Der Morgen vor dem Finale

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"Was...?", kam es fast ohne Atem aus Ayla raus, "Wieso...?". Oliver verstand sie gerade so, da er nur einen Kopfhörer drin hatte. Den anderen steckte er Ayla ins Ohr und küsste sie dabei direkt kurz. Danach erklärte er mit rauer Stimme: "Ich war mal erkältet und habe mich überanstrengt. Der harmlose Husten ging als Lungenentzündung weiter. Diese Entzündung ging dann über auf mein Herz und... Es ist passiert...". Leicht schlug Ayla ihn einmal: "Du bist doch verrückt geworden! Nur weil du zu arrogant bist, musst du deinen Ehrgeiz an die Spitze treiben und dich selbst in Lebensgefahr bringen! Und ich dachte schon bei der Aktion, als du von der Brücke gesprungen bist, seist du lebensmüde!". "Ich hab los gelassen, weil ich dich nicht in die Gefahr bringen wollte, dass du hättest mit runter fallen können... Hätte ich nur gewusst, dass du selbstständig springen würdest...", erzählte er seine Augen schließend.

Er vermied mit Absicht, Ayla anzusehen. Aber er fing an mit einer Strähne von Aylas Haaren zu spielen. Ayla selbst war total in Schock. Da sie nicht antwortete und total eingeschüchtert da lag, fuhr Oliver mit seiner Hand über ihren Hinterkopf und zog sie etwas näher an sich heran. "Gute Nacht", waren seine letzten Worte. Wie gerne hätte Ayla geschlafen, aber sie konnte es nur schwerfällig. Sie wusste nicht, ob sie nun darüber beruhigt sein sollte, dass Olivers Herz so ruhig schlug. Sicherlich war es so gesünder, aber wenn es schneller schlug, dann war es ein deutliches Zeichen dafür, dass er lebte. 

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Erst nach mehreren Stunden bekam Ayla etwas Schlaf. Sie war so weg, dass sie nichts mehr mitbekam. Irgendwann fiel ihr im Traum wieder ein, dass die Meisterschaft noch anstand. Mit einem Schrecken zog sie hoch und sah, dass Oliver schon nicht mehr im Bett lag. Seine Schlafsachen hingen auch schon gefaltet im Koffer. Na wenigstens überließ er ihr beide Kopfhörer, sodass sie nichts mehr hörte. Die Musik riss sie mit, als sie ins Bad rennen wollte, um sich schnell fertig zu machen. In der Hektik kam sie nicht auf die Idee, nach der Uhrzeit zu schauen. Sie fühlte sich so, als sei es schon total spät gewesen.

Die Tür zum Bad riss sie auf und schreckte sofort wieder zusammen, als sie Oliver in der Dusche sah. Auch er erschreckte sich und Ayla riss die Tür wieder ganz schnell zu. Dabei verfingen sich die Kopfhörer an der Türklinke und sie wurden raus gezogen. Jetzt hörte sie auch, dass das Wasser lief. Oliver regte sich drinnen auf Thailändisch auf. War vielleicht auch besser, wenn sie nichts verstand. Es war einfach nur Glück, dass ein Handtuch über der Halterung hing und das Größte abgedeckt war. Trotzdem war das seltsam.

Erst dann sah Ayla auf die Uhrzeit, sie hätte noch locker zwei Stunden schlafen können. Nach der Aktion konnte sie aber ganz sicher nicht mehr einschlafen. Lesja hechelte lächelnd vom Boden, als amüsierte sie das. Weiterhin rief Oliver irgendwas auf Thailändisch. Als er fertig war, hörte man aus dem Nachbarzimmer auf Englisch: "Schäme dich!". Nun fühlte Ayla sich angegriffen. Was warf er ihr an den Kopf, sodass man ihn für seine Wortwahl ausschimpfte?

Seufzend saß Ayla sich auf das Bett und beruhigte sich erstmal. Nach ein paar Minuten öffnete sich die Tür vom Bad und Oliver trat aus. Er sah etwas eingeschüchtert und errötet aus. Sofort entschuldigte Ayla sich mehrmals für ihr plötzliches Reinkommen. Danach räusperte Oliver sich und sah zur Seite weg: "Du hast es zwar wahrscheinlich nicht verstanden, aber mir tut es leid...". "Was hast du denn gesagt?", fragte Ayla leise. Oliver sagte nichts und machte einfach mit seiner Routine weiter. Was sollte das jetzt heißen? Schämte er sich wirklich? Ayla wollte wegen der Situation nicht lachen, also blockte sie sich schnell das Bad. Auch wenn sie darin etwas paranoid wurde. Zwar hatte sie kein Problem mit engen Räumen, aber sie fühlte sich unwohl. Es war der Gedanke, dass Oliver zuvor in dem Raum war. Nach der Meisterschaft brauchte sie erstmal ganz dringend Abstand von ihm.

Ihre Haare trockneten mal schnell und sie zog sich sportliche Kleidung an, um besser Dehnungsübungen zu vollziehen und Ansätze der Sprünge zu üben. Oliver meditierte. Konnte er nicht langsam mal zurück zu Sawath gehen? Ayla konnte sich kaum konzentrieren. Zu ihrem Glück klopfte es an der Tür. Wegen seiner Musik hörte Oliver das gar nicht. Ayla machte die Tür auf und passend dazu war es Sawath. Doch er zog ihr direkt am Ohr: "Was fällt euch ein, nicht beim Frühstück aufzukreuzen?! Ihr braucht diese Energie, wenn ihr das heute wirklich durchzieht! Oliver!". Er zuckte leicht und zog sich die Kopfhörer raus. Sawath befahl: "Frühstück, jetzt!". Oliver folgte ohne eine große Reaktion zu zeigen. Auch Lesja kam hinterher getapst. Ayla seufzte. Irgendwas in ihr ließ sie nicht richtig fühlen.

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Sie saßen in einem Extra-Bereich für alle Teilnehmer der Meisterschaft. Ein paar waren niedergeschlagen, da sie keine hohe Punktzahl erreichten. Die Hoffnung hatten sie verloren. Oliver hatte seine Hände still in den Hosentaschen und sagte kein Wort. Auch Ayla wollte es nicht versuchen mit ihm zu sprechen. Sawath sprach die ganze Zeit von seinen Hoffnungen und Erwartungen. Den Sieg war er sich ziemlich sicher. Dann irgendwann verdutzte sein Blick: "Was ist passiert?". "Er verweigert sich wieder mit mir zu reden", murrte Ayla. "Ich will doch nur nicht sagen, was ich vorhin gesagt habe. Ist das ein so großes Problem?", war Oliver genervt. Sawath ging sofort dazwischen: "Stopp mal! Oliver, was hast du gesagt?".

Oliver nahm seinen Blick ganz weit von Sawath, um ihm ja in die Augen zu sehen. Ayla stöhnte genervt und sank im Stuhl ein. Dabei legte sich ihr Kopf in den Nacken. Auf einmal tauchte über ihr Pierre auf: "Verliert da wer den Mut und die Hoffnungen?". Nur leicht schreckte sie zusammen. Stur zischte sie: "Pft, nein!". Und sie wand sich wieder ehrgeizig ihrem Frühstück zu. Oliver warf sie einen Blick zu um zu befehlen, mitzumachen. Tatsächlich hörte er auf sie. Sawath beobachtete still. Pierre lachte offen: "Aber natürlich nicht. So ehrgeizig wie ihr seid, würdet ihr niemals den Glauben an euch selbst verlieren. Das ist gut so. Ich mag deine sture Art". Er sprach nur mit Ayla und zwinkerte bei seinem Abgang ihr einmal zu. Oliver starrte ihm mit einem ganz gefährlichen Blick nach. 

Gerade zuckte Oliver nach oben, um Pierre aber ganz schnell nachzulaufen, da packte Sawath ihn und drückte ihn runter: "Setzen!". Es dauerte wenige Sekunden, aber er saß sich doch noch. Weiterhin starrte Oliver über seine Schulter hinweg Pierre an, welcher mit seiner Schwester sich herzlichst unterhielt. "Er tut nichts", murmelte Sawath. Oliver zog seinen Blick zu seinem Bruder rüber und wechselte zu Thailändisch über. Wieder fühlte Ayla sich ausgeschlossen. Wurde das ihm nicht bewusst oder was versuchte Oliver damit? Sawath riss fast schon empört seine Augen auf: "Oliver!". "Lässt du mich jetzt zu ihm gehen?", fragte er mit knurrendem Unterton. "Nein!", wurde Sawath lauter. Ayla jammerte rum: "Was darf ich jetzt schon wieder nicht wissen?". Im Chor wiesen die Brüder sie zurecht: "Sei ruhig!".

Aylas Blick verschärfte sich, während sie weiter diskutierten. Sie stand knurrend auf und ging mit Lesja zu Pierre rüber. Dieser und Sophie lächelten sie freundlich an. Sophie lachte etwas: "Ein kleines Geplauder mit dem Konkurrenten vor dem großen Showdown?". "Gerne", nahm Ayla entgegen und saß sich hin. "Oh, schlechte Energie", merkte Pierre an, als er an seiner Teetasse nippte. "Ich muss nicht erklären wieso. Und ich werde nicht hinter mich sehen", streikte Ayla, "Er soll raffen, dass er mich nicht so behandeln kann. Denn so ticke ich nicht". "Wirklich zu schade, dass du jemanden wie Oliver abbekommen hast. Ich respektiere deine Art nämlich sehr und weiß sie zu schätzen", tagträumte er. "Weißt du was? Sag ruhig, was du sagen willst. Ich höre dir zu", war Ayla offen. "Ach, als hätte ich Chancen. Ich spreche nur meine Gedanken aus. Süß, dass der Thailänder mich als Konkurrent ansieht. Also... außerhalb des Eises versteht sich", winkte Pierre ab.

"Nein, sag ruhig. Nichts steht bis jetzt fest. Und wenn er mir nicht gut tut, dann kann mir diese Meisterschaft mit ihm reichen!", wurde Ayla zickig. Plötzlich wurde sie hochgehoben und Oliver knurrte: "Er wird kein weiteres Wort sagen!". "Lass mich runter!", befahl Ayla. Doch Oliver ließ sie nicht runter. Dennoch gab er mit seiner Stimme etwas nach: "Wenn du mich nach den Meisterschaften wirklich loswerden willst, dann halte es wenigstens heute noch aus...". Ayla hörte auf zu zappeln und war verwundert. Diese Enttäuschung und Bitterkeit in seiner Stimme...


Believe | *ABGEBROCHENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt