Kapitel 20
Dreimal atmete ich tief durch, dann noch ein weiteres Mal. Die quietschgrüne Klingel vor mir wirkte alles andere als verlockend. Sie trennte mich vor meiner Scham, vor der Wahrheit, vor Emmas Gesicht, wenn ich ihr die Wahrheit sagen würde. Innerlich fühlte ich mich alles andere als bereit hierfür, doch wenn ich ehrlich war würde ich das auch nie tun.
Als ich Nate davor erzählt hatte, dass ich es Emma erzählen würde, konnte er es überhaupt nicht glauben. Zugut erinnerte ich mich daran, wie weit sein Mund aufstand, bis er wieder dazu in der Lage war, ein Wort auszusprechen. „Danke" Er hatte danke gesagt. Irgendwie hätte ich mit vielem gerechnet, doch nicht damit.
Dass es ihm wirklich so unglaublich wichtig war, war mir nicht bewusst. Und doch. Nun stand ich hier und zögerte den Moment der Wahrheit doch nur hinaus.
Ein letztes Mal nahm ich einen kräftigen Atemzug, bevor ich meinen Arm ohne noch einmal darüber nachzudenken vorschnellen liess und die Klingel drückte. Sonst hätte ich es ja doch nie getan.
Das Schrillen war laut und unangenehm, in meinen konzentrierten und empfindlichen Ohren. Mittlerweile begann mein Herz zu rasen, während ich unruhig auf und ab hüpfte und jede Sekunde zählte, in der Hoffnung, niemand würde die Tür öffnen. Diese Hoffnung wurde jedoch zerstört, als ich hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte und Charles mir die Tür öffnete.
„Was willst du?" fragte er mürrisch. Als ob er das nicht wüsste? Dachte er etwa, ich würde zu ihm wollen?" „Ist Emma zuhause?" Fragte ich also schnippisch ohne weiter auf seinen Kommentar einzugehen. „Ja. In ihrem Zimmer" Er blieb im Türrahmen stehen. Als ich ihn ansah, versuchte ich die Aufforderung in meine Augen zu legen, er möge sich doch bitte ein Stück zu Seite begeben, damit ich vorbei könnte. Er bewegte sich keinen Millimeter. „Dürfte ich eventuell zu ihr? Ich muss mit ihr reden!" Misstrauisch sah er an mir herunter.
Arschloch.
Dennoch trat er einen Schritt zurück, sodass ich mich an ihm vorbei schlängeln konnte und nun zielstrebig auf Emmas Zimmer zusteuerte. Naja, das mit dem zielstrebig war gelogen. Ich fühlte mich eher wie eine eingeschüchterte Maus, so geduckt lief ich den Flur entlang, bis ich an die Tür klopfte. Ein mürrisches „Herein" ertönte, woraufhin ich den Raum betrat. Emma sass konzentriert im Schneidersitz auf ihrem Bett und brütete über einem dicken Buch, das mir doch sehr nach Mathe aussah. Sie sah nicht auf, nicht einmal als ich die Tür schloss und mich vor sie stellte. Stattdessen strich sie sich genervt eine lange Haarsträhne aus dem Gesicht und markierte aggressiv mit ihrem Textmarker drei Zeilen mathematischer Formeln.
Ich räusperte mich um so ihre Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. „Was willst du?" fuhr sie mich an und ich begann noch mehr daran zu zweifeln, ob jetzt der richtige Moment war, ihr meine Vergehen zu beichten. Tief atmete ich durch. „Wir müssen reden!" auf einmal zuckte ihr Kopf nach oben. „Ich glaube auch" In ihrem Blick lag keine Spur der sonstigen Freundlichkeit. Ob sie wohl etwas ahnte? „Darf ich mich setzen?" Fragte ich und sie nickte neben sich. Mit einem Seufzen liess ich mich auf die weiche Matratze fallen.
„es... okay. Ich möchte, dass du mir zuhörst und mich nicht unterbrichst, okay?" Sie nickte mürrisch. „Und bitte, hass mich danach nicht!" Keine Regung. Dann eben nicht. In mir ratterte alles, während ich überlegte, wie ich beginnen sollte. Ich war nicht so der Mensch für lange Geschichten.
„Erinnerst du dich noch an den ersten Samstag nach den Ferien? Du warst bei mir und wir haben gemeinsam Croissants gegessen." Beinahe hatte ich das Gefühl, sie müsste Lächeln. „Nachdem du gegangen bist, bin ich irgendwann runter gegangen... Und da war meine Mum. Mit einem jüngeren Kerl. Küssend. Ich bin weggerannt. Ich wusste nicht wo ich hin soll, also bin ich zu Nate gegangen." Ihr Blick schoss hoch. „Du hättest mit mir reden können!" Protestierte sie, der verletzte Unterton in ihrer Stimme entging mir nicht. Ich schüttelte nur leicht den Kopf. „Dann hätte ich dir auch erzählen müssen, dass mein Vater nicht ständig auf Geschäftsreisen sondern im Gefängnis ist."
Bevor sie etwas sagen konnte, sprach ich weiter. „Es war mir peinlich, aber Nate wusste es. Naja, und ich war so fertig, da kam irgendwie eines zum anderen. Und..." Ihre Augen waren so bohrend. „Wir haben viel geredet, und mir wurde bewusst, dass ich ihn schon länger gerne habe. Wir... ich habe es dir nicht erzählt, weil ich dachte, du würdest... Zuerst hatte ich das Gefühl, du würdest es mir nicht zutrauen, und ich hatte so Angst, dass du es mir nicht gönnst."
Ich hatte gar nicht bemerkt, wie die Tränen über meine Wangen flossen. „Und dann hast du gesagt dass du ihn magst... Und ich... Ich konnte es dir einfach nicht sagen!" Nun traute ich mich hoch zusehen, nur um in ihr enttäuschtes Gesicht zu blicken. Es traf mich wie ein Schlag, den Tränenschleier über ihren wunderschönen Augen zu sehen. Sie schien noch etwas sprachlos, sah mich einfach nur an. So undurchdringlich wie eh und je. Beschämt fixierte ich das Fenster hinter ihr, um sie nicht ansehen zu müssen.
Auf einmal sprang sie auf, ignorierte das Buch das auf den Boden fiel. „Wie kannst du nur?" Ich schluckte, war unfähig ihr zu antworten. Ich wusste es doch selbst nicht. „Wie kannst du mir das antun? Wie konntest du mir ins Gesicht sehen, als ich heulend bei dir war, wissend, dass meine Tränen deine Schuld sind?" Leise wimmerte ich. „Bitte Emma" hauchte ich. Sie sollte mich nicht hassen! „Nein, nichts Emma! Du hast mich belogen, in mehr als nur einer Hinsicht und du hast gedacht, ich würde dir eine Beziehung nicht gönnen! Wie lange sind wir schon Freunde?" ich konnte den lauten Schluchzer nicht zurückhalten.
„WIE LANGE?" Kreischte sie da. „Solltest du mich nicht kennen? Du solltest doch wissen, dass ich mir immer nur das Beste für dich wünsche." Ich schämte mich. Ich schämte mich so sehr. Für das, was ich ihr unterstellt hatte, dafür, was für ein schlechter Mensch ich war. Mit einem letzten Kopfschütteln riss sie die Tür auf. „Ich will nur wissen, wie lange! Seit wann seit ihr zusammen!?"
„Sonntag nach den Ferien" Es war offensichtlich, dass sie nicht glauben konnte, wie lange ich sie schon belog. Mit einem letzten enttäuschten Blick auf mir knallte sie die Tür zu und verliess die Wohnung.
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▪ Ups
▪ Könnt ihr Emma verstehen?
▪ L U I S E
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Summer Is Over
Novela JuvenilSie waren sich einig, dass das ganze nur eine Sommerromanze ist. Sie versucht es geheim zu halten. Er kann sie nicht in Ruhe lassen. Das unglaubliche Cover ist von @pagesofafangirl ♡♡