part two

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Oder der Part, in dem wir Ken warten lassen

the1975 - robbers

*

"Es ist Freitag, und May, ich meine es vollkommen Ernst, wenn ich dir jetzt sage, dass ich auf diese verdammte Studentenparty gehen muss!" Ich habe eigentlich gehofft, Andra würde mich mit etwas anderem begrüßen, gerade weil ich ihr diese beschissene Idee gestern aus dem Kopf geredet habe.

Stöhnend blicke ich an den Himmel, der sich so langsam aber sicher zu einer miesen Mische aus grau und ganz dunklem blau zusammenzieht. "Ich dachte Pizza ist heute dran?", hoffnungsvoll kneife ich meine Augen zusammen. Nicht, dass ich keine Lust auf einen Haufen voller verschwitzter Jungs, halbnackter Mädchen und schlechter Musik hätte, ich bin das eigentlich gewöhnt, kenne die klassische Version solcher Partys nicht, aber - und dieses Aber ist ein wirklich entscheidendes Aber:

Ich habe mir diese Woche den Arsch aufgerissen um so viel Trinkgeld wie möglich zu bekommen. In anderen Worten, ich bin komplett fertig mit den Nerven, so ein Dauergrinsen und diese gespielte Nettigkeit zu den größten arroganten Arschgesichtern dieser Welt verbrauchen viel, sehr viel, meiner Lebensenergie. In nochmal anderen Worten, mein Bett wartet auf mich.

"Extrem wichtig. Ich schwöre es, sonst würde ich dich ja wirklich nicht bitten, mit mir dahin zu kommen, wenn ich doch gesehen habe, dass du dein Bett heute Morgen nicht gemacht hast, weil du direkt gleich hinein springen wolltest." Andra kann das gut, so Leute zu überreden, mein ich. Obwohl ich mir eigentlich ziemlich sicher bin, dass sie bloß unbedingt auf diese Party muss, weil sie nen Typen gesichtet hat, den sie Übermorgen sowieso wieder vergessen hat.

"Wann warst du in meiner Wohnung?", will ich wissen und runzle die Stirn. Fast renne ich einen alten Mann um, weiche aber gerade noch rechtzeitig nach links aus. Ich sollte meine Augen wohl wirklich lieber auf den Weg vor mir richten, wenn ich diesen wirklich sehr gefüllten Park passiere.

"Also erstens, es ist nicht nur deine Wohnung, du teilst sie dir mit Taylor und zweitens, ich hab deinen Nagellack gebraucht, diesen einen dunklen mit dem Glitzer. Wann bist du denn ungefähr da? Ich warte schon seit einer Stunde auf dich. Taylor hat Stress mit ihrem Freund und brüllt die ganze Zeit irgendwas in ihr Handy. Ich weiß nicht, ob ich irgendwie dazwischen gehen soll. Selbst Sunny hat sich unter der Couch versteckt."

Ein Blick nach jeweils rechts und links genügt, um die Straße zu unserer kleinen Wohnung zu überqueren. "Du weißt, dass das mein Lieblingsnagellack ist, wenn du ihn leer machst, kaufst du mir einen neuen. Und nein, geh nicht dazwischen. Das endet nicht gut, aber wenn du willst dass sie dich nachher nicht auch noch zur Sau macht, dann mach ihr schonmal einen Shai-Latte. Box dazu steht im grünen Schrank. Ach und bevor du das machst, scheuch Sunny unter dem Sofa hervor, sie soll nicht dahin."

Ich lege auf, ohne noch auf ihre Antwort zu warten. Normalerweise weiß sie dann, dass ich in weniger als zwei Minuten in meiner Wohnung bin. Andra teilt sich die Miete zwar nicht mit Taylor und mir, ist aber irgendwie dauerhaft zu Besuch. Jedenfalls dann, wenn ihre Eltern sich streiten. Was ungefähr täglich der Fall ist. Ich hab Andra schon oft angeboten bei uns einzuziehen, auch wenn kein Zimmer mehr frei ist, aber sie hat bisher immer abgelehnt.


*


"Langweilig", kommentiert Andra das Kleid, welches ich ihr hinhalte und zieht dabei das 'a' in die Länge. "Findest du, der Nagellack lässt meine Füße zu blass wirken?", fragt sie stattdessen und betrachtet ihre Zehen, welche sie an der Wand hinter meinem Bett anlehnt.

Ich hänge das schwarze Cocktailkleid zurück in den Schrank und verdrehe dann die Augen. "Nein finde ich nicht und nein, du wirst jetzt keinen Nagellackentferner benutzen. Hier stinkt es sowieso schon überall nach dem Zeug."

my heart I surrenderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt