Langes Training

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Der Wecker klingelte, was Schule bedeutete. Nur sehr schwerfällig kam Ayla aus dem Bett. Jeder Muskel schmerzte und ihr gesamter Körper war träge. Aber was muss, das musste. Immer noch erschöpft schleppte Ayla ihren Körper durch das Haus und machte sich für die Schule fertig. Im Bus sah sie sich wie immer Choreographien über ihr Handy an. Wie gerne würde sie nach der neunten Klasse Eiskunstläuferin werden und keine weiterführende Schule begehen... Doch von dem Traum war sie weit entfernt, wenn sich ihr Körper weiterhin so verhielt. Das Jahr der Achten war schon fast rum. Der Bus fuhr an der Schule an und sie stieg mit nur vielen Schmerzen aus. Wie jeden anderen Tag auch, vollbrachte sie ihre Routine.

In der Pause saß sie sich dann zu ihren Freunden. Sergej fragte sie sofort: "Was ist mit dem trüben Ausdruck?". Ayla jammerte sofort: "Ich habe Muskelkater". Tatjana pikste ihr in den Bauch: "Wovon denn, Schweinchen?". "Ob du es glaubst oder nicht, ich habe einen Sport angefangen", gab sie stolz her. Sergej lachte: "Welcher Sport? Schnelles drücken auf Fernbedienungsknöpfe zählen nicht". "Ich habe euch doch schon mehrmals davon erzählt, dass ich Eiskunstläuferin werden will", meinte Ayla es ernst. Da lachten ihre Freunde. Tatjana wischte sich eine Träne weg: "Niedlich! Du würdest nicht mal zwei Sekunden auf einer Eisbahn aushalten". "Blöd für dich, ich habe Stunden ausgehalten und wollte immer noch nicht aufhören. Aber da war so ein Junge mit seinem Bruder, die wollten die Bahn für sich alleine haben", stützte Ayla sich mit ihrem Arm am Tisch ab. Ihr war diese Reaktion klar. Weiterhin machten sich ihre Freunde darüber lustig. Sie glaubten ihr nicht mal. Genervt stocherte Ayla in ihrem Essen rum, da sah sie ein bekanntes Gesicht.

Der talentierte Junge aus der Eisbahn, aber nur der Jüngere. Sergej drehte sich um und grinste: "Da hat jemand etwas interessantes gefunden. Komm Ayla, bewerte doch direkt sein Aussehen von eins bis zehn". "Das ist der Junge, der noch ganz spät trainiert hat", sprach sie aus und ließ ihren Blick nicht von ihm ab. Tatjana meinte gleichgültig: "Er sei wohl nicht lange hier. Spätestens bis zum Ende des Jahres. Ein Teilnehmer von irgendwelchen Wettbewerben". "Sag ich doch! Er nimmt im Eiskunstlauf teil!", wurde Ayla lauter. Sergej wurde hingegen ruhiger: "Das ist also wirklich dein Ernst...". "Hey, dann rede doch mit ihm. Bestimmt gibt er dir Hilfe, denn die wirst du brauchen", lachte Tatjana sie aus. Ayla lehnte es ab: "Er wollte schon gestern nicht mit mir reden". "Jungs sind halt nicht dein Spezialgebiet", schmunzelte Sergej leise. "Du hast auch noch nie ein Weib aufgerissen, Trottel!", fauchte Tatjana. Ayla dachte, dieser Junge hatte etwas gegen sie. Doch er lachte keinen an und sprach mit keinem. Da kam ihr die Frage in den Kopf, ob er überhaupt reden konnte. Vielleicht war er stumm? Dennoch sah er sie immer düster an, sobald sein Bruder freundlich zu ihr wurde. 

Der Schultag ging rum und Ayla traute sich nicht, den Jungen anzusprechen. Nach der Schule standen ihr viele Hausaufgaben im Weg. Sie stand schon kurz davor, diese einfach liegen zu lassen und sofort Eiskunstlauf zu üben. Wenn sie wirklich groß raus käme, dann bräuchte sie ihren Schulabschluss nicht mehr. Aber sie war noch pflichtbewusst genug, um sie doch fertigzustellen. Am Nachmittag beeilte sie sich dann, um schnellstmöglich trainieren zu können. Ihre Schmerzen schluckte sie runter. Sie fand heraus, was ihr Fehler war. Bevor sie sich so sehr anstrengte, musste sie Dehnungsübungen machen. Sie hatte das Glück, leicht untergewichtig und somit beweglicher zu sein. Diese Übungen waren ziemlich anspruchsvoll. Dann wechselte sie ihre Schuhe und ging wieder auf das Eis, diesmal mit Vorsicht. Ayla wusste, was sie erwartete. Am Anfang war es wieder schwer, das Gleichgewicht zu halten. Aber sie gewöhnte sich schnell daran und fand wieder Taktiken heraus, um ihr Gleichgewicht besser zu halten.

Eventuell konnte sie sogar schon anfangen, rückwärts zu laufen.

2 Monate später.

Ayla vergoss eine menge Schweiß und Tränen. Anstrengende und lange Trainingstage voll mit Schmerzen, die sie bis zu ihren Limits brachten. So hohe Limits, dass sie hin und wieder mal weinte. Aber wenn nur versteckt. An dem Tag war es anders... Wie jeden Tag sonst auch, waren wieder diese zwei ausländischen Brüder auf dem Eis und meisterten ihr Training. Der Jüngere der beiden hatte sich immer noch nicht vorgestellt, warf Ayla aber hin und wieder einen kalten Blick zu. Ayla konnte eigentlich kaum ihren Fuß bewegen vor Schmerzen. Am Vortag war sie bei einem Versuch einen zweifachen Axel auszuführen umgeknickt. Danach machte sie aber trotzdem weiter, sie war eine Kämpferin. Aber die Nebenwirkungen zeigten sich. Unter den Schuhe versteckte sich eine starke Schwellung, die ihr höllische Schmerzen bereitete. Sie wollte es einfach nicht einsehen.

Noch schlimmer: Sie überanstrengte sich selbst. Gerade wollte sie wieder den zweifachen Axel üben, da zog es ihr beim Sprung um Fuß und sie zuckte zusammen. Dabei rutschte die scharfe Kufe über ihre Wade und schnitt ihr ins Bein. Ayla fiel auf das harte Eis und konnte nicht hoch. Nun tat ihr nicht nur der Fuß weh, sondern auch die Wade. Man hörte, wie viele aufschreckten. Sawath kam sofort zur Hilfe angelaufen. Er stützte Ayla und zog sie vom Eis. Sein Bruder kam ihm wortlos nach. Auf einer anderen Sprache sagte Sawath irgendwas zu seinem Bruder. Daraufhin sorgte der Bruder dafür, dass Aylas Wunde aufhörte zu bluten. In der Zeit rief Sawath einen Krankenwagen. Ganz vorsichtig ging der Jüngere mit Ayla um. Entweder wollte er ihr nicht noch mehr weh tun oder er interessierte sich nicht wirklich dafür und war mit den Gedanken woanders. Nach kurzer Zeit kamen auch Rettungskräfte und fragten Ayla nach ihren Eltern. Still sah sie zur Seite weg, da murrte sie: "Die juckt das doch nicht...". Der Jüngere und Sawath machten große Augen. Sawath kam sorgsam auf Ayla zu: "Mein Russisch ist nicht das Beste, aber...".

"So sind halt meine Eltern... Oder meine Familie generell...", zuckte Ayla mit den Schultern. Sawath sah seinen Bruder an: "Oliver, hol ihr bitte etwas zu trinken. Sie hat zu viel Blut verloren". "Oliver also...", dachte Ayla nach. Der Junge zeigte wieder keine Emotion sondern erfüllte einfach seine Aufgabe. Ayla musste im Nachhinein trotzdem mit der Sprache raus rücken. Aber wie sie es schon erwartet hatte, schimpfte ihr Vater am Telefon, dass es ihm egal sei. Die Ärzte konnten nicht mal sagen, wo sie sich befanden. Angeblich Oliver kam zurück mit etwas Wasser und reichte es Ayla. Sie nahm es an sich und sah rot werdend weg. Solche Nettigkeiten war sie nicht mal von ihren Freunden gewohnt. Sawath beugte sich etwas zu ihr runter und bot ihr an: "Wenn es dir besser geht, dann melde dich mal bei mir. Ich finde, du hast das Know How um mehr zu schaffen". Oliver zischte und ging davon, um wieder auf das Eis zu laufen. Besorgt sah ich ihm nach. "O- oh, ignoriere ihn. Er ist ein Einzelgänger und mag es nicht, wenn andere den selben Trainer teilen", stotterte Sawath verlegen.

Unsicher war Ayla sich dabei ja schon, aber sie konnte ihren Traum nicht abschlagen. 


Believe | *ABGEBROCHENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt