Kapitel 26

21 7 16
                                    

Es war ein wunderschöner Tag. Warm, aber nicht zu heiß. Feine Schleierwolken, die am Himmel vorbeizogen. Eine idyllische Hochzeitslocation. Ein traumhaft schöner Mann, der auf dem weißen Podest auf mich wartete und von dem ich wusste, dass diese Hochzeit für ihn das war, was er sich wünschte.

Es hätte schöner nicht sein können und doch konnte ich es nicht genießen. Allerdings fehlte mir auch etwas an dieser Szenerie. War da nicht ein See in meinem Hochzeitstraum, der durch die Einhörner ausgelöst worden war? Egal, es gab momentan andere Dinge, die wichtiger waren.

Es war pure Folter. Diese ganzen Was-wäre-wenn-Fragen zogen durch mein Hirn und machten mir das Leben schwer. Er würde altern, ich nicht. Er würde sterben, ich vorerst nicht. Ich wusste nicht viel über seine Vergangenheit. Gab es da andere Frauen? Wollten sie ihn zurück? Würde er sich mal in eine andere verlieben? Was wäre wenn?

Raymond schob seinen Arm unter meinen. Ich zitterte am ganzen Körper wie Espenlaub. Er nahm an, es wäre lediglich die Aufregung.

„Du schaffst das. Ich war auch so aufgeregt." Er tätschelte meine Hand. Die Musiker spielten auf und mein Leidensweg setzte sich fort. Contenance! Die Stimme in mir war nur ein Hauch. Tapfer setzte ich einen Fuß vor den anderen. Der Weg erschien mir endlos. Als ich den Podest erklomm, kam es mir vor, als würde ich den Mount Everest besteigen. Die Luft zum Atmen wurde dünn.

Marius, der Marcus ja immer noch irgendwie war, nahm meine Hand und wir wandten uns dem Redner zu, der von hinten auf den Podest gestiegen war und unsere Hochzeitsansprache hielt. Blablabla. Dennoch, ich wünschte, er würde ewig reden.

Meine Gedanken drifteten ab. Meine Augen suchten in der Ferne nach einer pinken Kiste. Nichts. Kein Geräusch. Kein Windhauch. Kein Schatten.

Erst als der Redner in seiner Monotonie innehielt und sich mein angehender Ehemann und alle Anwesenden umdrehten, realisierte ich, dass etwas geschehen sein musste. Es war nicht die Tardis. George war auf den Plan getreten und hatte vor Schmerz aufgeschrien. Er war zu nahe an eine der berankten Zeltstangen geraten. Die Falle der Rosen war zugeschnappt.

Sie hatten sich ihn sofort gegriffen und sich mit ihm verbunden. Ich wusste, was jetzt geschehen würde. Ich hatte die Rosen in Gedanken überreden können ihn nicht umzubringen. Sie sollten ihn nur bestrafen. Ich empfahl ihnen, sein Gedächtnis zu löschen. Zumindest die Teile, die sich mit den Rosen, den Nixern, Marius und mir beschäftigten. Er sollte annehmen, er sei ein ganz normaler Mensch. Er sollte vergessen, wo sein Raumschiff war oder die Kommandozentrale.

Dieser Zugriff war mir ein willkommener Aufschub und ließ meine Hoffnung auf die Ankunft von Marlon wieder aufkeimen. Aber leider... , leider würde ich wohl noch ein paar Jahrhunderte warten müssen.

Umstehende Menschen versorgten George, der alsbald wieder zu sich kam. Die Trauung konnte weitergehen.

„So, jetzt kommen wir zu den allerwichtigsten Fragen", machte der durchschnittliche Mann im üblichen Aufzug uns aufmerksam. „Bevor wir diese beiden Menschen im Bund der Ehe vereinen, ergeht die Aufforderung an alle Anwesenden: Wer Einwände gegen diese Ehe hat, möge sie jetzt äußern oder für immer schweigen." Er blickte in die Runde und wollte schon fortschreiten, als ein Mann auf den Plan trat, den ich nicht kannte.

„Ich habe Einwände gegen diese Hochzeit", sagte der Unbekannte.

Ein Raunen ging durch die Menge. Jane hatte ihren Mund soweit offen, dass er einem Fliegeneinflugsportal glich. Sie stürzte zu mir. „Wer ist das?"

„Ich weiß es nicht. Ich kenne ihn nicht", gab ich ehrlich zur Antwort.

Er trat näher. Er war ein großer Kerl mit einer sehr guten Statur. Als er den Zylinder abnahm fiel sein langes, üppiges, blondes Haar über seine Schultern. Das konnte doch unmöglich Marlon sein! Oder doch? Er trat näher, seine großen bernsteinfarbenen Augen leuchteten mich förmlich an. Ich erkannte ihn und eine große Last fiel von meinen Schultern.

Ich flog förmlich vom Podest in seine Arme: „Marlon!" Was für ein Hochzeitscrasher! Ein willkommener sogar!

„Meine geliebte Ronna, endlich habe ich dich wieder!" Marius verdrehte die Augen und verschränkte die Arme. Ihm passte das gar nicht. Marlon dagegen umarmte mich fest.

Während ich in seinen Armen lag, flüsterte er mir zu: „Du weißt schon, dass wir Theater spielen oder?" Er warf dem anderen "M" einen verschwörerischen Blick zu. Dieser nickte. Dann nahm Marlon mein Gesicht in seine Hände und küsste mich ganz vorsichtig um die Scharade aufrecht zu erhalten.

Die ganze Welt drehte sich vor Glück. Nicht wegen Marlon, sondern wegen der geplatzten Hochzeit und meiner pinken Tardis, die sicherlich irgendwo herum stand.

Mein Assistent spielte seine Rolle auch sehr gut. Sein Gesicht war wutentbrannt, als er an uns vorbei stürmte. „Du kriegst sie nicht zurück. Ich fordere dich zum Duell!", zischte er laut genug, dass alle Umstehenden es hören konnten. Leise sprach er weiter: „Wo ist die Tardis?"

„In dem Wäldchen dort gibt es eine große Lichtung. Da steht sie mittendrin."

„Danke!" Marius, alias Marcus, stapfte im Stechschritt von dannen, gefolgt von Marlon, gefolgt von mir: „Das könnt ihr nicht machen! Ich kann es nicht mit ansehen, wenn einer von euch verletzt wird oder gar stirbt! Ich verbiete ein Duell!" Drama, Baby!

Als andere Personen uns folgen wollten, herrschte ich sie an: „Lasst uns das alleine regeln! Oder wollt ihr von einem Querschläger getroffen werden?" Auf dem Weg zur Lichtung veranstalteten wir noch einiges an Gezeter um unsere Sache glaubhaft zu machen. Fakt: diese Beinahe-Hochzeit würde so schnell niemand vergessen. Aber, sie war auch nicht so seltsam, dass sie in die Geschichte eingehen würde. Ein Eifersuchtsdrama halt.

Da stand sie – meine Tardis. Ich konnte nicht anders als sie zu umarmen.

The Doctoress - Roses (6/Special)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt