Kapitel 15 ♛ Manchmal ist Gewalt doch die Lösung.

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: Silence - Marshmello ft. Khalid

NINA
„Hey Schatz- kannst du mich sehen?...Hallo?!" Die Hand, die bis vor nicht allzu langer Zeit noch ein goldener Ehering geschmückt hatte, winkte so in die Webcam, dass mir fast schlecht wurde.

Ich rang nach Luft und zwang mich zu einem kleinen Lächeln bei dem Anblick der rostroten Haare meiner Mutter Ana, geborene Castro. „Ja, Mamá." Auch wenn mein erster Reflex war entnervt die Augen zu verdrehen, wuchs mein Lächeln doch zu einem kleinen Grinsen, als endlich ihr Gesicht in meinen Blickwinkel trat. Auch wenn sie mich immer mit Erwartungen überschüttet hatte, hatte sie mir all das gegeben was ein Kind von seiner Mutter brauchte. Einmal in meinem Leben hatte sie mir sogar zugehört und dafür, dass sie sonst die Staatsanwaltschaft in den Boden stampfte, war das echt eine Leistung für sie. Ich zuckte etwas erschrocken zurück, als ich merkte wie sich meine Finger zart und sehnsüchtig nach ihrem Gesicht auf dem Laptop ausstreckten. Es war manchmal - nein sogar oft! - kompliziert zwischen uns gewesen, aber sie war immer noch meine Mutter und irgendwo vermisste ich sie auch. Aber zurück zu ihr wollte ich unter keinen Umständen; niemals wieder zurück nach Madrid.

„Wie läufts momentan so?! Wie gehts dir?" Obwohl sie die Stirn runzelte, wusste ich, dass sie die zweite Frage nur aus Gewohnheit und Höflichkeit fragte. Sie glaubte ja fest daran, dass sie ein Gespür für meine Gefühle und mein Befinden hatte. Als sie mir das erzählt hatte, hatte sie eher auf ihr schlechtes Bauchgefühl gegenüber Xavier angespielt, weswegen ich heutzutage nur noch mit den Augen rollen konnte. „Gut und...gut.", antwortete ich schließlich nur kurzbündig, unterließ selbst allerdings die Höflichkeitsmasche, da ich eigentlich genauso sehr Small Talk hasste wie sie. Deswegen gingen mir ja auch so viele Menschen auf den Sack. Oberflächliches Gerede bei dem man nicht tiefer gehen konnte. Ich musste allerdings auch zugeben, dass ich mit den meisten nicht in die Tiefe gehen wollte. Wenn man es so sah, waren Daniela und Eric so gesehen die Einzigen, bei denen es nie zu Small Talk kam. Wobei die beiden selbst auch oft nur das Gespräch suchten, wenn sie was von mir wollten. Sie waren eine geballte Ladung an Emotionen, die mich immer wieder drohte zu überrollen, weswegen es auch manchmal gut war, dass ich Schule bis halb fünf hatte. Ich war ja mal selbst so ein Sog aus Gefühlen gewesen, der Alles in seiner Umgebung mit sich gerissen hatte. Und das wollte ich nie wieder sein.

Aber naja - Alles für die Miete. In dem Sinne war meine Mamá wie eine gute Fee. Zwar nicht vor Ort, aber immer zur Stelle, wenn ich sie brauchte. Es drückte zwar etwas in meiner Brust wenn ich daran dachte, dass ich meiner eigenen Mamá eigentlich am meisten - das größte Geheimnis von allen - verschwieg, allerdings war mir dieser Preis lieber, als dass sie mich zurück zu sich holen würde. Es lag nicht einmal an ihr, sondern ganz allein an mir. Und das war keine lahme Ausrede.

Anstatt mir weiter alltäglichen Smalltalk aufzubrummen, ging Ana Castro direkt weiter ans Eingemachte. „Ich habe ja jetzt wieder so einen Fall angenommen, den niemand machen will. Du weißt ja, ich liebe die Herausforderung." Ich lächelte unwillkürlich erneut schwach und spürte wie ich sie ein kleines bisschen mehr vermisste, als sie so passioniert begann über ihre Arbeit zu reden. Ich hatte sie in den letzten Jahren selten so glücklich und lebendig gesehen. Vielleicht war ihre Arbeit einfach der Sockel ihres Lebens, der gerade noch Alles zusammenhielt, nachdem sich ihr gewohntes Leben vor ihren eigenen Augen in Fetzen aufgelöst hatte. Sie stürzte sich komplett in ihre Arbeit hinein und tauchte nur in den seltenen Momenten auf, die sie mit mir sprach. Und wie man hörte und sah, war ihr Lieblingsthema auch außerhalb der Arbeitszeiten ihr Job als Anwältin.

„...sie will halt wegen diesem jahrelangen Missbrauch eine einstweilige Verfügung gegen ihren Ehemann erlangen. Der will sich nun nicht von ihrem Kind fernhalten und das erweist sich hier als schwierig. Er ist nicht der biologische Vater, hat sich aber rechtlich dazu anerkennen lassen. Ich hatte so einen Fall noch nie, deswegen studiere ich momentan die Unterlagen meiner alten Fälle durch, vielleicht finde ich ja was ähnliches, es ist gerade sehr anstrengend...wo ist eigentlich dein Vater?!"

Prince Asshole Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt