Kapitel 22 | Verräterisches Zittern

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Kapitel 22

Zu meinem Glück tat Emma es mir gleich und setzte sich auf besagten Parkplatz Nummer 13. Innerlich war meine Hoffnung gemeinsam mit ihrem Handy auf den Asphalt gekracht, aber dennoch wollte ich jetzt mit ihr reden. Sie könnte mich nicht den Rest ihres Lebens hassen. Dafür liebte sie mich zu sehr.

Um wieder zu etwas Mut zu gelangen, griff ich nach einer Bierflasche öffnete sie und nahm einen großzügigen Schluck. „Es tut mir leid" begann ich von neuem, doch scheinbar wollte sie das nicht hören. „Du bist so eine Heuchlerin!" schluchzte sie. Scharf sog ich die Luft ein.

„Emma. Ich weiß, dass ich mich absolut daneben benommen habe, aber du bist immer noch meine beste Freundin, selbst wenn ich nicht mehr deine bin!" Emma seufzte nur. „Von mir aus" murrte sie, klang aber dabei nicht sonderlich begeistert.

Während ich einen weiteren Schluck vom Bier trank, sprach Emma jedoch weiter. „Weischt du, wasch mich am meisten verlätz hat? Dass dus mir net erzählt hast!" Ich setzte die Flasche ab und sah ihr traurig in die Augen. Sie hatte ja Recht. Und dass sie mich nicht für meine Gefühle für Nate verurteilte, sondern mir meine Unehrlichkeit vorwarf, traf mich doppelt.

„Vielleicht reden wir darüber, wenn wir beide wieder runtergekommen sind" Ich wollte nach ihrer Hand greifen um sie hoch zu ziehen, aber sie schüttelte diese wütend ab. „Worüber sollen wir noch reden? Ich dachte es ist alles gesagt!" In ihrer Wut schüttelte sie meine Hand genervt weg. „Lass mich los! Unsere Freundschaft ist dir doch eh nichts wert!" Wieso konnte sie jetzt denn wieder so deutlich reden? Es schien, als wäre durch den Zorn ihre benommene Art verraucht.

„Emma bitte!" Flehte ich, obwohl mir innerlich zum Heulen zumute war. Ein Blick auf die Bierflasche bestätigte mir, dass ich sie in meiner Nervosität bereits ausgetrunken hatte und ich hatte das dringende Bedürfnis, nun nach härterem Alkohol zu greifen, so dreckig ging es mir. Dennoch war mir bewusst, dass es keine Lösung war, sich an Charles Alkoholvorrat zu vergehen.

„Was muss ich tun, um dir zu beweisen, dass mir unsere Freundschaft sehr wohl wichtig ist?" Sie hickste, scheinbar hatte sie vor Aufregung Schluckauf bekommen. „Du bist eine miese Kuh!" Seufzend ließ ich mich nun wieder auf dem Boden nieder.

„Emma! Ich hasse mich dafür, dir nicht vertraut zu haben, okay? Wirklich, das tue ich! Aber ich liebe dich, und dich zu verlieren würde ich nicht verkraften. Ich weiß, dass ich dir nicht von meinem Vater erzählt habe, aber das war doch nur, weil ich mich geschämt habe und weil ich nicht rumheulen wollte, wo deine Eltern doch auch nicht gerade das Gelbe vom Ei sind. Und das mit Nate wollte ich dir ja erzählen! Wirklich! Aber an dem Tag hast du mir erzählt, dass du ihn magst! Was hätte ich denn da sagen sollen? Damit will ich nicht rechtfertigen, dass ich mich falsch verhalten habe, aber ich will auch, dass du mich verstehst." Ich hatte während meines Monologes kein einziges Mal Luft geholt, weshalb ich dies nun keuchend nachholte.

In Emmas Gesicht war keine Regung abzulesen. Als sie keine Anstalten machte, mir zu antworten, packte ich ihre Schultern und schüttelte sie leicht. „Emma!" Noch immer keine Regung in ihrem Gesicht. Leise fluchte ich und schleuderte wütend die Bierflasche weg. Sie zersprang in tausende, glitzernde Scherben. Nun zuckte Emma doch zusammen. „Lass das" murrte sie und drehte ihren Kopf weg. „Dann antworte mir!" verlangte ich. Nun sah sie mir doch in die Augen. „Du bist scheiße!"

Ich schluckte die bittere Enttäuschung herunter und wandte mein Gesicht ab, damit sie die Tränen nicht sehen konnte, die nun meine Wange hinunterflossen. Es schien, als hätte meine Trauer bei Emma etwas bewirkt, denn sie rutschte ein Stück näher zu mir und legte ihre Hand auf meine Schulter. Mehrere Minuten verharrten wir so, keiner wagte es, etwas zu sagen, aber durch meine verschwommene Sicht erkannte ich trotzdem, dass auch Emma weinte. Sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, aber ich kannte das verräterische Zittern ihrer Unterlippen, in Kombination mit den niedergeschlagenen Augen. So war sie immer, wenn sie nicht wollte dass ihr Gegenüber wahrnahm, wie schlecht es ihr ging. Ich verfluchte mich dafür, sie so gut zu kennen, denn mit jedem Flattern ihrer schmalen Lippe stieg mein schlechtes Gewissen ins Unermessliche. Ihre schwarzen Locken klebten in ihrem Gesicht, der Wind hatte sich gelegt.

Ich schluckte, Emma öffnete gerade ihren Mund um etwas zu sagen, da klingelte mein Handy. Seufzend zog ich es aus meiner Hosentasche und wollte auflegen, da fiel Emmas Blick auf den Namen des Anrufers. Es war Nate. Am liebsten wollte ich laut fluchen, doch ich verkniff es mir. Mit gemischten Gefühlen drückte ich auf den roten Knopf, sah dabei gleichzeitig Emmas misstrauischen Blick.

„Mach mit Nate Schluss" verlangte sie.

In meinem Bauch gab es eine kleine Explosion, dann fühlte ich nur noch eine große Lehre. „Emma..." fing ich an. Nun liefen meine Tränen hemmungslos. Dennoch nahm ich kaum wahr, wie sie meine nackten Arme benetzten, welche ich um mich geschlungen hatte. Die Kälte spürte ich kaum noch, da sich mein ganzer Körper taub anfühlte. „Das kannst du nicht verlangen..." hauchte ich kaum hörbar. Schnaubend schüttelte sie ihren Kopf. „Wenn du mit ihm Schluss machst, verzeihe ich dir alles. Du musst verstehen, dass es mir wehtut, euch beide zusammen zu sehen!" In mir wütete ein Kampf. Ich wusste, dass ich für Emma alles tun würde, aber genauso war mir klar, dass ich Nate liebte. Ihn so zu verletzen würde ich nicht so einfach verkraften können.

„Du hast die Wahl. Aber mach nicht mich für deine Entscheidung verantwortlich! Du hast gelogen, nicht ich!" Auf der einen Seite war ich wütend, dass Emma mir so etwas antat, auf der anderen Seite wusste ich, dass gerade ich kein Recht darauf hatte, wütend zu sein. „Emma..." begann ich wieder, obwohl ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Sie schüttelte nur den Kopf. „Entweder er oder ich" „Lass mich wenigstens mit ihm reden!" wollte ich sie anflehen, doch ihr Blick blieb steinhart. „Du belügst mich jetzt seit Anfang des Schuljahres, ich will dich nicht mehr mit ihm sehen. Schreib ihm von mir aus irgendetwas, aber du wirst nicht mehr mit ihm reden, wenn dir unsere Freundschaft noch wichtig ist!"

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▪ Ups

▪ Was glaubt ihr wird Cassandra tun?

L U I S E

Summer Is OverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt