Oliver kam wieder aus dem Bad, sah sie etwas erschöpft an und murmelte dann: "Ne". Auch Ayla konnte selbst nach mehreren Malen nachdenken nicht daran glauben. Wieder waren sie dabei, dass Oliver sie nicht ansah. Ohne Worte auszutauschen saßen sie auf dem Bett. Es war sehr still, beide saßen an ihren Handys. Nur die Uhr an der Wand tickte. Lesja kaute auf einem Knochen rum und lag ruhig in der Ecke. Keiner wollte reden, denn es war seltsam.
Ayla dachte nach und brach das Schweigen mit der wohl direktesten Frage möglich: "Kann es sein, dass du schwul bist?". Oliver hörte auf, auf dem Bildschirm zu scrollen und musste erst mal die Frage wiederholen. Er war total aus der Bahn geworfen: "...Nein?". "Ich habe es mich nur gefragt. Ich meine, ich würde auch nicht mit dir zusammen kommen wollen. Aber dir wurde schlecht bei dem Gedanken daran. Außerdem zeigst du zu keinem eine Affektion. Hätte ja sein können, dass du heimlich schwul bist. War nur neugierig", zuckte sie mit den Schultern. Oliver schien immer noch nicht darauf klar zu kommen. "Tut mir leid...", entschuldigte Ayla sich etwas beschämt. Doch Oliver schien sich nur zu wundern. Mit den letzten Mitteln versuchte er noch etwas zu sagen: "Was ist mit dir?". Sie zeigte auf die fette Posterwand: "Ist wohl deutlich".
Oliver hatte keine Einwände, jedoch war er weiterhin verwirrt. Es sah so aus, als versuchte er die Wurzel aus 35.978 ohne Hilfsmittel zu ziehen. Dann schüttelte er mit dem Kopf und nuschelte: "Nach Sawath sind wir ja sowieso hier um uns besser kennen zulernen. Wenigstens weißt du jetzt, was ich nicht bin". Da kam ihr wieder die Frage von vorhin in den Kopf: "Was hält dein Bruder eigentlich so Schlimmes gegen dich in der Hand?". Oliver fiel etwas in sich zusammen und wurde sehr ruhig: "Dürftest du es wissen, dann hätte er es wohl nicht in unserer Muttersprache gesagt...". Ayla dachte nach: "Ok... Machen wir es so - Ich habe drei Versuche zu raten und wenn eines davon richtig ist, sagst du es mir". Oliver wirkte mit einem mal so verklemmt. Nur schwerfällig gab er nach: "Du wirst es sowieso nicht erraten... Also... drei Versuche".
Ayla dachte gut nach, drei war nicht eine allzu große Zahl. Also versuchte sie durch Allgemeinheit vieles auszuschalten: "Wird Gewalt angewendet?". Stumm schüttelte er mit dem Kopf. "Hat es etwas mit Eislaufen zu tun?", riet sie weiter. Oliver zögerte erst und schüttelte dann mit dem Kopf: "Um die Ecke gebogen schon... Aber was in meinem Leben hat nicht mit Eiskunstlauf zu tun?". Da hatte er Recht. Ihr blieb nur noch ein Versuch. Sie wollte es wirklich wissen und es machte sie etwas fertig. Da fragte sie sich selbst, ob sie Oliver überhaupt genug kannte, um es erraten zu können. Erraten konnte man mit Glück alles, aber wenn sie ihn besser kannte, dann gab es höhere Chancen das Richtige zu finden. Da bat sie: "Können wir den dritten Versuch aufbewahren? Ich möchte darüber wirklich nachdenken". "Wieso? Ich habe dich doch nicht zu interessieren", mit jedem Satz drehte er sich weiter von ihr weg.
"Denk darüber nach, was Sawath gesagt hat. Wir beide wollen gewinnen, dafür müssen wir aber zusammen arbeiten. Einfach zusammen auf dem Eis zu laufen wird uns nichts bringen. Im Training hast du bis jetzt noch nicht einmal versucht mich hoch zu heben oder überhaupt synchron mit mir zu laufen. Es wird zwar sehr schwer, aber wir müssen irgendwie eine Bindung zueinander aufbauen. Und nicht eine Abneigung", wurde sie sachlicher. "Das einzige, das uns verbindet, ist das Eis. Was haben wir sonst gemeinsam?", zuckte er mit den Schultern. Ayla sah sich nachdenklich um. Taro Yamamoto gehörte auch zur Kategorie Eis. Die Musik, die sie hörten, war auch total unterschiedlich. Er mochte ruhige Lieder mit hauptsächlich Gitarre als Instrument und Ayla mochte Hardbass. Andere Hobbies hatten beide nicht. Ayla mochte Hunde, Oliver Häschen. Nicht mal das selbe Sternzeichen teilten sie sich.
Angestrengt sah sie sich ein Poster von Taro Yamamoto an. Er mochte zwar mit dem Eis verbunden sein. Aber das war ja nicht der einzige Grund, weshalb man jemand anderes verehrte. Das taten beide, also musste es dort Ähnlichkeiten geben. So fragte Ayla: "Was hat dich dazu gebracht, Taro mehr als Max zu mögen?". Oliver sah an die Wand und zuckte mit den Schultern: "Ich weiß nicht... Seine Lebensgeschichte und wie er sich für seine Ziele anstrengte. Egal, wie oft er weinen oder Niederlagen einstecken musste. Mit seiner Tollpatschigkeit zog er sich auch noch viele Verletzungen zu... Er gab nie auf, sondern gab im Gegensatz immer sein Bestes. Am Ende schaffte er es dann an die Spitze und ist heute noch mehrfacher Meister. Trotz seiner hitzköpfigen Art wird er gemocht und von seinen engsten Freunden unterstützt. Was zwar nicht immer so war, aber er hat seine Ziele erreicht. Also warum magst du ihn?".
"Schon das erste Mal, als ich ihn im Fernsehen sah, war ich fasziniert von ihm. Seine Körperbewegungen und diese Koordination... Selbstkontrolle, das wollte ich alles selbst unbedingt lernen. Letztendlich hat er mich dann auf das Eis gebracht ohne jemals mit mir geredet zu haben. Er fasziniert mich und... erinnert ein bisschen an mich. Schlechte Verhältnisse zum Aufwachsen und Mangel an Unterstützung, aber große Hoffnungen", erzählte sie verträumt lächelnd. Oliver war ziemlich schüchtern: "Er hatte wenigstens Zusammenhalt und Liebe zu Hause". "Das brauche ich nicht", lächelte Ayla, "Nicht mehr... Auf dem Eis habe ich meine Leidenschaft und Liebe gefunden". Für einen Moment war es still, da stimmte Oliver ein: "Ich auch". Ayla sprang auf und stellte ein paar Posen vom Eis nach: "Auf dem Eis zu schlittern und sich einfach frei zu fühlen. Wie der Wind durch die Kleidung pustet und der Adrenalin dich in der gekühlten Halle warm hält. Man braucht einfach nicht mehr, wenn man sich einmal mit dem Eis verbunden hat".
Gerade wollte Oliver etwas sagen, da klingelte sein Handy. Er ging ran und sprach Thailändisch. Das Gespräch ging nicht lang, da stand Oliver auf und meinte wieder von Sekunde zu Sekunde kälter werdend: "Zwei Stunden sind schon rum. Sawath steht vor der Haustür". Ayla sah ihn etwas überrascht an: "Oh? Schon? Na dann, sicherlich bist du froh, mich jetzt los zu haben". Sie öffnete die Zimmertür und erstattete ihm schon den Austritt. Doch er schloss die Tür wieder und seufzte. "Verstehe mich nicht falsch, ich bin auch froh, dich los zu haben", fügte sie hinzu. Oliver wies sie nochmal hin: "Vergiss nicht zu lächeln". Dann öffnete er die Tür und zog sich im Flur schnell alles an. Seine Lederhandschuhe zog er sich mit seinen Zähnen feste, während er mit der anderen Hand versuchte seinen Schuh zu binden. Ihre Schwester schubste Ayla zu Boden und befahl ihr fast: "Hilf ihm doch".
Sie knurrte leicht über ihre Schulter und band seinen Schuh zu. Beim Zweiten bat er darum, keine Hilfe zu bekommen und machte das selbst. Stumm winkte er über seine Schulter und verließ mit seiner Tasche das Haus. Im Vorhof fegte der Vater gerade Dreck weg, da umarmte er Oliver. Erdrücken war ein passenderes Wort. Auf Russisch meinte er: "Komm gerne wieder!". Ayla sah ihn skeptisch an. Nicht, dass Oliver wieder kotzen musste. Er fuhr mit seinem Bruder weg und Ayla räumte auf.
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Believe | *ABGEBROCHEN
Teen FictionAyla, 14 Jahre alt, niemand glaubt an sie. Aber sie glaubt an sich selbst. Seitdem sie diese eine Serie gesehen hat, in der sich alles um Eiskunstlauf drehte, war sie total verrückt danach und sie wollte es selber lernen. Sie bewunderte diese Kunst...