Kapitel 16 ♛ Gastón Perida raubt mir den Atem. Wortwörtlich.

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: Air - Shawn Mendes ft. Astrid

NINA
„Ich würde dich ja auslachen, aber ich mache es in Anbetracht dessen nicht, dass du da Säure in der Hand hast."

Bei Ámbars Bemerkung entwich mir unwillkürlich eine Mischung aus Schnauben und Lachen, während ich mir fachmännisch die übergroße Schutzbrille vor den Augen zurechtrückte.

„Dankesehr Ámbar.", erwiderte ich nur nüchtern und mit einem Augenrollen hintendran, und stellte den Reagenzglashalter vor mir auf den feuerfesten Chemietisch, ehe ich mir die Haare zurück hinter die Ohren steckte. „Übrigens ist DAS keine Säure, sondern unsere Kohle.", fügte ich noch belehrend hinzu und schüttelte dazu unterstreichend die kleine Schale, sodass der Stoff im Inneren ein klirrendes Geräusch hinterließ.

Skeptisch beäugte sie den Inhalt des Gefäßes, ehe sie sich den weißen Laborkittel enger um die Schultern zog. „Mir ist nicht wohl dabei, Nina. Wieso können wir nicht einfach ein paar Eimer Farbe kaufen?"

Ich verdrehte nur erneut die Augen. „Ich dachte das hätten wir schon ausdiskutiert gehabt. Erst einmal ist das einfach geldsparend." Ich deutete auf die Kohle. „Wenn wir es richtig anstellen, können wir daraus eine ganze Badewanne an schwarzer Farbe gewinnen!"

Meine Freundin hob nur mit gerunzelter Stirn eine Augenbraue. „Ach, wirklich?"

...

„Ja okay, vielleicht ist das mit der Badewanne übertrieben, aber zumindest ein Pissoir!", gab ich etwas nach und wandte mich nach rechts, an der Blondine vorbei, um mit dem Schlüssel, den ich meinem Chemieprofessor mit viel Geschmeichel für diesen einen Nachmittag hatte abringen können, fachmännisch die Vitrine mit den fetten roten Warnsymbolen und orangenen Totenköpfen aufzuschließen. Ich könnte blind in die Säuresammlung greifen und würde doch sofort beim ersten Versuch die Richtige zu fassen bekommen. Deswegen glänzte auch nur wenige Sekunden später das goldbraune Glas mit dem Etikett der Salpetersäure in meiner offenen Handfläche.

Anscheinend starrte ich die Flüssigkeit einige Sekunden etwas zu obsessiv an, da mir eine gewisse Blondine, in einer geschmeidigen und seichten Bewegung, das Glas aus den Händen klaubte und vor sich auf dem Tisch platzierte. „Auch wenn ich nicht überzeugt bin, muss ich dir doch lassen, wie klug es von dir war mich einzuweihen und somit auch nicht mit dieser Macht und dem hübschen Grinsen von Gastón Perida auf dem selben Gelände alleine zu lassen."

Ich schenkte ihr nur ein schwaches Grinsen und schüttelte den Kopf. „Ich habe mehr Empathie, als du denkst. Auch wenn Gastóns Gesicht es einem schwer machen kann..." Meine Stimme versagte mitten in meinem Satz, als mir bewusst wurde, dass ich nicht einmal einen Ansatz von einem Plan hatte, wie ich ihn hätte weiterführen wollen. Ich riss mich schnell zusammen und anstatt weiter leer in die Kiste Bunsenbrenner zu starren, nahm ich einen an mich und schloss die Vitrine wieder etwas gewaltsamer als es wohl nötig war. Irgendwie löste das bedrohende Knirschen des klirrenden Glases und der veralten Holzbordüre, die sicher schon von ein paar Nagern hier und da beschädigt worden war, ein befriedigendes Gefühl in mir aus, während ich den Schlüssel wieder im Schloss herumdrehte und mich danach zu meiner Rachefreundin umwandte.

Ich konnte den Blick in ihren klaren blauen Augen nicht deuten, aber irgendwie wirkten sie verhangen und obwohl ihr Mantel ihr halbes Gesicht verdeckte, sah ich doch, wie sie nachdenklich ihre Lippen verkniff und mich musterte. Als hätte ich sie ertappt huschten ihre Augen zurück auf den spärlichen Experimentaufbau vor ihr auf der Tischplatte, während ich mich räusperte und mich wieder neben sie stellte.

Zweitens...", betonte ich meine Auflistung, die ich bereits vor einer gefühlten Ewigkeit angefangen hatte, und reichte indes Ámbar ein paar blaue Latexhandschuhe, während ich meine kleinen Hände in gelbe zwängte, „...ist unsere Naturfarbe im Gegensatz zur Baumarktfarbe kaum giftig. Die Dosis an Säure die wir hier hinzumischen, wird so extrem verdünnt, dass du sie nachher auf der Haut nicht mehr spüren kannst. Sie nitriert die Kohle."

Prince Asshole Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt