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Laura

„Da bist du ja endlich.", sagte meine kleine Schwester fast schon genervt, als ich das kleine Café direkt an der Aller betrat. Von hier aus hatte man eine wunderschöne Sicht auf den Fluss, weshalb ich mich sofort in das Café verliebt hatte, als ich es im Internet gefunden hatte. Als ich mich umsah, bemerkte ich sofort die entspannte Atmosphäre, die hier herrschte und ärgerte mich, dass sich das Café in Wolfsburg befand und nicht in Köln oder Hamburg. Leicht verträumt setzte ich mich zu Melissa und ihren Freund Richard an den Tisch und begrüßte sie erfreut. Schon länger hatte ich die beiden nicht mehr gesehen, fast drei Monate war es her, dass ich an Weihnachten Zuhause bei meiner Familie war und Richard hatte ich im Februar das letzte Mal gesehen, als er mit seiner Mannschaft in Köln gespielt hat. Am Anfang war es für uns komisch, dass meine Schwester mit einem Fußballspieler zusammen war, der auch noch in dem Verein spielte, den mein Vater schon seit seinen Kindheitstagen unterstützt. Besonders mein Vater war sehr erfreut über die Nachricht, dass sie nicht irgendwen datete, sondern Richard Neudecker, Mittelfeldspieler beim FC St. Pauli.

„Die Verspätung tut mir wirklich leid, aber ich hatte nicht mit Stau geplant. Man kann auch wirklich nirgendwo hinfahren, ohne in einem Stau zu stehen..." Ich wurde kurz durch die Kellnerin unterbrochen, die mir lächelnd einen Cappuccino hinstellte, den die zwei anscheinend schon für mich bestellt hatten. Schnell bedankte ich mich bei der Dame, bevor ich mich wieder zu Melissa und Richard wandte und sieh grinsend ansah. „Und freut ihr euch schon auf später?"

„Und wie! Ich weiß echt nicht, wie wir uns dafür bedanken sollen, dass du uns die Karten geschenkt hast. Und alleine wären wir wahrscheinlich nicht an so gute Karten gekommen... danke nochmal!" Richard strahlte mich an und auch meine Schwester sah mich dankend und glücklich an. Ich hatte den beiden Karten für das Freundschaftsspiel gegen Serbien geschenkt, da ich durch einen guten Freund von mir, Jonas Hector, viel einfacher an Karten gekommen bin und wusste, dass Richard schon lange mal wieder ein Spiel der deutschen Nationalmannschaft sehen wollte und viele der Spieler für ihn ein Vorbild waren. Da hatte ich die Chance sofort genutzt und Jonas gefragt, ob er mir auch Karten vorbestellen könnte, als er sich seine eigenen Vorbestellt hatte. Ich war ihm echt dankbar, dass er es gemacht hatte, obwohl wir uns nicht allzu lange kannten. Obwohl ich mittlerweile schon fast vier Jahre beim 1. FC Köln beschäftigt war, hatte ich mit den Spielern selbst fast gar nichts zu tun gehabt. Eigentlich hatte ich nur Kontakt zu Jonas Hector und Lasse Sobiech, Jonas hatte ich bei einem Fototermin der Mannschaft kennengelernt und wir hatten uns sofort gut verstanden und Lasse kannte ich noch aus St. Pauli Zeiten und er hatte mich wohl von Richards Geburtstag wiedererkannt. Die anderen kannte ich nur flüchtig und sprach mit ihnen meist nur über die geschäftlichen Dinge, aber damit hatte ich auch kein Problem.

„Ach jetzt bedankt euch doch nicht so oft! Ihr wisst doch, dass ich selbst gerne mal ein Spiel anschauen wollte und wenn ich schon an Karten komme, ist es doch selbstverständlich welche für euch mit zukaufen. Höchstens bei Jonas könntet ihr euch noch bedanken, falls ihr ihn mal kennenlernen solltet, ohne ihn wären wir nicht hier..."

Nach fast zwei Stunden, in denen sie mir den neusten Tratsch erzählten, den ich auf Grund der Entfernung nicht wirklich mitbekam, machten wir uns langsam auf den Weg zur Volkswagen Arena. Obwohl wir 90 Minuten vor Spielbeginn da waren, was natürlich mit Sitzplätzen viel zu früh war, war das Stadion doch schon ziemlich voll und die Anspannung konnte man bei manchen Fans schon erkennen. Neben mir hörte ich Melissa schon darüber meckern, dass manche Fans dieses Spiel viel zu ernst nahmen. Ich verdrehte nur grinsend die Augen, weil dass einfach typisch Melissa war, jedoch antwortete ich ihr nicht, da ich schon hörte, wie Richard ihr sagte, für Fußballer sei jedes Spiel wichtig, weil man sich immer beweisen müsse. Zwei Minuten später wurde mir bewusst, wie froh ich eigentlich sein konnte nicht die sture Seite meiner Mutter zu haben, denn Melissa hatte das umso mehr abbekommen. Schmunzelnd sah ich zu, wie Richard seiner Freundin beinahe genervt alles erklären wollte, jedoch war sie so sehr davon überzeugt, dass die Leute einfach übertrieben. Das ganze endete so, dass Richard, mit der Begründung Trinken zu holen flüchtete.

„Jetzt sei doch nicht so! Der Arme wollte es dir doch nur erklären. Sonst ist er irgendwann noch weg!" Neckisch sah ich sie an, weswegen sie nur seufzte.

„Ach, er weiß doch, dass ich es nicht extra mache... Außerdem würde ich es gar nicht dazu kommen lassen, dass er geht. Den behalte ich jetzt für immer!" Als sie das sagte war ich mehr als überrascht. Noch nie hatte ich sie so etwas sagen hören, schließlich war sie auch erst 19, und doch realisierte ich in dem Moment, wie schnell sie erwachsen geworden war. Ich freute mich, dass sie so schnell jemanden gefunden hatte, mit dem sie sich ihre Zukunft vorstellen konnte und hoffte, dass es nicht einfach ein hoffnungsloser Gedanke war.

„Guck mal, der dort ist doch was für dich, Laura. Der sieht ziemlich gut aus und einen Freund würdest du auch mal wieder vertragen! Vielleicht schreckst du die Männer alle ab, ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann du deinen letzten Freund hattest!" Empört sah ich meine Schwester an und schaute, auf wen sie zeigte. Jedoch lachte ich einige Sekunden später auf, als ich sah, dass sie Marcel Halstenberg meinte, der sich genau wie die anderen Spieler warm machte.

„Ach Schätzchen, was ist denn los mit dir? Kennst du den nicht? Der hat mal bei uns gespielt, Marcel Halstenberg. Papa hat uns doch so lange erzählt, dass er ihn nie gehen lassen hätte und so... ach ja, außerdem ist er verheiratet. Und ich schrecke die Männer nicht ab, damit das klar ist!" Sie sah mich nur schulterzuckend an, bevor sie sich zu Richard drehte, der gerade wiedergekommen war, und küsste ihn erstmal ausgiebig. Und wer war mal wieder das fünfte Rad am Wagen? Richtig, ich...

I love you ↬ Julian BrandtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt