Anfang

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Nichts ist leichter als Selbstbetrug, denn was ein Mensch wahr haben möchte, hält er auch für wahr. - Demosthenes

Am Ende siegt immer die Wahrheit. Doch leider sind wir erst am Anfang. - Zarko Petan

Seine Sinne waren völlig außer Kontrolle, alles war neu und unerwartet. Niemals hatte Harry wirklich daran gedacht gehabt, dass er diese Art von Berührungen ausgerechnet mit Hermione erleben würde. Erst nach und nach schien sein Gehirn, dem vorhergegangenen Impuls zu folgen, zu registrieren, was überhaupt passierte. Allerdings war es längst zu spät, um jetzt noch rational zu bleiben, es zu unterlassen dem überraschenden Drang sie zu küssen, zu liebkosen zu unterdrücken.

Überall konnte Harry sie fühlen. Ihm fiel der unaufdringliche Rosenduft auf, während er sie unterhalb des Kinns küsste. Ein Detail, das von nun an für immer, in Verbindung mit Hermione, in seinem Gedächtnis eingebrannt sein würde. Eines wovon er nicht genug bekommen konnte. Seine Hände glitten über ihre Schenkel, hin zum Rand ihres Pyjamas, nur um endlich ihre nackte Haut zu spüren.

»Was machen wir eigentlich?«, sprach sie atemlos, während ihre Arme um seinen Nacken geschlungen waren und sie aneinandergedrückt waren.

Er vernahm ihre Stimme, wie aus einem Nebel. Im Augenblick wollte er nicht sprechen, nicht erörtern, was zwischen ihnen geschah? Die ganzen Lügen wollte er nur vergessen und sich seinen verwirrenden Gefühlen hingeben. Endlich egoistisch sein. Mit einer Hand war er dabei das Oberteil aufzuknöpfen, während seine Küsse vom Hals hin zum Dekolleté wanderten, als sie ihn plötzlich unterbrach. Sanft aber bestimmt entzog sie sich ihm und er verstand nicht weshalb.

»Das hätte nicht passieren dürfen.«, flüsterte Hermione.

Verständnislos sah er sie an, nur langsam konnte er ihr folgen. Offensichtlich hatte sie ihre Gefühle wesentlich besser im Griff als er.

»Es tut mir leid, Harry. Bitte verzeih mir.« Fuhr sie fort und küsste ihn zum letzten Mal, bevor sie aufstand und sich in ihr Zimmer zurückzog.

Unendlich lange blieb Harry darauf alleine im Gemeinschaftsraum. In Wellen überkamen ihn die einzelnen Gefühle. Frust, dass sie ihn einfach so unbefriedigt zurückgelassen hatte. Zorn, dass so vieles vor ihm verheimlicht wurde und das Hermione, einer der wenigen Personen auf die er immer bauen konnte, mitten drin steckte. Es tat unerwartet weh, fast als ob sie ihn verraten hätte und er dieses Mal anders, als im dritten Schuljahr, keine plausible Erklärung für ihr Verhalten hatte. Von Ron war er mittlerweile alles gewöhnt, es schmerzte zwar, aber er kam irgendwie darüber hinweg. Schließlich hatte er immer noch Hermione gehabt.

Jetzt hingegen hatte er sie nicht mehr und niemand anderes, der nur im Entferntesten, diese Rolle einnehmen konnte. Hinzu kam, dass er das was blieb, mit dem Kuss fahrlässig aufs Spiel gesetzt hatte. Wäre Hermione geblieben, sie wären sicherlich noch viel weiter gegangen. Harry war fern von jeglicher Zurückhaltung, als ob etwas in ihm rebellierte gegen die jahrelange Bevormundung und Fremdsteuerung in seinem Leben. Das Risiko lockte, er hatte nicht mehr vor anderen zu gefallen und doch konnte er nicht aus seiner Haut.

Erst in den frühen Morgenstunden in seinem Zimmer fand Harry in einen unruhigen Schlaf. Viel zu spät für das Frühstück und vielleicht gerade noch rechtzeitig zu den ersten Schulstunden wachte er völlig gerädert auf. In aller Eile zog er sich an und machte sich auf dem Weg in den dritten Stock. Zauberkunst war das letzte an was er dachte, als er durch die Korridore eilte. Zu seinem Glück hatte er schon seit Tagen den Aufsatz fertig, wie auch alle anderen Hausarbeiten für den heutigen Tag.

Trotz aller Hektik blieb ihm nicht verborgen, dass die einzelnen Charaktere in den Wandgemälden auffällig tuschelten, ihm regelrecht nach starrten. Nichts blieb in Hogwarts verborgen, Dumbledores Worte an Hermione bekamen eine völlig andere Bedeutung, fast eine bedrohliche. Er schüttelte den Kopf. Um diese Zeit, an diesem noch jungen Tag, brauchte er alles andere als sich damit zu beschäftigen, was am Vortag passiert war. Bevor er in den Gang zum Klassenzimmer einbog, hörte er bereits die Stimmen von den Personen, die eigentlich meiden wollte, wie sie miteinander laut diskutierten.

Im Namen der LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt