Rosamunde

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Immer und immer wieder spulte ich das Video zurück und beobachtete Loki dabei, wie er die Agenten von SHIELD in der Forschungshalle angriff, mehrere tötete und schließlich die Kamera, die die Szene aufgenommen hatte zerstörte. Immer wieder hielt ich die Aufnahme kurz bevor er direkt ins Objektiv schoss an und spürte den kalten Blick des Mannes, den ich liebte, auf mir. In seinen Augen konnte ich Belustigung, Überlegenheit und Ehrgeiz erkennen. Diesen Loki, den ich dort auf dem Hologramm vor mir sah kannte ich nicht. Es war nicht der Loki, den ich geküsst hatte. Nicht der Loki, der mir seine Liebe gestanden und mich so oft gerettet hatte. Nein, der Mann, der mich noch weiter aus dem Standbild anstarrte war etwas gänzlich anderes. Ich schloss meine Augen und stemmte meine Arme gegen den Tisch ab. Dieser Mann, so hatte mir das Tony vor langer Zeit erklärt, war en Monster. Ein Monster der viele unschuldige Menschen getötet hatte, nur für Ruhm und Macht. Ich atmete ruhig ein und öffnete meine Augen wieder, bloß um die Aufnahme erneut zurückzuspielen und wieder laufen zu lassen. Und erneut beobachtete ich Loki dabei, wie er aus dem Portal, welcher der Tesseract geschaffen hatte, auftauchte und SHIELD unsicher machte. Ich beobachtete ihn dabei, wie er Hawkeye manipulierte, ihm seinen Willen aufdrang, genauso wie einigen weiteren Agenten. Ich beobachtete, wie Nick Fury angeschossen wurde und wie die Eindringlinge wieder verschwanden, bevor Loki die Kamera zerstörte. Und als das Bild wieder schwarz wurde setzte ich mich auf den Stuhl. Meine Beine wollten mich einfach nicht mehr tragen. Wo war ich nur reingeraten? Aika hatte mich in die Zeit zurückgeschickt und nun wusste ich endlich, wo ich mich befand. Den Avengers stand der erste große Kampf bevor.
Der Kampf gegen den Gott der Lügen.
Der Kampf gegen Thors Bruder.
Der Kampf, der die Helden zusammenführen würde.
Der Kampf gegen Loki Laufeyson.

„Die Einladung, Miss", forderte mich der im Smoking gekleidete Security Mann, der vor dem Haupteingang stand, höflich auf. Ich zwang mich zu einem zuckersüßen Lächeln und öffnete die kleine, unpraktische aber elegante schwarze Handtasche.
„Natürlich, die habe ich selbstverständlich dabei." Mit einer schnellen Handbewegung zog ich das Handgroße Stück Papier hervor welches mit einer schmuckvollen, goldenen Schrift farciert war. Ich überreichte sie dem Mann im Smoking, der mir ein Lächeln schenkte. „Es dauert nur einen kurzen Moment." Mit diesen Worten hielt er meine Einladung unter ein modernes Scangerät. In dem Moment machte mein Herz einen Satz, doch ich behielt mein sorgenloses Lächeln, um mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Wahrscheinlich hatte der Scan nur einige Sekunden gedauert, doch die Zeit die das Gerät brauchte, bis die kleine Lampe grün aufblinkte fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Der Security Mann gab mir meine Einladung zurück und nickte mir lächelnd zu. „Vielen Dank, Miss. Genießen Sie die Feier."
Ich nickte höflich. „Vielen Dank. Haben Sie auch einen schönen Abend."
Ich passierte die Sicherheitskontrollen und betrat mit einem erleichterten Seufzer den riesigen Marmorsaal, in denen sich bereits viele herausgeputzte Menschen befanden. Ich selber hatte mir in der Eile in einem Geschäft in der Nähe ein bodenlanges, schwarzes Kleid gekauft, welches mir direkt gepasst hatte. Noch niemals hatte ich so elegante Kleidung getragen und das schlimmste an dem Kleid war, dass es keine Träger besaß. Etwas Unpraktischeres konnte es auf dieser Welt nicht geben. Ich konnte in dem Fetzen weder laufen geschweige denn Kämpfen. Und die schwarzen Heels waren ebenfalls keine große Hilfe. Doch ich durfte nicht auffallen. Es war schon schwer genug gewesen sich auf die Feier einzuschmuggeln. Keine zwei Minuten zuvor hatte ich einer alten Lady, die in der Warteschlange vor dem beeindruckenden Gebäude gestanden hatte ihre Einladung aus der Tasche gestohlen. Glücklicherweise waren die Karten nicht namentlich gekennzeichnet, somit konnte mir niemand nachweisen, dass ich nicht zu dem ganzen Gebrause hier dazugehörte.
„Champagner?" Ich drehte mich bei der Stimme überrascht um. Ein Kellner im Frack lächelte mich an und bot mir ein Tablet mit vielen halbgefüllten langen Gläsern an. Wow. So einen Luxus hatte ich bisher nicht gehabt. „Vielen Dank...", meinte ich und nahm mit ein Glas hinunter. Bloß nicht auffallen, Sam, also tu das, was alle tun. Trink Champagner und halte dich im Hintergrund.
Ich konnte nur hoffen, dass mich meine Erinnerungen nicht im Stich gelassen haben. Nachdem ich den SHIELD Koffer wieder zugeklappt und aus der Uni geschlichen bin habe ich versucht mich zu erinnern, was Tony und die anderen Avengers mir von ihrem ersten Abenteuer erzählt hatten.
„Coulson hatte mich damals aufgesucht", hatte Tony mir erzählt, „Zwar hatte ich bereits von Fury von der Initiative gehört, allerdings dachte er damals noch, ich sei zu egozentrisch um Teil des Teams zu sein."
„Wo er natürlich komplett daneben lag", hatte Pepper sarkastisch angemerkt. Tony hatte sie mit einem bösen Blick gestraft und sagte weiter: „Er brachte mir Informationen von einem Außerirdischen, der durch ein Portal kam und SHIELD angegriffen hatte."
„Loki", hatte Steve hinzugefügt. „Auch mich hatte SHIELD damals kontaktiert, sie wollten dass ich ein Avenger wurde. Sie brachten mich zu ihrem Helicarrier, wo ich Bruce, Natasha und Tony kennengelernt hatte."
„Ein Privileg, welches nicht jedem zu Teil kommt", hatte Tony gegrinst. Steve hatte mit seinen Augengerollt und weitererzählt. „Es dauerte nicht lange, da hatte SHIELD Loki auch schon aufgespürt. Wir kannten seinen Plan nicht und wir wussten nicht was er vorhatte. Allerdings hatte er bereits viele enschen auf dem Gewissen und hatte mehrere SHIELD Agents unter seiner Kontrolle."
„So wie mich." Clint hatte wütend dreingeschaut bei der Erinnerung.
„Jedenfalls war das die erste Mission, die ich mit Tony gehabt habe. In Stuttgart haben wir das erste Mal Seite an Seite gekämpft." Steve hatte gelacht. „Wir haben den Society Menschen in der Halle damals das Leben gerettet."
„Wir konnten uns erst gar nicht ausstehen", hatte Tony angemerkt.
„Wer sagt, dass wir es heute können?"
Daraufhin hatten alle gelacht.
Wehmütig lächelte ich bei der Erinnerung an diesen Abend, während ich einen kleinen Schluck des Champagners trank. Ich vermisste meine Freunde über alles. Ich vermisste es mit ihnen zusammen im Tower zu sitzen und zu reden, zu lachen. Ich vermisste es mit Tony zusammen an seinen Anzügen zu schrauben und ich vermisste es mit Clint und Natasha zu trainieren. Verdammt, ich vermisste sogar Nick Fury. Ich schüttelte mich. Gott musste ich verzweifelt sein! Aber gut. Ich war nicht ohne Grund hier, in Stuttgart. Ich hatte mich erinnert, dass Steve sagte, dass hier der erste Kampf gemeinsam mit Tony ausgetragen worden war. Und dass es irgendwas mit dieser Veranstaltung zu tun gehabt hatte. Ich wusste nur nicht mehr was es war. Was bedeutete, ich musste warten, bis die beiden Helden auftauchen würden. Ich musste einfach herausfinden, was Thanos' Plan war. Und das konnte ich nur, wenn ich mich in der Nähe der Avengers aufhielt. Denn eines war sicher: Was auch immer dieser Mistkerl vorhatte, es hatte was mit den Helden zu tun.
Ich zwang mich aus meinen Gedanken und blickte mich um. Ein kleines Streichquartett hatte begonnen ein Stück zu spielen. Schubert, Rosamunde. Ich hatte das irgendwo mal gehört, keine Ahnung wo. Zu dem Stück hatten sich einige der reichen High Society Gäste auf die Tanzfläche begeben und schunkelten hin und her. Einige anderen standen in kleinen Grüppchen in der Halle zerstreut und redeten hochgestochen daher. Beachtet wurde ich Gott sei Dank nicht. Wahrscheinlich hielten sich diese Menschen für zu wichtig als sich mit einer jungen Studentin abzugeben. Mir sollte es Recht sein. Ich hielt die ganze Zeit Ausschau nach meinen Freunden. Irgendwas würde bald passieren, ich konnte es einfach spüren. Erneut trank ich einen kleinen Schluck Champagner und blickte mich weiter um, konnte jedoch nichts entdecken, was mir weiterhelfen würde. Mehr und mehr Leute füllten den Saal, was es langsam schwierig machte den Überblick zu behalten. Ich fluchte leise und begab mich zu einem kleinen Tisch, als das Quartett anfing den leidenschaftlicheren und schnelleren Part des Stückes zu spielen. Ich blickte kurz zu den Musikern. Woher kannte ich dieses Stück? Ich wusste ich hatte es schon einmal gehört. Eine Erinnerung wollte sich in mein Bewusstsein schieben, doch irgendwas blockierte sie. Ich runzelte die Stirn. Ich war mir sicher, es war etwas Wichtiges...
„Eine so wunderschöne, junge Frau erscheint ohne Begleitung auf eine solch elegante Veranstaltung?", fragte eine sanfte Stimme hinter mir. Ich hatte weder die Lust noch die Zeit um mich auf irgendeinen Smalltalk einzulassen, also drehte ich mich um, um den Mann hinter mir in den Wind zu schießen. Tiefgrüne Augen brannten sich in meine und ein Schrecken durchfuhr mich. Ich hörte auf zu atmen und es war, als würde die Welt kurz stillstehen.
Ein Lächeln kräuselte sich auf seine Lippen.
„Guten Abend." Loki nahm meine Hand in seine und hauchte einen zarten Kuss zur Begrüßung auf meine Haut.

Ich spürte förmlich, dass ich blässer und blässer wurde. Das Blut schoss aus meinem Gesicht, meine Augen waren schockgeweitet und mein Herz hatte aufgehört zu schlagen als ich den Gott vor mir sah.
Da ich nichts erwiderte lachte Loki leise und küsste erneut meine Hand. „Habe ich Sie verunsichert?"
Ich musste was sagen! Mach schon!
„Ich... nein ich... Sie haben mich überrascht...", brachte ich kleinlaut hervor.
„Überrascht?" Er ließ meine Hand los. „Wie das?"
Mein Kopf war blockiert, mir wollte keine Antwort einfallen. Doch ich musste etwas sagen. Ich konnte ihn nicht einfach gehen lassen!
„Sie... mich... hat heute Abend noch niemand angesprochen."
„Was für eine Schande." Loki sah sich um, bis sein Blick wieder meinen traf. „Dabei sind Sie die schönste Frau in der Halle."
Oh wie oft hatte ich seine Silberzunge schon reden hören. Ich hatte ihn schon oft dabei beobachtet, wie er mit dieser Fähigkeit viele Menschen beeinflusst hatte. Zurückgesehen hatte ich gedacht, dass ich mich daran gewohnt hatte. Doch da hatte ich mich wohl geirrt. Irgendwas an seinen Worten, an seiner Stimme verzauberte mich. Oder war es einfach nur die Tatsache, dass er vor mir stand? ER? Mein Liebhaber, der vor meinen Augen ermordet worden war? Vielleicht war dieser Anblick einfach zu viel für mich. Ich schloss für einen Moment die Augen und versuchte die innere Unruhe, die sein Erscheinen bei mir ausgelöst hatte wieder unter Kontrolle zu bringen. Ich musste all diese Gefühle beiseitelegen. Das da war nicht mein Loki. Der Mann, der vor mir stand war gefährlich. Ein Verbrecher. Ein Mörder.
Ich lächelte und öffnete meine Augen wieder. „Sie schmeicheln mir."
„Sie haben es einfach verdient", sagte er zufrieden und sah sich einmal um, sodass ich ihn betrachten konnte. Er trug einen feinen Anzug und eine schöne Krawatte. Ein dunkelgrüner Schal gab seinem Outfit einen letzten, eleganten Schliff und in seiner rechten Hand hielt er einen Gehstock. Ich blinzelte und sah genauer hin. Nein, es war kein Gehstock. Es war der Zepter! Ich schluckte. Er sah bloß anders aus. Vielleicht hatte Loki ihn verzaubert?
„Die Menschen hier scheinen alle sehr langweilig zu sein." Er hielt mir vielsagend seine Hand hin. „Dennoch sollten wir versuchen, das Beste aus dem Abend herauszuholen. Würden Sie mit mir tanzen?"
Ich starrte erst seine Hand und dann ihn an. Es war so verdammt schwer ihm nicht einfach um den Hals zu fallen und ihn zu küssen. Alles was ich wollte war in seine Arme zu sinken und dass er mich festhielt. Ich wollte dass er mir sagte, dass alles wieder so sein würde wie früher.
Doch das würde es wohl niemals.
Ich hatte mein Leben verloren.
Nichts würde mehr sein, wie es einmal war.
Doch das durfte mich nicht abhalten nach vorn zu blicken und die Mission im Auge zu behalten, die ich hatte. Thanos war aus einem bestimmten Grund hierhergereist. Und was immer es war, ich musste herausfinden, was es war. Also setzte ich wieder ein falsches Lächeln auf und ergriff Lokis Hand. Bei der Berührung unserer Finger durchzuckte mich ein kleiner Schlag, so als würde ich etwas statisches Berühren. Loki runzelte für einen Moment seine Stirn und starrte auf unsere Hände. Er hatte es anscheinend ebenfalls gespürt. Doch er ließ sich nichts anmerken sondern führte mich sanft zu der Tanzfläche. Kaum waren wir angekommen legte er eine Hand auf meinen Rücken, die andere hielt meine weiterhin umschlossen. Unsicher legte ich meinen Arm auf seine Schulter. Ihm so nahe zu sein war einfach nur Folter.
„Ich... sollte Ihnen nur noch etwas beichten", meinte ich leise. „Ich... kann nicht tanzen."
Loki sah mich zunächst überrascht und dann lachend an. „Das stört mich nicht." Mit einer bestimmten Bewegung drückte er mich zurück. Ich folgte seinen Schritten und starrte dabei auf meine Füße. Gott war ich ungeschickt.
„Nein...", sagte Loki leise und sanft. Ich spürte, wie er seinen Finger unter mein Kinn legte und meinen Kopf anhob, sodass ich ihm in die Augen sehen musste. „Sieh nur mich an."
Wenn er wüsste, wie sehr es schmerzte, ihn anzusehen.
Wenn er wüsste, was ich für ihn empfinde.
Wenn er nur der wäre, den ich nun brauchte.
Loki sah mich weiter unbeirrt an und grinste. „Du siehst nervös aus."
Ich schluckte. „Nein... es ist alles in Ordnung."
Er lehnte sich weiter zu mir. „Wie ist dein Name?"
Ich biss mir auf die Unterlippe. „Sam."
„Sam...", wiederholte er und ließ meinen Namen auf seiner Zunge zergehen. Er grinste und sah wieder zu mir hinab. „Ein so wunderschönes Mädchen... es ist eine Schande."
Ich runzelte meine Stirn. „Wie bitte?"
Er kippte seinen Kopf zur Seite. „Dass ich dich wohl oder übel töten muss."


((Verzeiht das kurze Kapitel XD 
Viel Spaß ;) 
Euer Emmchen <3

Das Beste kommt zu Anfang (The Avengers...und ich 5)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt