Kapitel 6 ♛ Wenn man nur noch den Mittelfinger kontrollieren kann...

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: Something's Gotta Give - Camila Cabello

NINA
„Also ich finde es ja gut, dass du dich entschuldigen willst, Nina...", lächelte Luna mich von oben herab an, als sie mit freudigen Sprüngen die Tribüne hinaufsprintete. Mir fiel fast der Kiefer ab, als ich ihr mit einem Schnaufen folgte und mir über die verschwitzte Stirn wischte.

„Bitte?!" Geschafft ließ ich mich neben sie auf eine knarrende Bank nieder und warf sogleich meinen himmelblauen Rucksack mit den schweren Büchern neben mich. Darauf schälte ich mich auch noch aus meinem lästigen Blazer und fächelte mir darauf hilflos Luft in der Schwüle Buenos Aires' zu. Wie die Jungs in voller Montur über den Footballplatz wie Irre und voller Motivation noch rennen konnte, konnte ich mir wirklich nicht erklären.

„Naja du ja warst schon gemein zu ihm...auch als du ihn wegen mir geschlagen hast. Ich meine, er hatte ja recht."

Ich wurde aschfahl im Gesicht und gab mir alle Mühe nicht zu würgen. Ich? Gemein? Gegenüber Gastón?! Luna hatte einen Sonnenstich. Eine andere Erklärung ergab sich mir für das Mysterium nicht. Sie verteidigte ihn doch nicht gerade wirklich, oder?

„Weißt du, ich habe mir überlegt mir die Brüste vergrößern zu lassen...mein B-Körbchen ist wirklich...hässlich." Ich stockte und spürte wie meine Finger sich im Stoff meines Rockes verkrampften. Wenn ich nicht aufpasste würde schon wieder eine Nylonstrumpfhose draufgehen, wegen meiner ungezügelten Wut wenn Gastón sich irgendwie einmischte oder auch nur sein Name aufkam. Der Typ brachte mich mit seiner bloßen Anwesenheit zur Weißglut und das war gefährlich. Kontrollverlust war gefährlich. Seit meiner spanischen Xavi-Affäre war ich nicht ohne Grund ein wohlberechtigter Kontrollfreak. Gefühle waren einfach irrational und könnten mein schönes neues Leben ruinieren. Da war es egal von welcher Natur sie waren. Romantisch waren sie gegenüber Perida zumindest auf jeden Fall nicht.

Ich straffte nur die Schultern und zählte leise bis 10, während ich den Kopf eines unschuldigen Gänseblümchens fixierte, dass sich durch den Weg der schweren Betonplatten unter unseren Füßen gekämpft hatte. Dann schrie ich allerdings auch nicht wirklich sanfter keuchend: „Du brauchst doch kein Doppel D, um irgendeinen Typen zu gefallen!"

„Dein B-C-Ding würde mir doch schon reichen...", meinte sie nur ziemlich ruhig und gelassen, als würde es gerade mal darum gehen, dass sie von Erdbeermarmelade auf Kirschmarmelade umstieg und nicht um einen Eingriff in ihren Körper, der kaum für sie verkraftbar und rückgängig zu machen war.

„Also willst du eigentlich so aussehen wie ich?", murmelte ich bitter und krallte mir eine ihrer zu Tode geplätteten kastanienbraunen Strähnen - eigentlich hatte sie eine andere Nusssorte treffen wollen, aber ihr Taschengeld hatte wohl nur für die professionelle Maniküre, die Tönung und den knappesten Rock der Weltgeschichte gereicht.

„Ach Nina!" Sie lachte nur heiter und schaute mich an, als wäre ich das größte Naivchen, das ihr je über den Weg gelaufen war - obwohl das eindeutig sie hier war -, und strich sich penibel durchs Haar, sodass ich mich dazu gezwungen sah meine Splissuntersuchung auf später zu verschieben. „Nicht wie du! Nur wie ein Jungstraum!"

Das Lächeln, das sogar ihre Augen erreichte, als würde sie jedes einzelne schreckliche Wort, das sie da ausspuckte auch wirklich selbst glauben, schmerzte mich so sehr im Inneren, dass ich nur den Blick abwenden und aufs Spielfeld schauen konnte. Mein Herz würde ganz schwer vor Traurigkeit und Trägheit.
„Das ist totaler Quatsch, Luna. Du bist perfekt wie du bist..." Ich wollte meine Worte stark und überzeugt hervorbringen, wie eine emanzipierte Frau, allerdings wurde ich stattdessen absolut gegenteilig von Wort zu Wort leiser und gebrechlicher.

Irgendwie verlor ich etwas die Hoffnung in sie. Seit dem Gastón-Wahn war sie nicht mehr wirklich sie selbst. Und jetzt, wo er sie entjungfert hatte drehte sie komplett am Rad. Ich wusste nicht was ich noch sagen oder tun sollte um ihr das Gegenteil von ihrem Traummann zu beweisen. Ich wusste wie perfekt jemand für einen wirkte, wenn man sich Hals über Kopf verknallt hatte. Betonung lag hier auf das Verknalltsein, da es einfach nicht mehr als ein Schwarm war; keine Liebe, keine Versprechen und kein Bund fürs Leben. Keine Zukunft. Ich selbst hatte auf die Schnauze fallen müssen, um diesen Unterschied zu erkennen. Mich schmerzte es einfach nur zu wissen, dass Luna anscheinend genauso sturköpfig und dumm wie ich war, um nicht auf die Worte einer geliebten Person hören zu können. Deswegen war Kontrolle so wichtig - sie war extrem wichtig um sich selbst und seine Geliebten schützen zu können. Und ich verlor sie gegen meinen Willen. An Gastón Perida, den scheinheiligen Prinzen; das eigentliche Arschloch.

Prince Asshole Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt