part sixteen

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Oder der Part in dem Andra Mist baut...
will we talk - Sam Fender

Ich liege auf meinem Bett, die Beine weit von mir gestreckt und Netflix auf dem Laptop vor mir geöffnet. Mein Blick huscht dauernd schuldbewusst zu den Broschüren auf meinem Schreibtisch.

Ja, ich bin an der Uni gewesen. Habe mich sogar in zwei Vorlesungen gesetzt und mir die alten Gebäude von Andra zeigen lassen. Und ich bin einiger Maßen euphorisch gewesen, gespannt auf das was mich erwarten würde, wenn ich tatsächlich bald Studentin sein würde. Es ist nicht schlimm gewesen, auch nicht einschüchternd. Bloß müsste ich mich jetzt bewerben, wenn ich zum nächsten Semester anfangen will.

Und das einzige Problem, was sich mir wieder in den Weg stellt, ist diese verdammte Unsicherheit. Was ist, wenn ich das falsche Fach auswähle? Was ist, wenn ich nicht in dieses Schema passe? Die Unterlagen liegen seit einer Woche ungerührt auf meinem Schreibtisch. Schluckend setze ich mich in meinem Bett auf, zögere, lege mich dann aber doch wieder hin.

Ich weiß doch, dass ich diesen Schritt endlich wagen sollte. Warum fällt es mir nur so unsagbar schwer, auf Fremdes zuzugehen? Entschlossen greife ich nach meinem Handy und wähle Andras Nummer.

"Was gibt's Süße?", meldet sie sich direkt nach dem zweiten Tuten.

"Wo bist du?", frage ich, weil ich ihre Geräuschkulisse nicht ganz einordnen kann.

"Im Seven Up. Willst du etwas? Die Blaubeermuffins sehen so lecker aus. Ich wollte danach sowieso vorbei kommen. Ich glaube nämlich, dass ich Mist gebaut habe.-" Sie entschuldigt sich kurz bei mir und spricht dann zu jemandem. "Also einen Blaubeermuffin?", hakt sie nicht einmal nach.

Etwas überrumpelt muss ich kurz mein Inneres sortieren. "Du hast Mist gebaut?", hake ich nach. "Und ich nehme zwei. Zwei Blaubeermuffins." Seit ich heute Morgen viel zu spät aufgewacht bin, habe ich noch nichts gegessen. Und es ist schon gegen später Nachmittag.

"Okay, ist bestellt. Ich bin in zehn Minuten bei dir. Muss es dir persönlich erzählen. Es geht um Ken." Ich höre sie seufzen. Bei dem Namen "Ken" beginnen die Alarmglocken in mir zu schrillen. Shit, was hat sie dem Armen jetzt wieder angetan.

"Okay, ich bin gespannt. Setze schonmal Kaffee auf, bis später." Jetzt erhebe ich mich endgültig aus meinem Bett und öffne das Fenster um endlich Sauerstoff in die Bude zu lassen.

Als ich mich aus meinem Zimmer wage, sehe ich Taylor nirgends. Umso besser. Nicht, dass ich nicht mit ihr reden möchte, aber bei Gott, sie ist anstrengend. Ich weiß nicht, was ihr Freund jetzt wieder angestellt hat, aber heute Morgen hat Taylor fast die ganze Wohnung zusammengeschrien.

Sunny liegt gemütlich auf dem Sofa und leckt sich die Pfoten. "Du alter Sticker weißt doch, dass du ein extra Körbchen hast", ich streiche ihr durchs Fell und drücke ihr einen Kuss zwischen die Ohren. Dann mache ich mich an den Kaffee.


*


"Ich habe mich mit Bryan getroffen. Ich weiß nicht ob du dich erinnerst, er ist bei Acacia auf der Party gewesen. Gut aussehend, groß, breit gebaut. Und gut aussehend. Das habe ich schon erwähnt oder?", Andra sieht mich verdutzt an. Sie hält kurz inne, bevor sie sich ein weiteres Stück ihres Donuts in den Mund schiebt.

"Yes, ich erinnere mich, er versucht schon seit Semesterbeginn bei dir zu landen. Was hat das mit Ken zu tun?" Meine Stirn legt sich in Falten. Die beiden Muffins habe ich schon lange verdrückt. Gott, wie ich die Teile liebe.

Andra kaut zu Ende, bedeutet mir mit der Hand dass ich kurz warten soll. "Eigentlich habe ich Bryan nur angeboten, ihm in Chemie zu helfen weil er da echt hinterher hängt. Aber keine Ahnung, ich war bei ihm. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich ihn eventuell mögen könnte." Andra kräuselt die Nase, wie sie es immer tut, wenn ihr etwas unangenehm ist.

"Inwieweit mögen?", hake ich irritiert nach. Ich rede mit Andra oft über Typen. Klar, wenn es um mich geht, ist es bisher immer nur Lance gewesen. Aber schon oft habe ich mit Andra überlegt, wie sie einem Typen klarmacht, dass sie nicht weiter interessiert ist. Dass sie mir jetzt gesteht, dass sie einen Mann eventuell mögen könnte, ist ungewöhnlich.

"Ich kann es dir nicht sagen", gesteht meine beste Freundin. Sie zuckt unbeholfen mit den Schultern. "Stell dir vor. I habe nervös gekichert, als er einen Witz gemacht hat." Sie schüttelt den Kopf und verdeckt ihr Gesicht mit den Händen.

"Aber das ist doch nicht schlimm. Vielleicht mag er dich ja auch?", ich versuche Andra etwas Hoffnung zu machen, scheitere aber kläglich dabei, das spüre ich.

Andra lacht hysterisch auf. "Um Gottes Willen, so weit kommt es noch. Ich glaube er wollte mit mir schlafen. Ich meine, das wäre voll okay gewesen und ich hatte mich auch extra rasiert. Aber als ich ihm da gegenüber saß und auf einmal nur noch auf dieses verflixte Lächeln achten konnte, hab ich zu gemacht. Dann bin ich gefahren." Ich kenne Andra gut genug um zu wissen, dass sie Bryan von nun an aus dem Weg gehen wird.

"Inwieweit betrifft das Ken?", frage ich noch einmal weiter nach. Wenn ich mich nicht irre ist sein Name nicht einmal in der Erzählung vorgekommen.

"Achso, lustige Geschichte. Er hat mich gesehen, als ich an Bryan Tür geklingelt habe. Weil die beiden verflucht nochmal Nachbarn sind. Wusstest du das? Ich habe seinen Blick gesehen, als er mir von seinem Auto aus zugewunken hat. Dieses gezwungene Lächeln. Gott, er tut mir so leid." Ich wusste tatsächlich nicht dass Ken und besagter Bryan Nachbarn sind. Denn woher auch? Ich war noch nie bei Ken und würde ihn auch nicht wirklich als einen Freund bezeichnen.

Andra sieht mich mit gequältem Gesichtsausdruck an. Ich schiebe ihr den Teller mit dem angebrochenen Donut hin und zucke die Achseln.


*


Thema Lance lässt mich sogar mittlerweile nicht mehr im Schlaf los. Ich habe heute Nacht geträumt, wie ich ihm vergebe und er mir dann gesteht, dass er morgen aufbrechen wird, um Asien zu bereisen. Das ist so hirnrissig, dass ich mich danach erstmal kalt abgeduscht habe.

Jetzt binde ich mir meine Schürze um und mache mich mental für einen Acht-Stunden-Arbeitstag bereit. "Wie geht es dir?", fragt Kyle der auf einem der Stühle im Aufenthaltsraum sitzt. Ich bin mehr als erleichtert, heute mit ihm zu arbeiten. Ich weiß auch, worauf sich seine Frage bezieht. Nachdem er vor ein paar Wochen meine Schicht hier übernommen hat, weil ich übers Wochenende zu meinem Vater gefahren bin, habe ich nichts mehr von ihm gehört. Beziehungsweise ich habe mich nicht mehr bei ihm gemeldet.

"Die letzten Wochen waren etwas anstrengend", gestehe ich mit Hinblick auf das Gefühlswrack das ich in den vergangenen Tagen gewesen bin. "Danke nochmal, dass du für mich eingesprungen bist. Habe ich dir schon erzählt, dass ich vorhabe mich für das nächste Semester einzuschreiben?", versuche ich das Thema zu wechseln.

Kyle dreht überrascht den Kopf zu mir. Dann beginnt er zu lächeln. "Echt? Das freut mich total für dich." Er ist und bleibt ein Goldstück.


*


Als ich das Lokal gegen Mitternacht verlasse, weht mir die frische Winterluft ins Gesicht. Ich schließe für einen kurzen Augenblick die Augen und atme tief durch. Heute ist einer der schlimmen Tage gewesen. Obwohl ich mit Kyle zusammen gearbeitet habe, hatte ich das Gefühl die Zeit würde rückwärts laufen.

Und das habe ich nicht nur seit heute. Dieses Gefühl. seit Lance wieder in Atlanta ist habe ich das Gefühl die Zeit würde sich von selbst zurückdrehen. Und ich habe wirklich versucht dagegen anzugehen. Da kann mir niemand etwas anderes erzählen. ich habe ihm die Chance gegeben, mir zu erklären, warum er damals einfach gegangen ist.

Er hat mir keine vernünftige Antwort geben können. Ich habe sogar versucht, ihn nochmal von vorne kennenzulernen. Gut, ich war betrunken, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich es versucht habe. Denn ich bin ihm entgegen gekommen. Sogar aus meiner Komfortzone heraus.

Aber jetzt habe ich wirklich keine Lust mehr darauf. Er sitzt mittlerweile so fest in meinem Kopf, dass ich es kaum schaffe, ihn ganz auszublenden. So sehr ich mir wünschte ich könnte an ihn denken, ohne dass mein Herz schneller schlagen würde, umso besser finde ich es, dass er mich jetzt endlich in Ruhe zu lassen scheint. Die Gegend in der wir leben ist nicht besonders groß und es gibt nur eine Universität, darum hoffe ich einfach es gelingt mir irgendwie, ihm nicht weiter zu begegnen.

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huhu,
bleibt gesund, wir lesen uns <33
xx

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 08, 2020 ⏰

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