Schweigsam

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Selbst wenn es Oliver nicht so sehr gefiel, erzählte er von seinen Interessen und verbrachte mehr Zeit mit Ayla. Jede Trainingsstunde, die sie hatten, nutzten sie komplett aus. Keine Minute wurde für Reden verschwendet. Nur in der Schule opferten sie ihre Zeit, um miteinander klar zu kommen. Aylas Freunde waren anfangs sehr baff, dass sie plötzlich mit einem gut aussehenden und talentierten Jungen mehr Zeit verbrachte, als mit ihnen. Nach etwas Zeit sahen sie ein, dass Ayla sie wohl oder übel geschnitten hatte. Sie und Oliver nahmen das sehr ernst, also wirkten sie immer sehr diszipliniert und kalt. Für Emotionen war nicht viel Zeit. Und dennoch...

Oliver ging gerade in die Hocke und drehte sich sehr schnell. Außer Atem kam er aus der Drehung raus und ging in die Endpose. Er sah ziemlich fertig aus. Augenringe, Dürre, trockene Haut, glasige Augen, Gleichgewichtsprobleme und Konzentrationsstörungen. Er atmete wirklich sehr schwer und der Schweiß tropfte wie ein Wasserfall von ihm runter. Sawath war in dem Moment auf Toilette. Ayla stand skeptisch an der Planke und beobachtete ihn. Leicht schielte Oliver zu ihr rüber und meinte: "Du solltest auch etwas tun, ich kann alles scho-". "Wie geht es dir?", unterbrach sie ihn. Er knurrte und löste sich aus der Endpose: "Was interessiert dich das?". Für einen Schluck Wasser verließ er das Eis.

Ayla folgte ihm: "Eine Menge. Ich brauche dich um zu gewinnen und wenn du kollabierst habe ich keine Chancen". "Du kannst mich nicht kontrollieren", murrte er und trank aus seiner Flasche. "Ich nicht, keiner kann das. Aber du solltest mehr auf dich aufpassen. Du würdest viel besser aussehen, wenn du mehr schlafen und essen würdest", sie saß sich auf die Treppe vor Oliver. Er warf seine Flasche zurück in die Tasche und meinte: "Und du würdest viel besser aussehen, wenn du nicht so viel reden und nerven würdest". Ayla seufzte und folgte Oliver zurück auf das Eis. Er setzte seinen ersten Fuß auf und stolperte direkt, um hinzufallen. "Oliver!", schreckte Ayla auf und half ihm hoch. Sie hatte auf dem Eis mittlerweile viel besseres Gleichgewicht und konnte viele Tricks mehr. So konnte sie Oliver helfen. Aber er stritt ab: "Ich brauche deine Hilfe nicht! Ich brauche dich nicht!". Knurrend stand er von alleine auf und fiel fast wieder hin.

Sawath kam zurück und lief sofort auf sie zu: "Oliver! Alles ok?". "Mir geht es gut", zischte er mit eindeutigen Atemproblemen. "Ist irgendwas passiert?", fragte Sawath besorgt. "Ich bin nur einmal hingefallen, es ist alles ok! Lasst mich einfach weiter trainieren!", wurde er lauter. Sawath zog Ayla einen Meter zurück: "Hat er dir etwas angetan? Geht es dir gut? So aufbrausend wird er nur, wenn er sich angegriffen fühlt". "Ich habe ihn gefragt, ob es ihm gut geht. Als Ermutigung wollte ich sagen, dass er besser aussehen würde, wenn er sich um sich selbst kümmern würde. Daraufhin hat er mich wieder beleidigt und mich unterschwellig hässlich genannt", erzählte sie etwas beleidigt. Oliver zeigte sofort mit dem Finger auf sie und rief laut: "Das habe ich gar nicht gemeint! Du redest mir einfach zu viel!". "Sie redet fast schon gar nicht mehr wegen dir. Sie hat sich einfach Sorgen um dich gemacht. Beruhig dich mal Oliver", wurde Sawath etwas sauer.

Es wurde ruhig und außer Olivers schwerem Atem hörte man kaum noch etwas. Sawath dachte nach: "Wir beenden das Training für heute". Oliver sträubte sich in allen Wegen, auch Ayla fand den Vorschlag nicht so toll: "Sawath, schicke wenn dann nur Oliver nach Hause. Ich brauche das Training. Selbst Oliver hat gesagt, dass er schon alles kann". "Ja, Oliver kann alles als Einzelkämpfer. Er muss lernen mit dir zusammen zu arbeiten. Außerdem möchte ich euch nicht nach Hause schicken. Ich möchte, dass ihr euch zusammen setzt und so Zeit miteinander verbringt. Außerhalb von Eis und Schule", widersprach er mir. Oliver regte sich wieder auf: "Willst du mich eigentlich umbringen?!". Dann rief Sawath etwas auf thailändisch zurück. Oliver machte aus Schock große Augen und wurde sofort still.

"W- was hast du gesagt...?", fragte Ayla ängstlich schauend. Normalerweise wurde Sawath nicht laut. Dann setzte er aber wieder ein Lächeln auf und stupste Ayla leicht an: "Kommt, geht eure Schuhe wechseln. Ich komme sofort nach". Von dem Zeitpunkt an wirkte Oliver die gesamte Zeit sehr emotional. Ayla konnte nicht aus machen, was es wirklich war. Angst, Trauer, Unsicherheit? Positiv war es ganz sicher nicht. Da drängte sich eine Frage in Ayla auf, die sie noch für sich behielt. Sawath hatte sein eigenes Auto und Führerschein. Er fuhr Oliver und Ayla zu Aylas Haus. Dort ließ er sie raus und winkte seinem Bruder zu: "Ich hole dich in zwei Stunden ab". Oliver zischte in sich hinein: "Zwei Stunden, in denen ich hätte trainieren können...". Sawath fuhr weg und Ayla ging vor.

Vor dem Haus wartete Lesja schon geduldig auf ihre Besitzerin. In der Zeit war sie sehr schnell groß geworden. Mit einem Lächeln lief Ayla auf sie zu, aber stattdessen lief ihr Hund an ihr vorbei und sprang Oliver an. Ayla gefiel es natürlich nicht: "Sie freut sich gerade mehr über dich, als ich jemals irgendwann". Oliver sagte nichts, sah sie nicht mal an, sondern streichelte einfach nur vorsichtig den Hund. Weil Ayla früher als sonst zu Hause war, war ihre Familie gerade beim Essen. Sie grüßten sich knapp und Ayla hing ihre Jacke auf. Da fragte sie: "Ich habe Besuch, darf er mit essen?". Ihre Schwester sprach gelangweilt: "Seit wann nimmst du Freunde mit nach Hause?". Oliver folgte mit Lesja. Ihr Vater fragte: "Warum sieht er so aus, als würde er gleich heulen?". Verwundert drehte sie sich um, er sah nicht anders als im Auto aus. Vielleicht verpasste sie auch etwas.

Ihre Mutter lud ihn ein: "Er darf mit essen". Oliver konnte immer noch kaum russisch, also übersetzte Ayla leise: "Du darfst mit essen". Er ging an allen vorbei und murrte: "Nein danke". Er verschwand in Richtung Aylas Zimmer, Lesja folgte ihm. Mochte er das Essen nicht? Aß er in letzter Zeit generell nichts? Ihre Schwester lachte kurz auf: "Der hat ja eine Regenbogen-Laune". Der Vater fragte die Mutter: "Warum würdest du ihn mitessen lassen? Das kostet viel Geld und was bezahlt er für uns?". Ayla verteidigte ihn: "Sein Bruder bezahlt mein Training". Alle sahen sie verwirrt an. Aus ihrer Sporttasche holte sie ihre Schlittschuhe. Die Mutter machte große Augen: "Hast du das immer die letzten Monate getan?". Stolz nickte sie: "Ja und ich bin schon gut darin. Nicht so gut wie Oliver, aber ich mache große Fortschritte". Das wollte sie nun wirklich in deren Gesichter drücken.

Keiner aber wirkte begeistert. Nur der Vater war beunruhigt: "Also ist er dein Freund?". Ayla bekam Gänsehaut und einen Ekelstoß: "Du hast mir gerade den Appetit verdorben! Oliver schubst ständig herum, beleidigt und ist unfreundlich! Wir sind nur Skating-Partner, damit wir bei den Junioren Meisterschaften gewinnen können!". "Du kennst die Regel - bevor du eine Beziehung eingehst, lernen wir den Burschen kennen. Hättest du jetzt etwas anderes gesagt, dann wäre es nicht schön ausgegangen! So, wie er sich benimmt...", murrte der Vater. Ihnen war wirklich alles egal, es ging dabei um den Familiennamen. Er durfte nicht ruiniert werden. Außerdem war Nachwuchs ein Problemthema, wo Ayla sowieso immer sich raus hielt. Von sowas hielt sie sich weit fern.

Sie zog ihre Schuhe aus und setzte sich an den Tisch. Trotz allem musste sie ihrem Vater etwas mehr über Oliver erzählen. Herkunft, Hobbies, Interessen,... Leider schien ihr Vater Oliver als möglichen Kandidaten ins Visier genommen zu haben. Wenn es um die Zukunft des Stammbaumes ging, dann hatte ihr Vater zu entscheiden.


Believe | *ABGEBROCHENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt