Sie fraß auch nicht alles an. Wie ich so auf dem Boden lag, fiel mein Blick unter mein Bett. Zuerst wunderte ich mir nur, wie lange das Hausmädchen dort nicht gefegt hatte. Dann war es mir ganz lieb, dass es sie es unterlassen hatte. Dort lag nämlich eine Hagebutte mit sämtlichen Informationen meiner Rosen. Sie hatten es also doch noch geschafft eine zu produzieren!

In die Säure kam ein wenig mehr Leben, desto näher sie an mich heran kam – als ob sie mich wittern würde. Sie attackierte mich – ein kleiner Schwall warf sich in meine Richtung. Ich rollte mich beiseite. Gerade noch rechtzeitig. Schnell krabbelte ich in Richtung Bett und griff mir die Hagebutte. „Ich werde euch nach Hause bringen – wie versprochen."

Nachdem ich nicht mehr in der Nähe der Säure war, verlangsamte sich ihre Ausbreitung. Von meinem Zimmer aus ging ich ins angrenzende Bad, das wiederum eine Tür zum Flur hatte, die selbstredend von innen abgeschlossen war. Doch auch von dort näherte sich Säure. Allerdings war sie noch nicht so weit und wirkte etwas orientierungslos.

Ich verdrehte die Augen, eilte kurzerhand zu meinem Kleiderschrank, griff mir mein Brautkleid und drapierte es durch einen geschickten Wurf im Bad auf einem nicht allzu hohen Schrank in der Nähe der Tür. Den Schallschrauber vergaß ich auch nicht. Dann begann ich einen niedrigen Tisch in das Badezimmer zu schieben, ein Exemplar, das auch mit meinem Gewicht fertig werden würde.

Wohlan! Ich raffte mein Nachthemd und kletterte auf den Tisch. Dann öffnete ich mit langem Arm die Tür, schnappte mein Kleid vom Schrank und warf es in den Flur. Die Hagebutte folgte. Von George war nichts mehr zu sehen. Ich versuchte durch Rucken und Zucken den Tisch noch etwas dichter an die Tür zu bringen, was nicht so funktionierte, wie ich wollte. Ich überlegte kurz. Sollte ich aus dieser Entfernung einen beherzten Sprung wagen? Ja! Ich schaffte es. Dass ich im Liegen im Flur ankam, war nicht wichtig. Hauptsache am Leben.

Ich griff mir mein Kleid und die Hagebutte und eilte zu Marius Zimmer. Er war nicht da. Ich öffnete die Tür und stellte beim Betrachten seines Zimmers fest, das sein Bett ebenfalls mit der seltsamen Säure benetzt war. Würde er sich hineinlegen, würde sie ihn auffressen.

„Wen haben wir denn da?", säuselte er und lehnte sich in den Türrahmen. „Und in welchem Aufzug! Das erinnert mich an Wuppertal." Er taxierte mich von oben bis unten ab. Wäre nicht diese seltsame Säure auf seinem Bett, hätte ich mit einem Kissen nach ihm geworfen.

„Marius, wir haben ein Problem", sagte ich nüchtern.

„Ja, das haben wir. Ich bin hundemüde und will ins Bett." Er machte Anstalten seine Worte in die Tat umzusetzen und fummelte sich das Halstuch ab.

„Du kannst nicht ins Bett." Ich wies ihm mit der Hand, dass er einmal genauer hinschauen sollte.

„Ihh, was ist das?" Angewidert trat er einen Schritt zurück.

„Säure, die dich anfrisst, sobald du dich reinlegst. George hat welche bei mir unter der Tür durchgekippt. Sie geht. Auf Beinchen."

„Das ist nicht dein Ernst." Er runzelte die Stirn.

„Doch ist es. Du kannst es dir ansehen, aber geh nicht zu dicht ran, dann springt sie dich an."

Skeptisch aber sehr vorsichtig inspizierte Marius die Säure und entdeckte die kleinen Beinchen: „Erstaunlich!" Marius beendete seine Betrachtungen und ging zu seinem Kleiderschrank um seinen Hochzeitsanzug heraus zu kramen: „ Vielleicht brauche ich ihn doch", ließ er mich süffisant lächelnd wissen. Leider war mein Ellenbogen zu weit von seiner Seite entfernt...

Wir traten auf den Flur.

„Wohin jetzt?", fragte ich ihn.

Er zuckte mit den Schultern. „Armands Zimmer ist frei. Melanies ebenso."

„Das ist mir zu unsicher. Wenn George nach uns suchen sollte, würde er dort bestimmt zuerst nachsehen." Ich dachte nach. „Außerdem möchte ich da sein, wenn Marlon mit der Tardis eintrifft. Er wird mit Sicherheit nicht im Castle landen, sondern davor. Draußen?"

„Warum nicht. Es ist eine laue Sommernacht... in Schottland. Die Nacht vor unserer Hochzeit. Romantischer geht es doch kaum", zog er mich auf und amüsierte sich köstlich, als ich ein verächtliches Gesicht zog und schnaubte. „Also, als Ronna hast du mir wesentlich besser gefallen", zog er an mir vorbei Richtung Freiluft.

Ich staunte nicht schlecht, als ich nach draußen trat. Während ich mich meiner „Behandlung" unterzogen hatte, hatte sich hier draußen einiges getan. Unter Janes Anweisung, die Raymond pflichtbewusst umgesetzt hatte, war ein kleiner, weißer Podest aufgebaut worden. Darauf befand sich ein ebenfalls weißer Rundbogen, an den Efeuranken gewunden waren. Man hatte vier kleine Zelte aufgebaut, zwischen denen weiße Holzbänke standen.

„Gib mir dein Kleid," forderte Marius mich auf.

Ich sah ihn fragend an.

„Ich hänge es zusammen mit meinem Anzug in die Garderobe. Es soll ja nicht nach Stall riechen oder?"

Marius zottelte von dannen. Wenn nur endlich Marlon auftauchen würde! Ich stellte fest, dass ich die Hagebutte in meiner Hand beinahe zerquetschte. Wohin nur damit? Ich weiß nicht, warum ich es tat, aber ich pflanzte die Hagebutte unter den Rundbogen. Sie würde bestimmt bis zum nächsten Tag nicht gekeimt sein. Ich könnte sie dann einfach wieder ausbuddeln.

Mein Assistent kam wieder, zwei Mäntel in der Hand.

„Heuboden?", fragte er kryptisch.

Ich nickte, ignorierte sein geäußertes „Uh!" und folgte ihm zum Stall.

The Doctoress - Roses (6/Special)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt