Best friends

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"Wir sind drinnen!" , jubelt meine beste Freundin Jordan so laut, dass sie sogar die aus allen Boxen schallende Technomusik übertönt. "Yes!" , rufe ich und ziehe sie zur an der Wand gelegenen Bar, wo wir uns einen Schwung Tequila Shots bestellen. "Auf dass wir bald die Oberstufe geschafft haben." , stößt Jordan ihr Glas mit meinem zusammen, wobei die Hälfte des Inhalts rausschwabbt. "Und auf dass wir nie wieder irgendwelche hässlichen Schulregeln einhalten müssen!" , füge ich hinzu und kippe mir dann die leicht salzig schmeckende Flüssigkeit hinter.
Nach zwei weiteren Shots tanzen wir munter in der Mitte der Tanzfläche herum, umgeben von anderen Jugendlichen. Manche betrunken, manche nicht. Die Musik wurde mit der Zeit immer besser und als das erste Lied kommt, das Jordan und ich kennen, grölen wir lauthals mit.
Drei Shots später sitzt Jordan dann auch schon vor dem Club und übergibt sich, während ich grinsend danebenstehe und hin- und herwippe, wie ein Kleinkind, das ungeduldig auf sein Eis wartet.
Als Jordan fertig ist, sieht sie mich zuerst mit wehleidigem Gesichsausdruck an, ehe sie sich aufrappelt, zurück in den Club stolpert und dort gleich noch eine Flasche Bier kauft, deren Inhalt sie innerhalb von zehn Sekunden ausgetrunken hat. Mein zugeballertes Gehirn findet das natürlich eine überaus geniale Idee und beschließt, es ihr gleich zu tun.
Das Ende vom Lied ist, dass wir sturz besoffen auf der Bartheke herumtanzen, dabei des öfteren fast runterfallen und zum Schluss beschließen, in einer Taxizentrale zu übernachten.
Die Verwirrung ist dementsprechend groß, als ich auf dem Rücksitz eines quietschgelben Taxis mit einem gewaltigen Kater aufwache und mich nur noch fetzenweise an die vergangene Nacht erinnern kann. Erst nach einigen Minuten bemerke ich Jordan, welche vor mir auf dem Beifahrersitz noch gemütlich am Schnarchen ist. Ihr Hemd ist total schmutzig, einer ihrer weißen Sneaker fehlt und in ihrer schwarzen Hose ist ein riesiges Loch. "Shit." , stöhne ich und fasse mir instinktiv an die Schläfe. Ein unangenehmes Pochen macht sich in meinem Kopf breit und in meinen Ohren fängt es an zu klingeln. "Jordan. Wach auf! Jordan!" , versuche ich sie zu wecken und rüttle zuerst an ihrem Sitz, bis ich irgendwann aufgebe und einfach aussteige. Ich suche Halt an dem Auto und stütze mich ab, um nicht aus Versehen umzukippen.
Plötzlich geht das große Garagentor auf und ein paar Meter weiter vor mir steht jetzt ein ziemlich dumm aus der Wäsche blickender Taxifahrer. Vor Schreck fallen ihm sogar die Schlüssel aus der Hand. Bei ihrem Kontakt mit dem Boden verursachen sie ein ekelhaftes Geräusch beim Aufprall, was meine Kopfschmerzen wieder hervorruft.
"Sorry." , entschuldige ich mich, um die peinliche Situation wenigestens etwas aufzulockern, "Wir sind schon weg."
So gut es geht, ziehe ich die immer noch halb schlafende Jordan aus dem Auto, an dem noch immer in Starre verfallenen Typ vorbei und raus aus der Garage.
"Luna, chill mal." , grummelt Jordan und gibt endlich ein Lebenszeichen von sich. Widerwillig schüttelt sie ihren Arm und ich lasse sie los. "Boa siehst du scheiße aus." , entfährt es ihr, als sie mich genauer mustert. "Sagt die Richtige." , erwidere ich augenrollend und stapfe weiter die Straße entlang, bis ich irgendwann merke, dass ich gar nicht weiß, wo wir überhaupt sind.
"Lu, ich hab Hunger. Und mein Kopf tut weh. Und mir ist schlecht." , jammert Jordan, während wir uns nach einer Bushaltestelle umsehen. "Same." , seufze ich und ziehe mein Handy aus der Hosentasche, "Mein Akku ist leer." Jordan will es mir gleich tun, doch irgendwie ist da nichts. "Lu, mein Handy ist weg." , stellt sie mit großen Augen fest. "Ich schwöre dir, ich werde nie wieder etwas trinken." , stoße ich frustriert hervor und lasse mich am Straßenrand nieder.
Nach einiger Zeit fährt endlich ein Auto vorbei, welches wir laut schreiend anhalten und dabei fast überfahren werden. Die Fahrerin ist eine alte Dame, die ziemlich überfordert mit der Situation ist und uns schließlich am Central Park rausschmeißt. Also müssen wir nur noch zehn Minuten zu Fuß laufen und kommen endlich bei mir zu Hause an.
Wie gewöhnlich ist die Wohnung leer, da Mum in der Kanzlei ist und Dad wahrscheinlich gerade in irgendeinem Studio. Selbst am Wochenende haben sie keine Zeit, um länger als sieben Stunden hier zu sein. Mittlerweile bin ich ihre Abwesenheit aber gewohnt. Klar war die Enttäuschung groß, als Dad meinen zehnten Geburtstag verpasste aufgrund einer Besprechung mit irgendwelchen anderen Produzenten. Nicht einmal angerufen hatte er. Mum war damals auch nur den halben Tag bei mir gewesen und so kam es, dass ich abends mit zehn Jahren alleine in dem großen Apartment auf der Couch saß, die Beine an den Körper angezogen und den Kopf auf die Knie gestützt. An diesem Abend habe ich mich so alleine wie noch nie zuvor gefühlt.
"Ich geh duschen, Lu. Kann ich mir ein Handtuch von dir mopsen?" , reißt Jordan mich aus meinen Gedanken. "Klar." , antworte ich schnell, "Dann geh ich einfach nach dir." "Danke. Bist die Beste." , strahlt sie erleichtert und hüpft ins Bad.
Mir die Schläfe massierend gehe ich in die große Küche mit Kücheninsel und krame eine Packung Aspirin aus dem obersten Regal. Während ich Leitungswasser in zwei Gläser laufen lasse, bemerke ich, dass die Tabletten seit zwei Jahren abgelaufen sind.
Genervt stelle ich die Gläser zur Seite und schlurfe zur Kaffeemaschine, um mich wenigstens wachzuhalten. Der Gedanke an den Blick im Spiegel jagt mir einen kühlen Schauer den Rücken hinunter. Denn wenn ich so aussehe, wie ich mich fühle, sollte ich zum Wohle der Allgemeinheit nur noch mit einer Papiertüte über dem Kopf herumrennen.
"Lu, bin fertig!" , ertönt Jordans Stimme aus dem Bad und keine Sekunde später geht die Tür auf. Jordan tritt in ein Handtuch gehüllt aus dem Badezimmer, begleitet von einem Schwall Wasserdampf. "Kaffee steht auf dem Tresen." , informiere ich sie, bevor ich im Bad verschwinde. "Okay." , ruft sie mir noch nach.
Das warme Wasser fühlt sich gut auf meiner Haut an. Den Spiegel habe ich erfolgreich gemieden. Durch die beschlagenen Gläser kann man nicht mal mehr grobe Umrisse erkennen. Meine langen Haare kleben an meinem Rücken und ich wickle sie nach dem Duschen in ein kleines Handtuch, da ich zum Föhnen einfach zu faul bin. Anschließend hole ich zwei Jogginghosen und Tops aus meinem Zimmer, damit Jordan und ich frische Sachen zum Anziehen haben.
Jordan und ich haben uns in der Grundschule kennengelernt. Seitdem sind wir unzertrennbar. Fast jeden Tag hängen wir sogar noch nach der Schule miteinander herum, auch wenn wir nur Hausaufgaben machen oder lernen. Am Wochenende unternehmen wir meistens Shoppingtouren in der Mall, gehen ins Kino, lassen uns in irgendwelchen Clubs volllaufen oder picknicken im Central Park. In den Ferien unternehmen wir ab und zu Ausflüge ans Meer, wo wir für ein paar Tage bleiben, oder wir machen Bootstouren mit der Yacht meines Dads. Manchmal sind noch ein paar andere Freunde aus unserer Schule dabei, aber meistens sind es nur Jordan und ich, da wir solche Sachen oftmals spontan planen.
"Ich hab die Idee." , platzt es aus Jordan heraus und sie klatscht in die Hände. "Wie kannst du nur so motiviert sein?" , seufze ich und trinke meine Tasse aus. "Wir schieben jetzt eine richtig fette Pizza in den Ofen, holen sämtliche Decken und Kissen und machen einen Serienmarathon im Wohnzimmer." , schlägt sie vor. "Wie schaffst du es, mit einem Kater noch so geniale Ideen zu haben?" , frage ich sie lachend und marschiere zum Kühlschrank. "Ich bin halt einfach cool." , grinst Jordan und hilft mir bei den Vorbereitungen.
Eine halbe Stunde später sitzen wir eingewickelt in weichen Decken und umgeben von hunderten von Kissen auf der bequemen, weißen Sofainsel und suchen uns eine Serie auf Netflix raus. Vor uns auf dem Glastisch steht die noch heiße Pizza. Nur der Rand ist etwas schwarz.
Nach einer hitzigen Debatte entscheiden wir uns für 'The Walking Dead' , doch nach der zweiten Folge brechen wir die Serie ab, da Pizza essen und halbe Menschen, aus denen die Gedräme raushängen, wirklich nicht zusammenpasst. 

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