Der eine Traum

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Bevor du dich in diese Geschicht stürzt, würde ich dich gerne dazu aufrufen, mal auf meinem Account vorbeizuschauen. "Believe" ist ein veraltetes, abgebrochenes Werk von mir und spiegelt meinen aktuellen Schreibstil nicht mehr wieder. Derzeit versuche ich meine neueren Geschichten mit Mühe zu bewerben. Auch würde ich mich zutiefst über einen Follow freuen. -CarinaBino

Aus dem Fernsehr dröhnte die Stimme: "Ein dreifacher Ritterberger gefolgt von einem vierfachen Salchow! Eine perfekte Landung! Somit ist Taro Yamamoto in den Junioren Finalen ganz weit vorne dran! Er könnte sogar gewinnen!". Viel Applaus und Gejubel folgte. Wie gefesselt saß sie vor dem Fernseher. In ihren blauen Augen reflektierten die Szenen vom Bildschirm. Eine Drehung nach dem anderen. So viel Koordination und Balance. Der Eiskunstläufer ging aus der Drehung direkt in die Endpose und bekam eine menge Applaus. Schwer atmend lief er langsam über die gesamte Bahn und winkte sich selbst bejubelnd seinen Fans zu. Sein Punktestand wurde ausgerechnet. Zusammen mit seinem Coach saßen sie sich auf die Bank und warteten gespannt auf das Ergebnis. Eine weibliche Stimme sprach: "Taro Yamamoto hatte im Kurzprogramm schon 119 Punkte erreicht. Im Freiprogramm sind es insgesamt 201. Somit ist Japan mit 320 Punkten zur Zeit auf dem ersten Platz. Übrig bleiben noch Russland und China".

Eine gelangweilte Frauenstimme ertönte: "Ayla? Schaust du immer noch diese dämlichen Eiskunstläufer?". "Sie sind alles andere als dämlich!", protestierte die kleine Zehnjährige, "Schau doch nur, wie sehr er sich freut... Im Gegensatz zu dir kann man auch ohne Zigaretten seine Freude finden!". Die Schwester zuckte gleichgültig mit den Schultern, während der Stängel aus ihrem Mund qualmte. Von deren Mutter wurden sie in einen Nebenraum gerufen. "Inna, du sollst Vater im Laden aushelfen und Ayla, wir beide gehen Schnee schippen. Die Einfahrt ist schon wieder zugeschneit!". Ein letztes Mal sah Ayla über ihre Schulter, wo im Wohnzimmer noch das Finale lief. "Sofort!", befahl die Mutter. Das hieß dann wohl, dass sie nicht erfahren durfte, wer gewann.

Mit einer Schneeschippe ackerte sich Ayla durch den Schnee, während ihre Mutter am Handy saß und sich kein Stück bewegte. Nach zwei Stunden sah sie erschöpft gen Himmel. Schon wieder fielen die ersten Schneeflocken vom Himmel. Irgendwo im Nirgendwo in der Mitte von Sibirien, da stand ein kleines Mädchen. Mit armer Familie und ohne Zusammenhalt. Nur wenige Freunde hatte sie. Darunter keine beste Freundschaft. Eigentlich war sie auf sich alleine gestellt. An sich hatte sie damit kein großes Problem, aber gerne hätte sie einen Begleiter an ihrer Seite gehabt. Wie die ganzen Eiskunstläufer mit ihren Trainern. Aber dafür fehlte ihr Geld und Unterstützung. "Eines Tages...", sagte sie sich selbst, "Eines Tages, da werde ich noch von meiner Familie beneidet werden... Weil ich auf dem Eis stehe und unglaublich viel Geld verdiene! Sie werden es noch bereuen, mich unterschätzt zu haben...".

4 Jahre später...

Sie hatte heimlich hart gearbeitet. Dafür hat sie zwar oft Ärger bekommen, weil sie oftmals ungefragt von zu Hause weg war. Aber endlich hatte sie genug Geld, um auf das Eis treten zu können. Dazu waren ihren Eltern mittlerweile egal, wenn sie nicht mehr zu Hause war. Also trat sie mit Hoffnung in die große Eishalle und sah schon die ganzen anderen Leute auf dem Eis. Von jung bis alt. Darunter stach ein Junge heraus. Er war schon ziemlich geübt und hielt richtige Choreographien. Sie war naiv genug, um die ganzen scheiternden Kinder zu beobachten. Ayla dachte, sie würde so gut sein wie dieser Junge. Immerhin sah sie sich so viele Videos über Eiskunstlauf an, alles war praktisch in ihrem Kopf gespeichert. Sofort lieh sie sich ein paar Skates aus und zog sie sich an. Von Anfang an merkte sie, wie schwer sie waren und wie anstrengend es war, auf ihnen zu gehen. Das lag wahrscheinlich nur am Teppichboden.

Also versuchte sie ihr Gleichgewicht zu halten und torkelte auf die Eisbahn zu. Dort setzte sie dann ihre Füße direkt auf und dachte nicht groß nach. Sie wollte versuchen, sofort los zu laufen, doch fiel sofort zu Boden. Das tat weh. Etwas beschämt rieb sich Ayla ihren Arm. "Das ist doch nicht so leicht...", dachte sie sich enttäuscht. Aber zum Glück lachte sie keiner aus, da viele hinfielen. Jetzt sah sie es auch ein. Ein etwas älterer Junge, ungefähr um die 18 rum, kam lachend auf sie zu und fragte auf Englisch: "Brauchst du mal eine Hand?". Sie nickte rot werdend. Er half ihr auf und versuchte sie erstmal zu stützen. Dann fragte er weiter: "Bist du zum ersten mal hier? Ich habe dich noch nicht gesehen". Weiterhin wortlos nickte Ayla. Er gab ihr ein paar Tipps und war dabei ziemlich freundlich. Ayla fragte dann: "Warum bist du so nett zu mir?". "Ich bin nett? Schätze, anderen aus zu helfen liegt in meiner Natur. Ich bin schon ziemlich trainiert im Eislaufen und mir tut es weh, andere so stolpern zu sehen. Vor allem, wenn sie eine so hohe Selbstsicherheit mit sich tragen", lachte er.

Eine dritte Person schlitterte hinzu. Ayla erkannte ihn wieder - er war der Junge, der so geübt über das Eis lief. Mit kaltem Blick und ohne Worte sah er Ayla kurz an. Dann sah er den hilfsbereiten Jungen an. Sie sahen sich ähnlich, das fiel auf. "Äh... Ich würde dir gerne noch weiter helfen. Aber ich bin hier, um meinen Bruder zu trainieren. Eines Tages möchte er in den Eisbahnen der Meisterschaften laufen", entschuldigte er sich nervös lächelnd. Ayla schoss Hoffnung in den Körper: "I- ich auch!". "Wirklich? Vielleicht steht dann dein zukünftiger Rivale neben dir", lächelte er ihr zu und reichte ihr die Hand, "Sawath, schön dich kennen zulernen. Vielleicht sehen wir uns in ein paar Jahren bei einem Wettkampf". Zusammen mit seinem stillen Bruder lief er auf das Eis. Der Jüngere hatte sich nicht mal vorgestellt. Ayla beobachtete die beiden genau. Sie versuchte wieder auf das Eis zu laufen.

Mehrere Male stolperte sie und fiel hin. Doch Aufgeben kam nicht in Frage. Nach etwas Zeit wurde die Halle immer leerer. Es wurde spät und Ayla tat jeder Körperteil weh, aber sie wollte einfach nicht aufhören. Am anderen Ende der Eisbahn sah sie Sawath immer noch mit seinem Bruder trainieren. Das waren auch noch so ziemlich die letzten Leute in dieser Halle. Gerade wollte Sawath seinen Bruder auf das Eis laufen lassen, da entdeckten beide Ayla. Lächelnd kam der Ältere auf sie zu und gab ihr einen netten Tipp: "Ich bewundere deinen Ehrgeiz und deine Ausdauer. Aber für das erste Mal solltest du dich jetzt viel Ausruhen. Nichts kann man in einem Tag erlernen. Außerdem wird das jetzt zu einem geschlossenen Training". Enttäuscht sah Ayla zu Boden: "Aber ich kann doch schon ein paar Runden laufen...". "Das ist auch ein sehr guter Fortschritt. Aber mein Bruder erlaubt keine Zuschauer bei einem geschlossenen Training. Vielleicht bekomme ich ihn überredet und du darfst mal zusehen", kam er ihr entgegen. Ayla erfreute der Satz und sie verließ die Bahn.

Schon alleine die Schuhe zu wechseln tat ihr weh. Für ihre Träume aber zog sie es durch. Den Weg nach Hause musste sie zu Fuß antreten. So kam sie erst sehr spät abends an. Das Essen war schon kalt und nur kaum etwas wurde ihr übrig gelassen. Wenigstens war es etwas. Müde fiel sie in ihr Bett und dachte nach. Bevor sie sich schlafen legte, sah sie sich Videos von ihrem Lieblingseiskunstläufer an. Bei ihm sah alles so reibungslos und perfekt aus. Seufzend murmelte sie für sich selbst: "Wenn er das kann, werde ich es doch wohl auch können...". Sie drehte sich zur Seite und starrte gegen ihre Wand voll mit Postern von ihm. Er war ein Kindheitsschwarm von ihr. Dann wand sie sich wieder an ihr Handy, welches ebenfalls voll mit Bildern von ihm war - Taro Yamamoto. Vier Goldmedaillen und zwei Silberne, darunter einen olympischen Rekord. Für Ayla war er eine große Inspiration. Sein Motto schrieb sie quer über ihre Zimmerwand: "Die Zukunft hängt von dem ab, was du heute tust".

In einem Interview meinte Taro mal: "Ich bin in einem abgelegen Dorf aufgewachsen. Unsere Familie war arm, aber wir kämpften uns durch. Jeden Tag wollte ich etwas tun, etwas ändern. Nebenher, wenn ich im Haushalt aushalf, tanzte ich dabei Ballet oder machte elegante Schrittfolgen. Es machte mir einfach Spaß und ließ die Arbeit weniger schwer wirken. Irgendwann bin ich dann wirklich auf das Eis gegangen und habe hart geübt. Heute stehe ich hier und weiß, dass ich etwas Richtiges getan habe, indem ich an einem Tag einfach etwas anders getan habe. Brecht die Regeln, wenn ihr danach besser werdet". Das war nach seinem ersten Wettbewerb in der Junioren Meisterschaft. Letztendlich brachte es Ayla dazu, Eiskunstlauf beherrschen zu wollen.

Daran dachte sie zurück, doch sie starrte unzufrieden gegen die Zimmerdecke. Ihr fehlte alles, was Taro hatte: Einen Hund, gutes Aussehen und Talent. Ihre Eltern verweigerten sich auf einen Köter aufzupassen und Ayla hatte von der Kindheit an eine Art Fehlbildung an ihren Zähnen. Genau bei den Schneidezähnen, sie stehen etwas auseinander. Sie fand es an sich selbst alles andere als schön und wollte nie breit grinsen oder beim Reden weit den Mund öffnen. Daher sprach sie immer eher leise, dabei war sie nicht schüchtern. Und das Talent hatte sie wohl einfach nicht. Sah man ja, dachte sie sich. 

Wegen ihrer Erschöpfung dauerte es nicht lange, da fielen ihre Augen zu.

Believe | *ABGEBROCHENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt