part three

2.1K 162 75
                                    

Oder der Part, in dem sich mein Inneres wie ein verkorkster Vanillepudding anfühlte

Fergie - a little party never killed nobody


*

"Der Blonde, mit dem blauen Becher in der Hand." Andra dreht sich begeistert zu mir um. "Sein Name ist Luke, ich hab ihn letzte Woche in einer meiner Vorlesungen entdeckt, er ist süß, oder?"

Ich nehme Andras Worte zwar wahr, -ich nehme sie deutlich wahr, weil Andra direkt neben mir steht und mich anbrüllt als wäre ich Meilenweit von ihr entfernt. Aber mein Kopf schafft s nicht, sich zu ihr umzudrehen. Zu überrascht und verwundert bin ich, Lance hier zu sehen. Und ich bin mir sicher, dass es Lance ist. Ich kenne diese Grübchen, habe sie schließlich jeden Morgen geküsst.

"Ich weiß, er ist toll. Aber du musst ihn jetzt nicht so auffällig anstarren", meint Andra und schnipst mit ihren Fingern vor meinem Gesicht herum. Vor Lance steht ein Mädchen, was mir die Sicht auf seinen kompletten Körper verdeckt. Er ist...breit geworden und seine Haare sind ein Stück länger. Gott, wie lange habe ich ihn nicht mehr gesehen.

"Andra, der Typ sieht nicht nur so aus wie Lance, es ist Lance." Endlich lösen sich meine Augen von seinem Gesicht und suchen stattdessen Andra vor mir. Sie runzelt die Stirn. "Was-", ich unterbreche sie, in dem ich sie an die Schultern packe und umdrehe. "Da vor deinem süßen Loverboy steht Lance."

"Ach du heilige Scheiße." Als sie sich wieder zu mir umdreht, sind ihre Augen weit aufgerissen. "Bist du dir sicher? Er ist ganz schön heiß geworden." Ich hebe eine Augenbraue und sehe meine Freundin mit einem Blick an, der klar und deutlich schreit, dass ich mir hundertprozentig sicher bin.

"Was zur Hölle macht er dann hier?", das ist eine ziemlich gute Frage, auf die ich wirklich liebend gern die Antwort wüsste.

"Ich weiß nicht was er hier macht, aber ich weiß jetzt ganz sicher, was ich hier machen werde." Gut, dass wir uns in der Küche befinden. An dem Ort, an dem der gesamte Alkohol auf einer Anrichte präsentiert wird. Überzeugt drehe ich mich zu den Leckereien um und suche mich durch die Etiketten hindurch, um etwas über 30% zu finden.

"Fuck, nein. Maya. Du brauchst doch keinen Alkohol, um mit ihm zu reden. Willst du überhaupt mit ihm reden?" Andra sieht überfordert aus. Gut, ich kann es nachvollziehen. Das Thema Lance ist für sie eine Nummer zu groß. Schon vor zwei Jahren, als wir beide uns getrennt haben, hat sie es wirklich nur gut gemeint mich mit haufenweiser anderer Typen ablenken zu wollen. Das ist zwar nach hinten losgegangen und eine ganz andere Geschichte, aber ich weiß es zu schätzen.

"Nein, ich will nicht mit ihm reden, aber ich will eigentlich noch weniger an ihn denken." Jim Beam sieht gut aus und definitiv so, als würde er in meinem Hals brennen.

"May, das ist doch zwei Jahre her. Komm, lass uns einfach tanzen gehen." Andra versucht mich bei der Hand zu nehmen, auch wenn ich einfach nur steif vor ihr stehe und nicht wirklich weiß, was gerade in meinem Kopf los ist.

Lance ist alles für mich gewesen und damit meine ich nicht bloß, dass er meine erste große Liebe gewesen ist. Er hat mir das Leben gerettet, er hat mich zurück ins Leben geholt. Ihn jetzt hier so einfach zu sehen und vollkommen unvorbereitet darauf zu sein, versetzt mir einen fetten Klos in meine Magengrube, der mir jegliche Art von Bewegung erschwert.

"Komm schon, Maus. Hör auf, wie ein ausgesetzter Welpe zu schauen. Du bist eine bodenständige und unabhängige Frau." Andra sieht mir tief in die Augen und nickt dabei. Ich schlucke heftig und atme tief durch. Sie hat recht. Unabhängig, das bin ich. Und glücklich, das bin ich auch.


*

Andra bewegt sich komplett taktlos zu der Musik. Das Mädchen ist wirklich in sehr vielen Dingen talentiert. Aber tanzen kann sie nicht. Typen finden das meistens sehr süß an ihr. Jedenfalls weiß ich, dass Ken das unheimlich süß an ihr findet. Einfach, weil man es ihm ansieht. Ich finde es lustig, verdammt lustig um genau zu sein. Ich kugle mich fast vor lauter lachen.

Andra hebt ihren Arm in die Luft, wackelt dabei irgendwie mit der Hüfte und schließt grinsend die Augen. Ich tue es ihr gleich, bewege meine Füße irgendwie nach vorne und hinten, schmeiße dabei beide Arme in die Luft und singe laut mit.

Und als das Lied sich dem Ende nähert, bin ich komplett durchgeschwitzt und brauche etwas zu Trinken. "Ich hol uns nen Drink", rufe ich Andra zu und mache mich auf den Weg zur Küche. Es ist nicht mehr ganz so voll, wie noch vor zwei Stunden, was daran liegt, dass es mittlerweile zwei Uhr nachts ist.

Die Jim Beam Flasche steht noch immer ungerührt an ihrem Platz. Lachend schüttle ich den Kopf und mische uns etwas davon in zwei Becher. Lance ist vergessen. Jedenfalls solange, bis ich höre, wie sich die Tür öffnet und sein Lachen in mein Ohr dringt. Aber weil ich weiß, dass ich mir oft Dinge einbilden kann, versuche ich dem Drang zu widerstehen, mich umzudrehen. Seelenruhig mische ich uns die Drinks zu Ende, auch wenn ich merke, dass meine Hand leicht beginnt zu zittern.

"May?"

Ja, und das ist der Zeitpunkt, in dem mir mein Herz gefriert und zu Boden fällt. Ich trinke einen gierigen Schluck meines Getränks und drehe mich langsam um. Es stimmt nicht was ich vorhin gesagt habe, mein Herz ist nicht eingefroren, jedenfalls, wenn doch, dann ist es jetzt in Millisekunden wieder geschmolzen und pocht so laut, dass nichts anderes als mein Herzschlag in meine Ohren dringt.

"L-Lance." Mein Blick streift den des Mädchen, welches seitlich neben ihm steht und mich verwirrt ansieht. Nope, ich kenne sie nicht, bin mir dafür aber viel sicherer, dass Lance sie kennt.

"Ach du scheiße. May!" ich weiß nicht, mit was ich gerechnet habe. Wahrscheinlich hat meine Fantasie nicht mal dafür gereicht sich ein Wiedersehen auszumalen, weil sie davon überzeugt war, dass es davon sowieso keins gibt. Aber ich habe ganz sicher nicht damit gerechnet, dass Lance einen großen Schritt nach vorne macht und mich in die Arme nimmt. Denn genau das tut er. Und ich scheine genauso fassungslos zu sein, wie das Mädchen was er dabei leicht zur Seite geschubst hat. Sie sieht uns empört an, murmelt dann irgendwas, dass sich wie ein undeutliches "Arsch" anhört, und verlässt die Küche kopfschüttelnd.

"Wie geht es dir?", will Lance wissen, als er sich ein kleines Stück von mir entfernt, mich aber nicht loslässt. Seine Hände, seine großen Hände ruhen auf meinen Armen. Seine gewohnte Körperwärme dringt schneller in mein Inneres, als ich gedacht hätte. Ich hole tief Luft. Seine Stimme ist anders. Erwachsener, rauer, männlicher. Aber seine Augen haben sich kein Stück verändert. Noch immer kann ich nicht genau sagen, ob es blau, grau oder grün ist.

"Was machst du hier?", frage ich und obwohl sich mein Inneres gerade anfühlt wie ein verkorkster Vanillepudding, bin ich überrascht, wie deutlich und klar meine Stimme klingt. Ich trete einen kleinen Schritt zurück, um den Halt der Anrichte hinter mir zu spüren.

Gerade als Lance seinen wunderschönen Mund öffnet, geht die Küchentür erneut auf und Andra kommt herein. "Gott, wie lange dauert das-", sie unterbricht sich selbst, als sie sieht, wer vor mir steht. Ich denke ihr Gesichtsausdruck beschreibt ganz gut, was ich nicht aussprechen kann. Nämlich haufenweise Verwirrung. Und ein Hauch von Angst.

-

my heart I surrenderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt