Kapitel 14 ♛ Lügen sind der Leim des Lebens

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: Different Kind Of Love - Shawn Mendes

NINA
Ich war mir ziemlich sicher mich noch nie so fehl an unserem Tisch in der hinterletzten Ecke der Cafeteria gefühlt zu haben, wie an diesem Donnerstag.

Als ich mich nämlich todmüde von der Schufterei letzte Nacht - in der ich wohl den genialsten Rachefeldzug aller Zeiten geschmiedet hatte! - zu Blondie und Brownie gesellte, waren beide bereits fröhlich am Plappern. Was irgendwie seltsam war, wenn man bedachte, was für Gegenpole die beiden eigentlich waren. Ámbar wirkte auf den ersten Blick eher so frostig wie ein Schneemann auf dem Nordpol, während Lunas Charakter eher ans brasilianische Karneval erinnerte. Eigentlich wusste ich gar nicht, wie ich es geschafft hatte, mit beiden befreundet zu sein.

Als ich nämlich so begann meinen Salat und Geschirr auszupacken, wurde mir mal wieder bewusst, dass mich doch eine gewisse Sache von beiden unterschied: Jungs und das Daten.

„Oh mein Gott, Simón hat mich ganz offiziell gebeten sein Date für die Veranstaltung zu sein. Aufregend, nicht?!" Unterm Tisch sah ich, wie Ámbars Bein geradezu nervös in einem ziemlich schnellen Tempo auf- und abzuckte, was bei mir nur ein Stirnrunzeln zurückließ.

Natürlich kannte ich das Gefühl. Das Verrücktspielen des Herzens, wenn man in Blickkontakt mit dieser einen bestimmten Person gerät. Die Aufgekratzheit vor dem ersten Date. Das Rauschen in den Ohren vor dem ersten Kuss und das Bauchkribbeln, wenn man danach wieder die Augen öffnet. Das Verlangen, das sich wie ein Lauffeuer im Unterleib ausbreiten sollte, sobald man bereit war sich einer anderen Person komplett und mit vollem Herzen hinzugeben.

Und gerade deswegen verstand ich Ámbar immer noch nicht ganz. Sie hatte das Alles erlebt, sie hatte all diese ersten Male hinter sich gebracht und war am Ende aufs Schändlichste hintergangen worden. Sie erinnerte mich an mich selbst, nur dass diese Gefühle für mich nicht das Risiko wert waren, das Herz gebrochen zu bekommen und in einer solchen Tiefe verletzt zu werden. Natürlich wusste ich, dass Simón ein guter Kerl war, sonst wäre ich schließlich auch nicht mit ihm befreundet. Allerdings war meiner Meinung nach Nichts für die Ewigkeit festgeschrieben. Vor allem nicht wenn man gerade einmal in der High School war. Ich hatte feste Pläne und mir würde sicher kein Junge dazwischenpfuschen. Auch kein Mann, wenn man jetzt darüber nachdachte. Meine Zukunft war komplett auf meine Karrierechancen ausgerichtet und nicht auf instabile emotionale Beziehungen. Ich hatte schon genug Menschen, die an meinen Kräfte zerrten um sich selbst über Wasser zu halten - meine Mutter, mein Vater und so ziemlich jeder, der sich in Madrid an meinem Leid gelechzt hatte. Und natürlich der neue Teufel in meinem Leben - Gastón Perida. Ich bereute nichts mehr, als das leise Bröckeln meiner Schutzwälle in seiner Gegenwart, und konnte auch nichts anderes mehr als mich geradezu obsessiv um Ámbars und meinen Plan zu kümmern. Der Plan, der für mich viel größere Bedeutung hatte, als für sie. Gastón würde schon sehen, dass es eine schnelle Nummer mit mir nicht wert war, es mit mir aufzunehmen, und würde endlich damit aufhören an mir und meinen kleinen, großen Geheimnissen zu kratzen wie ein Raubtier. Was ich am allerwenigsten gebrauchen konnte, war wirklich ein Gastón Perida, der mich schutzlos und ohne Rüstung sah. Er würde mich zertreten wie vor wenigen Wochen noch das Gänseblümchen unter seinem Schuh und das wäre mein ganz persönlicher Untergang. Dann war ich nur noch ein Nichts mit gebrochenem Ich. Jetzt wirkte ich zwar auch eher funktional als sonst irgendwas, aber ich war intakt. Ich lief und war in Ordnung und lieber war ich eine halbe Maschine als ein emotionales Wrack. Meine große Scharade würde ich vor meiner kleinen Persönlichkeit niemals wieder wie zuvor errichten können - dafür war ich zu jung und zu kaputt - und das hieß dann einfach nur noch Game Over.

Ich atmete tief durch und zwickte mir selbst mit der Gabel ins Handgelenk um mich aus meiner Melancholie zu reißen. Sich in Selbstmitleid zu baden, war so ziemlich das Erbärmlichste, was man tun konnte. Es gab nichts was mehr von Charakterschwäche zeugte und ich war nicht charakterschwach.  Zumindest war es nicht die Version der Nina, die regelmäßig diesem angeblichen Badboy die Stirn bot. Diese Nina brauchte nur ein bisschen Ruhe. Und am besten einen Knopf um Matteo Balsano im Papierkorb ihres Lebens verschwinden zu lassen. Die Energiereserven brauchten sich jedes Mal, das ich ihn sah, ein klein bisschen mehr auf und verrückterweise war das letzte Mal, bei dem ich sie je wieder auftanken konnte, in dem Moment gewesen, den ich lieber wieder ganz schnell vergessen würde - den mit Gastón in der Umkleidekabine. Es war schwerer gegen eine andere, ganze Maschine zu kämpfen, als mit einem emotionalen Wrack klarzukommen.

Prince Asshole Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt