Ein Kampf um den höheren Rang

65 3 1
                                    

"Ich denke, es geht wieder... Sag bitte etwas", sprach Oliver vom Schreibtisch. Ayla saß verstört und eingekrümmt auf dem Bett und drehte ihm den Rücken zu. Lesja lag am Boden und hielt ihre Pfoten über ihre Ohren. "Wenn du nicht sprichst, dann werde ich mein Gehör anders testen...", murrte Oliver und griff nach seinem Handy, um Musik anzumachen. Es war überraschend zu hören, was da lief. Eine Mischung aus Gitarre und Techno. Das brachte Ayla wieder zurück und sie drehte sich verwundert um. "Wirst du jetzt wieder mit mir reden?", fragte Oliver sie ansehend. Ayla zuckte mit ihrem Kopf weg und befahl: "Zieh dir doch endlich mal ein Oberteil an!".

Oliver stöhnte genervt und ging mit seinen Sachen ins Badezimmer. Bevor er die Tür schloss, warf er ihr an den Kopf: "Du bist eine Drama-Queen!". Das ließ sie an ihr vorbei gehen. Sie wand sich mehr an die Musik von Oliver. Er machte das Lied nicht aus, als er ins Bad ging. Erst wippte Ayla nur mit dem Kopf mit. Aber mit jeder Sekunde mochte sie das Lied mehr und bewegte sich mehr. Für sie musste Tanzen nicht immer graziös auf dem Eis ablaufen. Im Gegenteil, als Abwechslung tanzte sie auch gerne mal auf Partylieder. Mit Olivers Handy in der Hand bewegte sie sich durch den gesamten Raum im Rhythmus. Auf einmal stieß sie gegen Oliver. Sie schluckte einmal und legte sein Handy vorsichtig auf den Schreibtisch zurück: "Hab nichts gemacht!". Er stand nur still da und starrte ihr in die Augen. Mit jeder Sekunde bekam sie mehr Angst.

Oliver beugte sich etwas vor und Ayla zog leicht zurück. Mit ruhiger Stimme sprach er: "Fass mein Handy einfach nicht an". Daraufhin ließ er Ayla so da stehen und griff sich sein Handy, um Kopfhörer anzustecken. Diese setzte er sich auf und legte sich breit auf das Bett. Schön mittig. Lesja sprang auf das Bett und kuschelte sich an Oliver ran. Nicht mal ihr Hund machte ihr Platz. Also saß sie sich auf den Schreibtisch und verschränkte ihre Arme. Es dauerte eine Weile, bis Oliver sie so bemerkte. Er steckte die Kopfhörer aus und teilte somit seine Musik wieder mit Ayla. Das Handy legte er auf das Bett, während er aufstand und sich einmal richtete. Oliver strahlte so eine Art Dominanz aus, als er auf sie zuging. Ayla verlor ihr Selbstbewusstsein etwas. Mit seinen Händen stützte Oliver sich an der Kante vom Schreibtisch, jeweils neben den Beinen von Ayla und er beugte sich weit nach vorne: "Bist du jetzt wieder bereit zu reden?". 

"Es ist etwas in deinen Augen was mir sagt, dass du nicht vorhast zu reden...", quietschte Ayla ängstlich. "Du hast gesagt, du hättest noch Fragen. Ich stehe zu meinem Wort, also frag", kam Oliver direkt zum Punkt. Ayla atmete tief durch: "Wie geht es dir?". "Ist das eine Spaßfrage?", fragte Oliver etwas gereizt. "Ich weiß, was ist. Also, ich weiß nicht, was du hast. Aber auch wegen deinen Ohren. Ich meine, ich würde gerne wissen, was du hast. Weil, aber. Deine Ohren", stotterte sie. "Du meinst wegen deinem Geschrei?", fragte er noch provokant, "Ich habe ein leichtes Piepsen im Gehör, aber es geht". "T- tut mir leid deswegen...", entschuldigte Ayla sich schüchtern. Olivers Aura war generell sehr einschüchternd. Ayla lief schon so oft ganz nah auf dem Eis bei ihm. Vielleicht war es einfach möglich, dass diese Kühle in der Eishalle alle Gerüche neutralisierte. Aber erst in dem Moment bemerkte sie, dass Oliver irgendeine Art von Parfum trug. Sie wurde deswegen leicht benommen.

Auf einmal entschuldigte Oliver sich: "Nein, mir tut es leid. Der Satz kam von mir und ich hätte wissen müssen, dass du zu süß und unschuldig für so etwas bist". Ayla riss wieder ihre Augen auf: "Du willst mir doch nicht ernsthaft sagen, dass du nicht unschuldig bist!". "Ich bin ein 15 jähriger Junge, welche Erwartungen hast du?", wurde seine Stimme tiefer. "Als jemand, der introvertiert ist würde ich eher denken, dass du dich nur auf dich selbst konzentrierst und so was gar nicht erst in deinen Sinn kommt", gab Ayla zu. Oliver zog Ayla vom Schreibtisch und drückte sie gegen die Wand: "Kannst du nicht einfach eine Entschuldigung annehmen, wenn ich dir schon eine mache?!". Als Antwort küsste Ayla ihn nur. Oliver ließ sich komplett darauf ein. Ayla gefiel es aber nicht, als die Süße und Unschuldige bezeichnet zu werden. Sie war von großem Selbstbewusstsein und Stärke. Um etwas Aufstand zu zeigen, stützte sie ihr Bein angewinkelt an der Wand ab.

Oliver griff das etwas falsch auf... Er packte nur Ayla fester, um daraus eine Art Wettkampf zu machen. Natürlich ließ Oliver sich nicht runterkriegen. Wäre ja sonst nicht Oliver. Es wurde ihr zu rational. Eigentlich sorgte sie sich um Oliver und er bog wieder in andere Richtungen. Außerdem hörte sie, wie Olivers Herzschlag höher ging und ihr war klar, dass er nichts haben durfte, was sein Stresslevel erhöht. War nur bei ihm schwer, da er sich immer gerne aufregte. Also ließ sie los und zog den Kopf zur Seite weg. Da war der erste Anhaltspunkt für Oliver sich aufzuregen, indem er seinen Kopf wieder zu Aylas Blick neigte: "Hey, ich hatte gerade Spaß". Ayla lief rot an: "Spaß kannst du auch auf dem Eis haben!". Schnell kroch sie unter seinem Arm hervor und entfernte sich ein paar Schritte. Oliver folgte und legte seine Hand auf ihre Schulter: "Hey!". Aus Reflex schlug Ayla seine Hand weg und ging noch einen Schritt vor. "Ich habe noch keine richtige Antwort auf mein Geständnis bekommen. Weiß nur, dass ich keinen Mitleid will. Solltest du zusagen dann nicht, weil ich mit meinem Leben an der Klippe stehe", brummte er hinter ihr.

Ayla nickte einfach nur einmal. Daraufhin schüttelte sie mit dem Kopf und nahm sich ihre Schlafsachen, um sich im Badezimmer umzuziehen. Sie band sich danach die Haare zusammen und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Wenn sie doch nur jemanden gehabt hätte, den sie nach Rat hätte fragen können. Ihre Eltern sagten Oliver ja schon von vorne rein zu, bevor es jemand wusste. Ob er da überhaupt schon etwas für Ayla hatte? Jedenfalls konnte sie ja nur schlecht ihren Hund fragen und Sawath... er wollte mehr Kontakte für Oliver und ihm waren Meisterschaften erstmal wichtiger. Also ließ er es so nebenbei vorbeiziehen, solange die Wettkämpfe liefen.

Sowieso hatte Ayla erstmal zu schlafen. Es war schon spät und den Wettkampf wollte sie unbedingt gewinnen. Auch wenn Oliver sich so anstellte, wie er war... Sie konnte das nur mit ihm schaffen. Als sie aus dem Bad kam, lag Oliver mit Kopfhörern im Bett und schien schon zu schlafen. Wunderbar, er blockierte das gesamte Bett. Und was dachte er sich dabei? Genervt stöhnte Ayla auf und ging auf ihn zu. Diesmal ließ sie ihn nicht liegen, bis er es raffte. Ihn zu wecken tat aber auch sicherlich seiner Gesundheit nicht gut. Wahrscheinlich brauchte er den Schlaf. Seufzend überlegte Ayla sich etwas. Vorsichtig versuchte sie sich unter seinen Arm zu engen. Das Nachtlicht machte sie aus und Stille blieb übrig. Auch Lesja schlief schon. Bei dieser Stille konnte Ayla hören, dass Oliver über seine Kopfhörer Musik laufen hatte. Wie konnte man mit Kopfhörern schlafen? Man brauchte doch Ruhe.

Es war nur verwunderlich, dass er russischen Hardbass hörte... Und dann noch was für Lieder...

Ayla glaubte immer mehr, dass Oliver die ein oder andere Sünde mit sich trug. Ein letztes Mal atmete sie tief ein und aus und schloss dann ihre Augen. Nach wenigen Sekunden ertönte auf einmal Oliver leise: "Falls es dich noch interessiert... Ich hatte einen Herzinfarkt...". Erschrocken riss Ayla ihre Augen auf. Hektisch drehte sie sich zu ihm. Sie sah in seine halb offenen Augen, welche leicht zu funkeln schienen obwohl seine Augenfarbe fast schwarz war.

Believe | *ABGEBROCHENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt