my heart I surrender

part ten

oder der Part, in dem Lance berichtet, dass Europa vielseitig ist.

get you the moon - kina

*

Den Rest des Abendessens sage ich kein Wort, nicke höchstens oder schüttle den Kopf. Lances Lachen hat mich zu sehr aus der Bahn geworfen. "So Maya, jetzt gibt es Nachtisch." Victoria kommt mit einem Teller voller riesiger Zimtschnecken zurück an den Tisch. Der einzige Lichtblick des Tages für mich.

"Erzähl doch mal etwas von deiner Reise", fordert mein Dad Lance dann irgendwann auf. Darauf bin ich nicht vorbereitet gewesen, obwohl ich es mir hätte denken können. Natürlich würde das Thema noch auf den Tisch kommen.

Ich ignoriere das Ziehen in meiner Brust und lege mir zwei Zimtschnecken auf den Teller. "Tut mir Leid, Winnie. Ich teile wirklich viel mit dir, aber Zimtschnecken sind nicht drin", ich ducke mich zu dem kleinen Fratz, der mittlerweile neben mir Platz genommen hat und wuschle ihm übers Fell.

"Europa ist ...", Lance hält inne und sieht zu mir, aber ich senke den Blick schnell auf meinen Teller und versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass es mich auch interessiert. Denn es interessiert mich brennend, was er jetzt sagt. "...vielseitig gewesen", beendet er dann seinen Satz. "Ich habe viel erlebt, es gibt richtig schöne Ort und ich hab viele verschiedene Eindrücke bekommen, aber ich wusste schon direkt zu Beginn, dass ich zurück kommen würde. Ich weiß nicht, aber irgendetwas hält mich in Atlanta."

Autsch.

"Viele Eindrücke? Das kann ich mir vorstellen", meint Dad und lehnt sich interessiert nach vorne, was er immer tut, wenn er dringend mehr von etwas wissen möchte. Bevor Lance jedoch antworten kann, schlucke ich den Inhalt in meinem Mund hinunter und sage wohl etwas zu laut "wenn es doch so viele schöne Orte gibt, warum bist du nicht da geblieben?". Daraufhin schauen mich vier Augenpaare an.

Shit, am liebsten würde ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn schlagen, aber ich konnte mir diesen Kommentar einfach nicht verkneifen. Und Dad macht mich irgendwie auch aggressiv. Er weiß doch auch, dass es mich eine Menge Geduld und Mühe kostet, an diesem Abendessen teilzunehmen. Warum provoziert er mich dann damit?

"Entschuldigt mich kurz, ich gehe mal auf die Toilette." Gott, es ist mir so peinlich, die Kontrolle vor Will und Victoria verloren zu haben. Was hab ich mir nur dabei gedacht, hierher zu kommen. Ich hätte Vic auch besuchen können, wenn Lance nicht gerade zu Hause ist. Im Badezimmer stütze ich mich am Waschbecken ab und starre meinen dunklen, viel zu großen Rehaugen entgegen. Als könnte ich mit diesem Blick eine Antwort auf all meine Fragen bekommen. Ich raufe mir die Haare und bespritze mir mein Gesicht mit kaltem Wasser.

*

Andra dreht die Musik in meinem Zimmer etwas lauter, damit wir das Gespräch zwischen Taylor und ihrem Freund nicht mitbekommen. "Ich kann nicht glauben, dass du und Lance gemeinsam an einem Tisch gegessen habt." Sie hält sich eine Jeans vor die Beine und betrachtet sich mit hochgezogenen Augenbrauen im Spiegel hinter meiner Tür.

Während ich auf dem Bett liege und versuche, irgendwie gedankenfrei zu werden, ist Andra konzentriert damit beschäftigt, sich das passende Outfit für eine Party rauszusuchen. "Ich weiß, mir erscheint es mittlerweile auch irgendwie unvorstellbar", gestehe ich und massiere mir die Schläfen. Das Essen ist gestern Abend gewesen. Heute ist Samstag und Ken wird uns in einer Stunde abholen.

Insgeheim bin ich unvorstellbar dankbar dafür, dass ich so jemanden wie Andra habe, mit dem ich über das ganze Chaos sprechen kann. "Weißt du. Ich wünschte so sehr, ich könnte ihn komplett aus meinen Gedanken verbannen, aber es geht einfach nicht. Seit er wieder da ist, habe ich ihn andauernd im Hinterkopf." Und auch, als er nicht im Lande gewesen ist, habe ich täglich an ihn gedacht. Ich will es gar nicht abstreiten. Aber ich brauche eine Auszeit, weil er mir wortwörtlich den Verstand raubt.