Das Hotelzimmer

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Ayla war für diese Nacht alleine in einem Hotelzimmer. Wären die Praves nicht so verschwiegen, dann hätte Ayla wahrscheinlich genießen können, im Kurzprogramm Führende zu sein und sich danach in einem 4 Sterne Hotel zu erholen. Aber nichts war ok. Sie fühlte sich einsam und war beängstigt. Etwas verloren spazierte sie durch die Hallen des Hotels. Was sie dort zu suchen hatte, wusste sie selbst nicht wirklich. Vielleicht war sie einfach auf der Suche nach Zuspruch. Den bekam sie mehr oder weniger auch.

Sie lief Pierre direkt in die Arme. Erst schreckten beide leicht auf, doch dann lächelte er charmant: "Tut mir leid, ich habe dich gar nicht gesehen. Nach dem Unfall von Oliver konnte ich dich nicht mehr auffinden. Ich wollte euch gratulieren, aber morgen werdet ihr sicherlich nicht gegen uns ankommen! Wir haben einen Ass im Ärmel". "Oliver und ich haben sowieso schon verloren...", sprach sie ziemlich niedergeschlagen. Stutzig schauend saß Pierre sich auf eine Bank: "Wieso denn das?". "Du hast doch gesehen, was passiert ist! Wahrscheinlich liegt er gerade im Krankenhaus...", seufzte sie aufgelöst. Nachdenklich kratzte Pierre sich am Kinn: "Das ist natürlich unschön...". Dann zuckten seine Mundwinkel nach oben: "Denn ich habe ihn vor 15 Minuten hier einchecken gesehen". 

Sofort machte Ayla große Augen und sprang auf: "Wirklich?!". Er nickte einmal, danach zwinkerte er: "Zimmer 112". "Danke dir!", brach Ayla aus und lief los. Sie saßen sogar noch in der Empfangshalle. Sawath beobachtete die gesamte Zeit seinen Bruder, während dieser ruhig und mit geschlossenen Augen ihm gegenüber saß. Ob sie eine mögliche Ruhe störte, interessierte sie nicht. Sie rannte auf die beiden zu und rief schon Olivers Namen. Beide richteten ihre Blicke auf sie. Statt ihn vielleicht zu umarmen, anzulächeln oder gar zu küssen, schlug Ayla Oliver mit Anlauf ins Gesicht. Die Brüder sahen erschrocken aus. Aufgebracht fragte Ayla: "Was machst du hier?! Was auch immer du hast, du solltest dich ausruhen! Du planst doch nicht ernsthaft, mit mir morgen das Freiprogramm zu durchlaufen!".

Oliver rieb sich leicht seine Wange und murrte: "Ich kann dich nicht im Stich lassen...". Sawath fügte hinzu: "Ich habe auch schon versucht ihm zu sagen, dass er das lieber nicht tun sollte. Aber er will unbedingt morgen durchziehen...". "Es bringt doch sowieso nichts! Wir alle hätten mehr davon, wenn du uns morgen in der Choreo nicht wegkippst! Was bringt es denn, wenn du mit läufst und trotzdem ausscheidest?! Dann hat das weder dir, noch mir etwas gebracht!", regte sie sich weiter auf. "Dann wäre das heute auch für nichts gewesen...", knurrte er sauer. Sawath griff sofort ein: "Wenn du morgen schon mitmachst, dann ruh dich bitte jetzt möglichst aus! Ich will nicht, dass etwas noch Schlimmeres passiert...". "Ich werde schon nicht sterben...", nuschelte Oliver und sah zur Seite weg. "Doch! Du könntest! Und das nicht mal schwer!", wies Sawath ihn zurecht.

Ayla fuhr etwas in sich zusammen: "S- sterben...?". Oliver zischte und nahm Ayla bei der Schulter. Zusammen mit ihr haute er ab. Sawath sagte ihm wohl zu viel. Sie wurde von ihm in ihr eigenes Zimmer verschleppt. Er schloss ab und atmete tief durch. Seufzend setzte er sich auf das Bett. Er lud sich selbst ein. Aber Ayla hätte sowieso mit ihm reden wollen. Sie wusste, hätte sie versucht, auf seine Gesundheit anzusprechen, dann hätte es zu nichts geführt. Also hockte sie sich vor ihm vor das Bett und sprach es schüchtern an: "Du hast heute bei der Performance viel gelächelt...". "Du auch", verteidigte er sich. "Es war einfach ein starker Moment... Die Choreo lief einwandfrei, alle sahen uns begeistert zu und du hast gelächelt... Es war einfach ein Erfolgsmoment für mich...", wurde sie weich. Somit machte sie auch ihn weich: "Naja... Es war einfach ein Reflex... Mir fiel es erst gar nicht auf...".

Zögerlich setzte Ayla sich zu ihm auf das Bett und fragte: "Wer bist du eigentlich...?". Oliver sah sie fragend an. "Du bist ein großes Mysterium... Du erzählst nie etwas über dich, bist generell verschwiegen, willst keine Schwäche zeigen und lehnst Gefühle ab... Warum...?", führte sie ihre Frage weiter aus. Dann sah Oliver weg und - wie Ayla es sagte - verschwieg er alles. Ayla rutschte ein Stück näher: "Du hast doch keine schlimme Vergangenheit, oder...? Schließlich wirkt Sawath sehr positiv und es würde sich ja normalerweise auf die gesamte Familie ausüben...". "Warum sollte ich dir irgendwas erzählen? Können wir nicht versuchen, in die Zukunft zu sehen?", zuckte er mit den Schultern. "Oliver, Sawath hat gesagt, du könntest sterben. Wie viel Zukunft gibt es denn da? Außerdem würde ich dich wirklich gerne kennen lernen...", wurde sie direkter. "Ich werde nicht-", knurrte er doch gab dann auf, "Ich hasse es, dir das Recht zu geben...". "Also wirst du auf meine Fragen antworten?", fragte Ayla aufgeregt. Oliver schielte sie an: "Ich will etwas im Gegenzug".

Innerlich wollte Ayla Oliver umbringen. Doch sie wusste, sie hatte Kompromisse einzugehen. Anders ging es rein gar nicht. Oliver stellte seine Forderung: "Ich werde morgen durchziehen und keiner widerspricht mir. Ich möchte einmal gewinnen und Gold in der Hand halten, selbst wenn es das letzte Mal ist! Versprich mir, dass du das morgen mit mir durchstehst und wir gemeinsam gewinnen!". Ayla nickte denkend, das war es schon. "Außerdem...", fügte er hinzu, "Sawath hat sicherlich vor, mich zu löchern. Ich würde gerne heute Nacht bei dir schlafen". "O- ok...", zuckte Ayla rot werdend mit den Schultern. Oliver stand auf, verbeugte sich bedankend und stellte sich dann mit Blick gegen die Wand: "Was willst du hören?". Gerade setzte Ayla zum Sprechen an, da fing Oliver an, sich seine Klamotten auszuziehen. Nach seinem Shirt drehte er sich um: "Noch da?". Ayla schüttelte schnell mit dem Kopf und räusperte sich: "J- ja! Klar! Ich musste gerade nur überlegen...".

Sie versuchte den Blick wenn dann auf sein Tattoo auf der Schulter zu legen und dort zu behalten. Ayla wurde sehr warm, da sie nervös wurde. "Der kann sich doch nicht einfach so hier ausziehen!", schrie sie in ihren Gedanken. Zusammenreißend fragte sie als erstes: "Wie ist eigentlich das Verhältnis zu dir und Sawath?". Schon seufzte Oliver: "Er ist mein Bruder, was kann ich da zu sagen?". "Meine Schwester kümmert sich eigentlich gar nicht um mich. Aber Sawath scheint dich um jeden Preis zu schützen. Unterschiede gibt es, du kennst sie nur nicht. Ist es normal für dich, dass Sawath sich so verhält?", erklärte sie. -"Von Geburt an, er beschützt mich fast schon so, als sei ich sein Sohn. Mir wurde erzählt, dass er sich unbedingt ein Geschwisterkind gewünscht hatte. Hätte er den Wunsch nicht geäußert, hätten unsere Eltern kein zweites Kind gewollt. Trotzdem kümmern sie sich um mich und unterstützen sowohl Sawath als auch mich im Eislaufen. Deswegen war ich ehrlich gesagt auch etwas überrascht darüber, als ich deine Familie gesehen habe...". -"Meine Familie ist ein reinstes Chaos...". -"Wenigstens hast du jetzt Lesja".

Lesja lag auf einem Kissen neben dem Bett und wedelte im Halbschlaf mit ihrem Schwanz. "Und dich", lächelte Ayla. Mit zurückgeworfenem Blick sah Oliver sie schweigend an. Ayla räusperte sich nochmal und sah weg. Oliver ließ sein eben aus dem Koffer gekramtes Schlafshirt fallen und ging auf Ayla zu. Da sie ihn nicht freiwillig ansah, griff er ihr Kinn: "Könntest du das wiederholen?". Ayla sah ihn mit großen, erschrockenen Augen an und schüttelte heftig mit dem Kopf. Olivers Blick war eine Mischung aus stutzig und unglücklich. Er zog Ayla vom Bett, damit sie auf einer Augenhöhe waren. Er wiederholte sich: "Ich will nur wissen, ob ich richtig gehört habe. Was hast du gesagt?". Von der Zimmertür klopfte es und Sawath ertönte: "Ayla? Ist Oliver bei dir?". Oliver knurrte laut: "Verschwinde!". "Ich kann eine Schlüsselkarte zu diesem Zimmer holen, wenn ich will. Und ich will. Wir müssen reden, Olli", drohte er an. Ayla fing an zu lachen, das wollte Oliver aber nicht hören. Er hielt ihr den Mund zu. Auch Ayla wollte sich nichts gefallen lassen und versuchte, seine Hand wegzunehmen.

Oliver hatte mehr Körperkraft. Mit einer Hand hielt er Aylas Hände über ihrem Kopf und mit der anderen ihren Mund. Sawath wurde ungeduldig: "Macht doch bitte auf". Lesja sprang vom Boden auf und hechelte lächelnd. Mit Energie nahm sie Anlauf und sprang gegen Olivers Rücken, sodass er mit Ayla zurück auf das Bett gestoßen wurde. Im nächsten Moment sprang Lesja so an die Tür, sodass sie aufging. Sawath war erst erleichtert, doch erschreckte sich dann: "Geht do- Oh Gott! Tut mir leid!". Er schloss die Tür wieder schnell: "Ich wusste das nicht! Macht ihr nur, wir können auch später reden! Wirklich, tut mir leid! Ich hätte wissen sollen, dass du deine Chancen nutzt, solange es geht!". Man hörte ihn weglaufen. 

Ayla wollte sich begraben gehen. Olivers Worte killten sie: "Das ist eigentlich ein schlauer Gedanke von ihm...". Panisch riss Ayla ihre Augen auf, schubste Oliver von sich weg und schrie. Sie schrie in einer Frequenz, die auch Wale wahrnehmen hätten können.


Believe | *ABGEBROCHENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt