Ich beobachtete, wie Dr. Strange eine Handbewegung vollführte und sich ein orangener Strahl quer durch das Zimmer zog, wahrscheinlich sogar noch weiter hinaus, doch durch die Wände konnte ich nicht erkennen, wo der Strahl wieder endete. Ich schreckte überrascht zurück, was Stephen nur schmunzeln ließ.
„Das, was ich dir versuchen werde zu erklären, ist sehr komplex und beinhaltet elementares Wissen in der Physik, Magie, Mystik, Mythologie, Okkultem und der allgemeinen Geschichte."
„Wunderbar...", nuschelte ich und beobachtete den magischen Strahl etwas genauer. Man sollte meinen, dass ich nach all den Jahren schon abgehärtet war, was sonderbare Magie anging, allerdings schien ich mich noch immer beeindrucken zu lassen. „Ich besitze überhaupt kein Wissen in diesen Bereichen."
Stephen lachte leise. „Das macht nichts, ich werde versuchen es so einfach wie möglich zu halten."
„Vielen Dank auch."
Er hob seine Hand und folgte beinahe liebevoll dem orangen, leuchtenden Objekt. „Das hier soll eine optische Demonstration dessen sein, was die meisten Menschen, die meisten normalen Menschen als Fluss der Zeit wahrnehmen."
Ich beobachtete seine Bewegungen. „Die meisten, normalen Menschen?"
Er nickte. „Es liegt in dem Irrglauben vieler Lebewesen, obgleich Menschen auf der Erde oder andere Geschöpfe in der Galaxis, dass die Zeit ein lineares Objekt im Gefüge der Geschichte darstellt. Wie eben dieser Strahl. Er verläuft grade, vorwärts, es geht nie zurück, man richtet den Blick nur stur geradeaus auf das Unverhinderliche was kommen wird."
Er musterte mich mit einem geheimnisvollen Lächeln, dann vollführte er erneut eine Handbewegung. Sofort änderte sich das schwebende Bild vor mir. Von der graden, orangenen Linie war nun nichts mehr zu erkennen. Stattdessen wirbelten nun mitten im Raum eine schier unendliche Anzahl kleiner bunter Fäden, die sich zum Teil berührten, die zum Teil ineinander verflochten oder sich gar nicht trafen. Ich blinzelte verwirrt und versuchte ein System in dem Wirrwarr und dem Durcheinander in der Luft zu erkennen. Es war sogar schwierig den Doktor durch das bunte Etwas auszumachen.
„Und das ist es, wie das Konstrukt der Zeit in Wirklichkeit ausmacht."
„Ich... ich verstehe nicht..."
Ich beobachtete, wie einige der lebendigen Fäden eine Kurve vollzogen oder sich verknoteten, als wären es einzelne Tiere, die wie Junge zu spielen versuchten.
„Zeit ist nichts, was in einer Grade gemessen werden könnte. Zeit ist all das." Er hob seine Hände und deutete auf das magische Bild. „Zeit ist vielseitig. Zeit ist Vor und Zurück. Zeit ist unendlich. Und der Grund, dass es so ist, wie es ist, sind wir."
Ich hielt mir meine Schläfen. Nun wünschte ich mir, dass Tony an meiner Seite wäre um die aufkommenden Kopfschmerzen zu unterdrücken. „Wir?", war alles, was ich als Frage hervorbringen konnte.
Stephen musterte mich einen Moment, dann wedelte er mit der Hand. Alle Fäden verschwanden auf einmal, bis nur noch der orangene Strahl von Beginn übrig blieb. Meine Kopfschmerzen senkten sich ein wenig.
„Gehen wir hypothetisch davon aus, dass du mit einem Auto eine verlassene Landstraße entlangfährst, weil du einen Freund besuchen willst. Die Straße, " er deutete auf den Strahl, „Ist einspurig und grade. Plötzlich erreichst du eine Gabelung. Links oder rechts, du hast die Möglichkeit. Du weißt, dass wenn du Links fährst du eine kürzere Strecke hättest um an dein Ziel zu gelangen. Rechts würdest du allerdings mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit in einen Verkehrsstau geraten. Wofür entscheidest du dich?"
Ich starrte Stephen verzweifelt an. „Ist... das eine Fangfrage? Oder ein Test?"
„Es ist weder noch. Entscheide dich ganz hypothetisch für eine Strecke."
Ich seufzte und dachte kurz nach. „Ich bin eher ein Mensch, der schnell an sein Ziel möchte, also würde ich wahrscheinlich Rechts fahren."
Stephen nickte. Im selben Moment vollzog der magische Strahl in der Luft eine leichte Rechtskurve, als hätte ich einen Einfluss auf dessen Verlauf gehabt. „Du hast dich entschieden nach rechts zu fahren. Doch was, wenn du es nicht getan hättest und die andere Strecke gewählt hättest?" Direkt als er sprach bildete sich an derselben Stelle, an der der Strahl die Rechtskurve vollzogen hat eine parallele Linkskurve. Nun sah es so aus, als würde sich die orangene Linie teilen und an zwei parallelen Streifen weiterverlaufen.
„Du hattest die Möglichkeit dich zwischen zwei Situationen zu entscheiden. In deiner Welt wärest du Rechts gefahren. Doch in einer anderen Möglichen Parallelwelt hättest du auch den anderen Weg nehmen können. Beide Entscheidungen bedingen andere Ergebnisse. Wärest du Links in einem Stau geraten? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wärest du Rechts schneller am Ziel gewesen? Das wissen wir nur, wenn die Entscheidung getroffen wurde, aber theoretisch sind alle Wege möglich und alle Wege wählbar."
Ich hob meine Hände. „Moment... also Sie wollen mir sagen, wenn ich an einer Gabelung stehe und mich für eine Richtung entscheide entsteht ein Spalt in der Zeit?"
Er nickte. „Du lernst schnell. Es entsteht eine andere, mögliche Welt, in der das Gegenteilige aufgetreten ist, als das, wofür du dich entscheidest."
Ich starrte ungläubig auf den Strahl. „In Ordnung ich glaube ich habe so etwas schon mal in irgendwelchen Filmen gesehen... also... egal was ich mache..."
„Es entstehen Parallelen zu deinem Handeln."
Ich nickte. „Also wenn ich morgens einen Tee statt Kakao nehme..."
„Dann gibt es irgendwo im Gefüge der Zeit eine Welt, in der du Kakao genommen hast und nicht den Tee."
Ich atmete schwer ein. „Sie sagen also, dass es neben dieser jetzigen Zeit eine andere Welt gibt? Nein... unendlich viele andere Welten? Theoretisch kann jede kleinste, minimale Entscheidung eines jeden Lebewesens eine neue Welt erschaffen oder nicht?"
Strange grinste. „Du hast es erfasst. Und manche Entscheidungen sind gravierender im Zukunftsgefüge als andere."
Mein Herz setzte einen kurzen Moment aus, als ich realisierte was dies zu bedeuten hatte. „Bedeutet das, dass es irgendwo dort draußen eine Welt gibt, in der meine Freunde noch Leben könnten?", flüsterte ich hoffnungsvoll.
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Das Beste kommt zu Anfang (The Avengers...und ich 5)
FanfictionDas finale Abenteuer von Samantha und den Avengers. Sam ist irgendwie in das Jahr 2012 zurückgefallen und weiß nun nicht mehr was los ist. Was hat Thanos geplant? Ist die Welt mal wieder in Gefahr? Nur sie allein kann ihn aufhalten. Doch wie soll...