Wie zwei Magneten... falsch aneinander gehalten

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Urplötzlich zuckte Oliver von Ayla weg und lief eilig vom Eis runter. Bevor Ayla überhaupt ihre Antwort geben konnte. Gerade wollte sie hinterher laufen, da hielt Sawath sie fest und sprach leise: "Er wird zurück kommen. Gib ihm jetzt diese Minute". "Etwas in mir sagt aber, dass er mich folgen haben will...", meinte Ayla nachdenklich. "Dann hätte er es dir bestimmt gesagt", lehnte Sawath ab, "Lass uns erst mal ein paar Minuten alleine trainieren. Er wird sich einkriegen. Wahrscheinlich möchte er dir jetzt auch etwas Zeit geben". "Aber warum so kurz vor den Meisterschaften?", fragte Ayla etwas verzweifelt. "Was hätte er tun sollen?", stellte er die Gegenfrage, "Sonst wärst du mit Sicherheit nicht auf dem Eis geblieben. Außerdem trägt er das schon sehr lange mit sich herum".

Sawath schaffte es, Ayla zu überreden. Sie übte und versuchte es wirklich. Doch sie fiel oft hin, überdrehte sich bei den Sprüngen und konnte ihren Körper nicht gerade halten. Oliver war immer noch nicht zurück. Irgendwann ließ Sawath sie mitten in der Pose runter und fing an, laut zu denken: "Ich weiß ja, dass das ein sehr großes Thema ist. Aber wenn du dich in meinen Händen schon nicht halten kannst, wie sollst du es dann mit Oliver schaffen? Ich möchte nicht so klingen, als sei es mir egal. Es ist nur, dass ihr dafür so viel Tränen, Blut und Schweiß vergossen habt, den letzten Meter müsst ihr auch noch schaffen. Denkst du, du könntest dich etwas zusammen reißen?". "Sawath...", sie zögerte bedrückt, "Heute ist der letzte Tag, an dem ich meine Chance verpassen werde. Die letzten fünf Tage werde ich unglaublich hart trainieren! Und mich zusammen reißen...". "Möchtest du, dass ich nochmal mit ihm rede?", fragte er besorgt. "Ich kläre das selber", gab sie mit Selbstsicherheit von sich.

Somit beendete sie das Training eine Stunde zu früh und wechselte ihre Schuhe. Olivers Skates standen noch da, aber seine Tasche nicht. Er musste gegangen sein. Sie nahm seine Skates mit und machte sich auf die Suche nach ihm. Die Sonne war schon fast komplett unten und viele Sterne zeigten sich schon. Ein kühler Wind zog sich über die Landschaft, da der Winter langsam wieder eintraf. Das sollte Ayla nicht von ihrer Suche abhalten. Auf einer Brücke sah sie Oliver auf dem Geländer mit Kopfhörern in den Ohren sitzen. Schüchterner werdend ging Ayla langsam auf ihn zu. Seine Musik war so laut, dass er nichts hörte. Aber Ayla hörte die Musik. Die Welt wollte er wohl komplett ausschalten. Er saß mit Blickrichtung den Bach runter. Ganz einsam und verloren...

Ayla hatte Angst, ihn erschrecken zu können und dass er dann vom Geländer fiel. Also hockte sie sich hinter ihn und wartete dort, bis er sich von alleine umdrehte. In der Zeit beobachtete Ayla ihn. "Wie kann es sein?", fragte sie sich ständig in Gedanken, "Wann fing es an? Doch nicht von der ersten Sekunde an, oder? Von Anfang an zeigte er totale Abneigung, genau wie ich. Liebe ich ihn jetzt auch, wenn ich ständig meinte ihn zu hassen? Er wusste wenigstens, was er damit meinte. Ich ja auch, aber wir meinten es einfach anders". Nach fast einer Stunde drehte er sich endlich um. Ganz geduldig und still wartete sie dort. Dennoch erschreckte er sich, als er sie sah. Er sah sie erst, als er stand. Trotzdem schreckte er nach hinten und fiel über das Geländer. Gerade so konnte er sich an der untersten Kante halten. Sofort stand sie in Panik auf und reichte ihm ihre Hand. Aber er sah sie nur kurz an und schaute dann bedrückt weg. 

Sie schrie ihn an: "Oliver! Jetzt ist keine Zeit für Gefühle! Nimm meine Hand du Trottel!". Er sah kurz unsicher über seine Schulter. Reißendes Wasser und große Steine. Dann sah er wieder Ayla an. Sie bekam etwas Gänsehaut und das nicht wegen dem frischen Wind. Sein Blick. Ein Gemisch aus Trauer und Angst. Hilflosigkeit. So sah Oliver nie aus, zumindest zeigte er es nie durch seine Blicke. Er wühlte mit einer Hand in seiner Tasche rum, um sein Handy raus zu holen und warf es samt Kopfhörer zu Ayla nach oben. Sie fing es auf, legte es schnell zur Seite und schrie wieder Oliver an: "Jetzt komm! Ich zieh dich hoch!". Oliver atmete tief durch und stützte sich schwerfällig mit seinen Füßen gegen das Holz. Dann ließ er plötzlich los und drückte sich mit seinen Füßen ab, um sich von der Gravitation ins Wasser stürzen zu lassen. Panisch versuchte Ayla noch mit einer Hand nach ihm zu greifen, doch es war zu knapp. 

In der Luft wedelte er noch mit Füßen und Händen rum, bevor er im rauen Wasser aufkam. Für den Moment war er verschwunden. Aylas Augen waren mit Angst gefüllt. Erstarrt stand sie noch da, mit der Hand nach ihm ausgestreckt. Der Wind ließ die Blätter in den Bäumen rascheln und das Wasser rauschte. Nur noch seine Musik aus den Kopfhörern machte Geräusche. Ayla atmete schwer und war geschockt, als er selbst nach mehreren Sekunden nicht mehr auftauchte. Es war zu dunkeln, um etwas unter der Wasseroberfläche zu erkennen.

Erst, als sein Kopf wieder auftauchte und nach Luft schnappte, konnte auch Ayla aufatmen. Nur nicht für lange. Sobald er versuchte, ans Land zu schwimmen, kam er nicht vorwärts. Er schien mit dem Wasser zu kämpfen. Immer wieder tauchte er für eine Sekunde unter. Seine Ferse war die einzige Möglichkeit, sich irgendwo einzuhaken um nicht von der Strömung mitgerissen zu werden. Das Wasser preschte immer noch in sein Gesicht. Ayla löste sich aus der Starre und ihr Herz fing an, zu rasen. Irgendwann schrie Oliver: "Ich kann nicht schwimmen!". Sie konnte raus hören, wie ungerne er das beichtete. Das war aber nicht das Problem. Eilig zog sie ihre Schuhe und Jacke aus und stellte sich auf das Geländer. Das kostete sie viel Überwindung. Sie sprang ihm nach und der Aufprall tat stark weh.

Sie landete nur wenige Meter neben Oliver, trotzdem war die Strömung ziemlich stark und nur schwer zu entkommen. Zum Glück hatte sie ihren Ehrgeiz. Ganz knapp kam sie an Oliver ran und erwischte seinen Arm. Mit ganzer Körperkraft zog sie ihn zurück ans Land. Erschöpft ließ sie ihn am Ufer los und schnaufte schwer. Das Atmen tat ihr sehr weh, da sie so ungleichmäßig geatmet hatte. Auf einmal spürte sie einen nassen Stofffetzen auf ihrem Kopf, der ihre Stirn voll tropfte. Oliver setzte ihr ihre Mütze auf, die sie wohl bei der Aktion verloren hatte. Auch er atmete schwer und zitterte stark. Das Wasser war verdammt kalt, aber Ayla war diese Kälte ziemlich gewöhnt. Schwach hielt Oliver Aylas Mütze noch auf dem Kopf fest, dann stolperte er und riss sich selbst mit ihr zu Boden. Sie landeten im Kies und versuchten sich weiterhin dort zu erholen. Ayla konnte sich schnell fangen, da meckerte sie ihn erstmal wieder an: "Was war bitteschön dein Plan?! Wenn du weißt, dass du nicht schwimmen kannst, warum springst du dann einfach?!".

Oliver schlug feste auf den Kies neben ihrem Kopf und sprach mit tiefer und kratziger Stimme: "Unterstelle meine Entscheidungen nicht!". Ayla hätte eigentlich etwas gesagt, um sich ihm zu stellen, aber sie war von ihm eingeschüchtert. Schneller Herzschlag, schwerer Atem, raue Stimme und Schwäche wegen Anstrengung. Davon hielt sie sich lieber fern.

Believe | *ABGEBROCHENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt