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»Hier, Flöckchen. Der wird dir gut tun.« Lächelnd übergab Nael mir eine Tasse, in der ein warmer Tee kochte. Dankend nahm ich ihn an und schloss meine Hände um ihn. »Geht es Nieves gut?«, fragte ich, während ich an dem Früchtetee roch.

»Sie liegt wieder in ihrem Bett. Ihr Zustand hat sich verschlechtert«, murmelte er und schaute mich besorgt an. Leise seufzte ich, ließ mir deutlich meine Sorge ansehen. »Ich gehe wieder an meine Arbeit. Caecilius kommt doch nicht alleine mit den Pferden klar«, lachte der blonde Mann.

»Geh lieber, bevor Silki ihm wieder die Hose stiehlt«, kicherte ich, stockte aber sofort, als meine Seite anfing zu schmerzen. Lachend drehte er sich um und verschwand aus meinem Zimmer. Vorsichtig nippte ich an der Flüssigkeit, sie brannte nicht, sondern tat gut.

Leise wurde die Tür erneut geöffnet und ließ mich aufsehen. Alba trat in den Raum und lächelte mich an. »Hey«, begrüßte sie mich und schloss leise die Tür. »Wie geht es dir?« Sanft ließ sie sich auf meine Bettkante sinken und musterte mich.

»Besser als vorher«, antwortete ich und stellte den Tee wieder weg. »Das ist schön zu hören...«, murmelte sie, wand ihren Kopf von mir ab und ließ ihre silbernen Haare in ihr Gesicht fallen. »Alba...Ich kann mich zwar an nichts erinnern. Aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass es schön ist dich als Schwester zu haben.« Sie hob ihren Kopf und sah mich genau an.

Tränen schimmerten in ihren Augen und ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen. »Es ist so schön dich zurück zu haben, Yuki«, hauchte sie. »Ich würde dich ja umarmen, aber ich glaube meine Schmerzen würden es nicht gut heißen«, lachte ich, hustete aber sofort, als der Schmerz mich einnahm.

Alarmiert hob sie ihre Arme, wollte mich sicher auffangen, wäre ich umgekippt. »Schon gut«, wies ich sie ab und lächelte schmerzhaft. Unsicher verzog sie ihr Gesicht, bevor sie ihren Blick durchs Zimmer gleiten ließ.

»Es ist sehr schlicht«, meinte sie. »Ich konnte nie sehen, eine besondere Einrichtung hätte mir nicht viel gebracht.« Vorsichtig rückte ich zurück, damit ich mich an die Wand anlehnen konnte. »Ein warmer Tee?«, fragte Alba plötzlich und runzelte ihre Stirn. »Hmh?«, machte ich verwirrt und sah sie an.

»Du trinkst einen warmen Tee, kannst aber keine Wärme leiden?« Sie legte ihren Kopf schief und beobachtete die qualmende Flüssigkeit. »Flüssigkeiten oder warmes Essen sind anders. Ich kann mittlerweile auch Zerberus Hand berühren, ohne, dass ich mich, so gesehen, verbrenne«, erklärte ich und schaute in die warmen braunen Augen meiner Schwester.

»Damals konntest du deine Kälte kontrollieren. Sie darauf konzentrieren, dass du dich an Wärme nicht verbranntest«, sagte sie. »Ich muss wohl alles neu lernen«, lachte ich und schloss kopfschüttelnd meine Augen. »Du konntest es eigentlich seit Geburt an. Deine Fähigkeit ist etwas ganz normales, jedenfalls für dich. Es ist so normal, wie das Atmen für mich«, erklärte sie und lächelte mich an.

Wie eine normale Körperfunktion? Dann hatte ich dies irgendwie ausgeschaltet. Was war damals nur passiert und wieso hatte ich keine Erinnerungen mehr? Ich musste es herausfinden, sonst könnte es erneut vorkommen.

»Dann muss ich wohl erneut lernen zu atmen«, scherzte ich und verzog grinsend meine Lippen. »Du nimmst das alles ziemlich locker auf. Ich meine, nicht jeder würde so locker und scherzend reagieren«, meinte sie und lachte auf. »Naja, ich bin auch nicht jeder. Aber ich reagiere schon immer sehr ruhig auf alles Neue. Wenn ich mich dann aufrege, bin ich ein Schneesturm der über alle hinweg fegt.«

Belustigt schüttelte sie ihren Kopf. »So warst du schon immer«, lächelte sie. »Schon immer? Wie war ich denn?«, fragte ich und legte meinen Kopf schief. »Du warst fast immer ruhig, hast dich im Hintergrund gehalten. Aber wenn du dich dann aufgeregt hast, dann gnade Gott denjenigen den es trifft.« Grinsend schaute sie an die Decke, erinnerte sich wohl an die alte Zeit.

Yuki - Das Mädchen aus dem Schnee  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt