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Nerias Sicht

Hi. Wahrscheinlich verstehen mich die meisten nicht. Wahrscheinlich wissen sie einfach nur nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Um ehrlich zu sein weiß ich es selbst nicht. Es ist einfach nur so über mich gekommen. Würde er sie erkennen? Würde er wissen, dass sie nicht ich bin? Habe ich sie damit in Probleme gebracht? Ich hoffte nicht. Doch dies konnte ich nicht versichern. Vielleicht würde ich es nie können. Wenn sie nur etwas verbricht, muss ich dafür haften, andersherum genauso. Aber es ist schon verblüffend, dass wir uns scheinbar so ähnlich sehen. Dennoch sagt etwas in mir, dass er sie erkennen würde. Es reicht nur eine Tatsache, um sich bewusst zu werden, dass wir uns nicht ähnlich sehen. Dass wir nicht die ein und die selbe Person sind. Aber es bringt mir ja auch nichts, sich jetzt darüber Gedanken zu machen. Ich musste die Rolle spielen. Zumindest diesen einen Tag. Für diesen einen Tag, war ich sie. Ich bin sie. Vielleicht nur heute, aber dennoch. Ein zufriedenes Lächeln huscht mir übers Gesicht. Gedankenverloren schnippel ich die Rohkost und summe währenddessen ein Lied vor mir hin. Ein Lied, in dem es um mein Leben geht. Davon, wie ich auf die Welt kam, wie sich meine Mutter durchschlug, was ich früher immer machen musste, was ich tat, wenn ich alleine war, wie meine Mutter trauerte, ohne dass ich wusste worum. Doch ich akzeptierte es. Ich machte meine eigenen Sachen. Irgendwann fing ich an, verschiedene Instrumente zu spielen. Ich spielte Rollen, weil ich Lust drauf hatte, dennoch tat ich auch das, was ich machen musste. Ich war es gewohnt den Haushalt zu machen, dennoch war mein innerlichster Traum gewesen, irgendwann mal hier aufs Schloss zu gehen. Alleine schon wegen den Geschichten, die meine Mutter erzählte, wenn sie etwas erzählte. Wenn sie etwas davon erzählte. Angeblich hätte sie mal im Schloss gelebt. Sie hat mir viel darüber erzählt und auch über ihre Freundin. Sie meinte, es sei alles für sie gewesen, bis es nicht mehr sicher war. Was genau da passiert ist, weiß ich auch nicht mehr. Ich habe absolut keine Ahnung von. Sie erzählte mir, wie sie teilweise durch den Wald rannte. Ihre Knie aufgekratzt, ihre Kehle ausgetrocknet und dennoch hat sie es irgendwie geschafft. Sie hat überlebt. Dafür bewundere ich sie. Ich selbst wüsste nicht, ob ich es schaffen könnte, es geschafft hätte oder nicht vielleicht doch irgendwann mal aufgegeben hätte. Vielleicht war sie so Anfang zwanzig gewesen, als das alles passierte. Sie erzählte mir von einen Pferd, dass sie so gut wie immer ritt. Das Pferd, welches sie liebte. Was so gut wie ihr gehörte, sie es jedoch verlor. Warum wusste ich selbst nicht. Sie erzählte immer nur die guten Sachen, nur die guten Erinnerungen hier an Schloss. Aber hier zu sein, fühlte sich so real an. Es machte alles realer. All ihre Geschichten. Sie kümmerte sich um die Pferde, dies war ihr Job. Früher ritt sie auch oft mit dem König aus. Sie verstanden sich blenden. Die jetzige Königin war einst ihre beste Freundin gewesen. Bis heute weiß ich dennoch nicht, was geschehen ist, warum all dies auseinander ging. Was es zerstörte. Nie wollte ich jedoch nachhacken. Wenn sie es mir erzählt, dann weil sie es will, von sich aus, nicht weil ich sie dazu zwinge. Aber darüber konnte ich jetzt auch nicht nachdenken. Irgendwie musste ich in den Stall gelangen. Musste in den Stall gelangen, um nach den Pferden zu sehen, mich weiter in meine Zeichnungen zu vertiefen. Auch wenn sie nicht unbedingt gut sind. All ihre Namen, Eigenschaften, alles Mögliche zu ihnen auswendig lernen. In meinen Kopf behalten, sie studieren. Etwas brauchte ich. Was bekamen die Pferde eigentlich zu essen? Wie kann ich mich zu ihnen einschleichen, einfach um mal Zeit bei ihnen zu verbringen, ohne dass mich gleich jemand dabei stört? 
"Wie lange machst du das jetzt schon?", unterbricht jemand meine Gedanken. Wer ist es nochmal? Verdammt, warum habe ich an so etwas nicht gedacht? Warum habe ich mich nicht darüber informiert wie sie heißen?  Sowas kann aber auch nur mir passieren. Ich setze mein freundlichstes Lächeln auf und erwiderte: "Keine Ahnung, lange? So genau weiß ich es gar nicht." Als sie sich wieder jemand anderen zu wendet, atme ich erleichtert auf. Wie hält Sjella es eigentlich den ganzen Tag aus? Wie kriegt sie das hin? Wie hat sie die Ausdauer dazu?Aber egal, ich muss mich auf etwas konzentrieren. Mit einen tiefen Schnitt, schnitt ich die Tomate durch. Ihr Saft spritz mir entgegen. Schnell ducke ich mich weg. Die anderen lachen teils. Kopfschüttelnd widme ich mich wieder dem Schneiden. Versenke das Messer wieder tief. Diesmal nur in einen Apfel. Als ich das Geräusch höre, atme ich auf. Alles wird gut. Alles ist gut. Irgendwie war es beruhigend. Es ist beruhigend. Anti Aggressionen. Diese Wirkung ist gut. Wieder sehe ich die Bilder vor mir. Die Bilder, als ich oben in meiner Diele hockte und allen zu hörte. Beobachtete, wie meine Mutter weinte, es nicht verstand. Augenblicklich denke ich an dem Tag, an dem alles vorbei war. An den Tag, als sie versuchte, alles zu vergessen, mit den Sachen abzuschließen, es war der Tag, an dem sie begann, mir irgendwas von ihren früheren Leben zu erzählen. Soweit ich weiß, hat sie zu kaum einen aus ihrer Verwandschaft noch Kontakt. Irgendwie traurig. Wahrscheinlich ist es viel zu riskant. Sie vergaß wie sie hieß, wer sie war. Keine Ahnung ob ich die Fähigkeit zu hätte, aber wahrscheinlich musste sie es. Schmerzhaft musste ich an Worte denken die sie sagte. Worte, die mich erfüllten, mich dazu gebracht hatten zu weinen. All ihre Trauer, all ihre Gefühle, es war einfach viel zu überwältigend gewesen. Viel zu. Dunkel erinnere mich an ein paar Sachen. Details die sie mir erzählte, so komisch sie auch waren. Doch irgendwas irritierte mich, früher wenn ich traurig war, sagte sie immer: "Vergiss nicht, du bist nicht allen. Du bist nicht die einzige Person. Es gibt noch jemand, der so ist wie du. Sei nicht traurig, danke für das, was du hast." seit dem einen Tag hingegen, sagte sie nichts mehr dazu. Sie sagte es nicht mehr. 

SoleilielosWhere stories live. Discover now