Neue Begleiter

134 4 0
                                    

Ihrem Fuß ging es schon wieder besser. Die Wunden waren soweit verheilt und sie konnte wieder auf der Eisbahn stehen. Direkt neben dem stillen Oliver, welcher alles andere als glücklich aussah. Sawath stand vor den beiden und klatschte lächelnd in seine Hände: "Ayla, von heute an wird Oliver dein Coach sein". Beide schreckten auf, wobei Oliver nur wütend starrte. "Gib mir nicht diesen Blick, Oliver. Du selbst meintest, du würdest eines Tages gerne mal Trainer sein. Selbst wenn es vor deiner Karriere ist", sprach er freundlich. Ayla war überfordert: "I- ich... Wirklich...? Ich bin es nicht gewohnt, etwas mit neuen Menschen zu machen... Auch hatte ich noch nie einen Trainer...". "Da seid ihr ja schon zwei", lächelte Sawath freundlich. "Nein!", kam es plötzlich aus Oliver. Ayla schreckte etwas auf. Sie war schon fester Meinung, dass Oliver stumm wäre.

"Ich bin nach Russland gekommen, um ein effektives Training zu absolvieren! Nicht, um eine kleine verzogene Göre selbst zu trainieren!", protestierte er. Ayla sah ihn geschockt an. So auch Sawath: "Oliver, wir sagen so etwas nicht über nette Mädchen! Wo sind deine Manieren?". "Da, wo du meine Freiheit und meinen eigenen Willen hingesteckt hast!", sprach er provokant. Ayla stotterte: "I- ist schon gut... Ich brauche das auch nicht. Danke für das Angebot, aber ich habe auch guten Fortschritt alleine gemacht...". Sawath schien wirklich zu wollen: "Nein, nein! Sicherlich würdest du es auch alleine schaffen, aber ich würde gerne... Du solltest nicht immer auf dich alleine gestellt sein...". "Dann geb ihr einen Hund!", zischte Oliver, während er mit verschränkten Armen zur Seite weg sah. "Das ist ein guter Vorschlag für einen Anfang!", wendete Sawath die Aussage ins Gute. "Meine Eltern wollen keine Haustiere...", flüsterte Ayla eingeschüchtert. Oliver sprach gleichgültig: "Hierfür hast du doch auch nicht gefragt, oder?". Ayla leuchtete eine Lampe über dem Kopf auf: "Du hast Recht...".

Sawath fand immer wieder einen Weg, seinen Bruder zu involvieren: "Und als Trainer kümmert man sich nicht nur um die Choreographien, sondern auch um dessen Schützling. Man sollte immer darauf aufpassen, dass es dem Schützling gut geht, um beim Training alles geben zu können. Heißt: Oliver, du gehst mit ihr einen Hund besorgen". Oliver knurrte still mit verschränkten Armen. Als er fertig war, verließ er das Eis um seine Schuhe zu wechseln. Sawath legte seine Hand auf Aylas Schulter: "Tut mir leid, dass er so zu dir ist. Er spricht nie mit Leuten in seinem Alter und will alleine trainieren. Oliver denkt, er würde nur heute seine Chance ergreifen können. Dabei ist er erst vor kurzem fünfzehn geworden und hat noch so viele Wettkämpfe vor sich. Dich ein paar Monate zu trainieren sollte kein Problem sein...". Unsicher sah Ayla Oliver hinterher. Er sah nicht so aus, als sei es kein Problem.

~~~

Sawath hatte sie alleine gelassen. Er wollte seinem Bruder auf die Sprünge helfen und ihn auf das wahre Eis schmeißen, sich selbst in der sozialen Welt zurecht zu finden. Zusammen betraten sie das Hundeheim mit ganz vielen niedlichen Vierbeinern. Oliver sagte nicht viel, sah Ayla nur kalt an. Derweil fragte Ayla sich, wie Oliver vernünftig sehen konnte. Sämtliche Strähnen hingen ihm kreuz und quer im Gesicht. Ayla zögerte nicht, von ihm schnell wegzukommen und nach einem süßen Hund zu suchen. Doch alle Hunde griffen sie entweder an oder liefen die ganze Zeit vor ihr weg. Aber sie brauchte jemanden, der ihr nahe stehen würde. Nachdem sie wirklich jeden Hund abgegangen sind, zerrte Oliver sie nach draußen. Geduld hatte er wohl nicht. Außerhalb jammerte Ayla: "Einfach nichts mag mich...". Olivers Griff lockerte sich und er schielte über seine Schulter, während er stehen blieb. 

"Meine Familie hat sich noch nie um mich gekümmert... Meine Freunde machen sich ständig über mich lustig... Obwohl ich nichts getan habe, verweigerst du dich mein Trainer zu sein... Selbst Hunde wollen nicht in meiner Nähe sein...", ergänzte sie mit düsterer Stimme. Oliver ließ ihr Handgelenk los und drehte sich um. Mit seiner Hand schlug er auf die Wand neben Aylas Kopf und murrte leise: "Hör auf zu weinen...! Wenn du die Klappe hältst, dann werde ich dein Trainer sein. Aber ich will nicht so viel Geheule von dir hören". Ein Winseln sorgte dafür, dass Ayla nicht sprechen durfte. Beide sahen nach unten. Ein schwacher, weißer Welpe kam angekrochen. Sorgend kniete Ayla zum Welpen runter: "Es sieht ausgehungert und dreckig aus...". "Kein Wunder, dass Tiere dich nicht mögen, wenn du sie mit es bezeichnet", murmelte Oliver, während er ebenfalls runter kniete. Der Welpe ging vorsichtig auf Ayla zu. Langsam nahm sie aus ihrem Rucksack ein Stück Brot und hielt es dem Welpen hin. 

Nachdem der Welpe vorsichtig das Essen ins Maul nahm, lief der Welpe davon. Oliver lief dem Hund hinterher: "Bleib stehen! Das Gör braucht dich!". Er verfolgte den Hund bis in die engste Gasse und schmiss sich dann mit dem Hund in eine große Pfütze. So konnte er den Hund wenigstens fangen. Klitschnass hielt er den Hund in seinen Armen und kam damit zu Ayla zurück. Der Hund war ebenfalls nass. Mit bösem Blick hielt Oliver Ayla den Hund hin: "Da, das kannst du haben". "Wie können wir uns sicher sein, dass er oder sie nicht schon einen Besitzer hat?", fragte Ayla unsicher. "Sieht sie so aus?", stellte Oliver die Gegenfrage. Sacht nahm Ayla den Hund in ihre Arme: "Wir müssen sie irgendwo sicher unterbringen. Meine Familie würde sie sofort wieder raus schmeißen...". "Davon lasse ich mich erst überzeugen, wenn ich es sehe. Ich werde sie nicht aufnehmen", sprach er kalt und ging vor, "Wo wohnst du?". Ayla lief an seiner Seite mit dem Welpen in ihren Armen.

Nach mehreren Minuten in denen sie still gingen, meinte Oliver knapp: "Lesja". "Gesundheit?", sah Ayla ihn verwirrt an. "Du solltest den Hund Lesja nennen", erweiterte er seine Aussage. Ayla fiel kein besserer Name ein, da lächelte sie schwach: "Ja, das sollte ich". Sie kamen an ihrem Haus an. Oliver sah sich misstrauisch um. "Ich weiß, es ist nicht schön hier... Aber man kann überleben", sagte Ayla etwas beschämt. Ohne Worte ging er vor, dabei tropften seine Haare noch etwas. Ayla traute sich nicht, ihm etwas vorzuschreiben, daher warnte sie ihn nicht. Still ging sie mit dem Welpen vor und machte etwas ängstlich die Tür auf. Im Wohnzimmer saß ihr Vater auf dem Sofa und schaute Fernsehen. Die Mutter musste mit der Schwester arbeiten. Ayla wollte nicht weiter rein treten, da schubste Oliver sie leicht. Man hörte ihre Schritte und der Vater wurde aufmerksam: "Wer ist da?". Leise stotterte sie: "A- Ayla...". Der noch eben schlafende Hund wurde wach und jaulte kurz auf. Ayla zuckte zusammen, als der Vater sich mit großen Augen umdrehte.

"Was zum-?!", regte er sich schon auf und kam sofort auf seine Tochter zu, "Was fällt dir ein, einen Töle anzuschleppen?! Dazu noch einen Hund!". "Papa! Keiner von den beiden ist eine Töle! Er hier ist ein Freund von mir und den Hund haben wir gefunden. Ihr geht es nicht gut und sie braucht ein zu Hause", wurde sie mit jedem Satz leiser. "Mir ist es egal, was du tust! Aber sollte dieser Köter hier rum rennen, Sachen zerstören und unser Essen fressen, wird es riesen Probleme geben! Du kümmerst dich um das Vieh und trägst die Verantwortung, verstanden?!", schrie er sie an. Ayla nickte eingeschüchtert. Schnaufend sah er Oliver an: "Du... Ich habe dich schon irgendwo gesehen...". "Er kann kein Russisch...", wies Ayla ihn leise hin. Es sorgte für Probleme - Oliver konnte kein Russisch und der Vater kein Englisch. Zusätzlich fühlte Ayla sich zu unwohl, um den Dolmetscher zu spielen. Oliver und der Vater starrten sich gegenseitig ohne Gande in die Augen. Dann reichte der Vater Oliver seine Hand. Mit nur skeptischen Blicken schüttelte Oliver diese. Beiden befiel der Vater: "Geht".

Auf Kommando ging sie los und Oliver folgte still. In ihrem Zimmer setzte sie den Hund ab und sich selbst auf das Bett. Keiner ihrer Freunde war jemals zu Besuch, das war neu für sie. Sofort blieb Olivers Blick auf der Posterwand stehen. Leise murmelte er: "Taro Yamamoto...". "Du kennst ihn, oder? Er ist mittlerweile eine Legende...", versuchte Ayla schüchtern ein Gesprächsthema zu finden. Oliver schielte kalt über seine Schulter. Daraufhin zog er sein T-Shirt etwas zur Seite, sodass man seine linke Schulter sah. Ayla machte große Augen, Oliver hatte Taros Motto tätowiert. Doch er hakte da nicht lange drauf rum: "Wir sollten uns um Lesja kümmern". Ayla nickte schmunzelnd.

Believe | *ABGEBROCHENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt