Kapitel 13

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Neria

Ich blicke verstohlen in die Gegend. Noch sehe ich niemanden. Noch. Langsam schleiche ich weiter. Nicht, dass es verboten sei, ich will einfach nur meine Ruhe haben. Immer wieder blicke ich mich um, bis ich irgendwann vor dem Gebäude stehe. Bewundernd sehe ich den Stall an. Er ist anders, als ich ihn mir immer vorgestellt habe. Er ist einfach nur überwältigend. Vorsichtig öffne ich die Tür und betrete die Stallgasse. Helles, klares Licht strömt mir entgegen. Den ganzen Stall, all die Boxen, beleuchtet es. Einen Moment brauche ich, um mich an das Licht zu gewöhnen. Klar, es ist draußen auch nicht dunkel, aber dennoch. Diese Wärme die auch noch dazu fliest, gibt mir gleich ein vollkommen anderes Gefühl. Edle Boxen, an denen ich vorbei laufe, reihen sich aneinander. Schließlich komme ich zum Mittelpunkt des Stalls. Nach oben führt eine Leiter, aus wahrscheinlich massiven Holz.  In der Ecke ist eine Sitzmöglichkeit. Von hieraus kannst du alle Möglichen Boxen betrachten. Wahrscheinlich sind die meisten Pferde, auf der Weide, die in weniger Entfernung von hier liegen soll. Man kann sowohl geradeaus gehen, als auch nach links und rechts abbiegen. Das Zentrum des Stalles ist in jeden Fall bestaunender, als man vielleicht zu denken vermutet. Anscheinend ist gerade niemand da. Nach einer Weile beschließe ich, noch etwas rumzulaufen, in der Stallgasse. Alle Möglichen Wege zu erkunden. Irgendwie gelange ich in einen Teil, der scheinbar nicht mehr so oft betreten wird. In einen anderen Trakt des Stalls. Zwar sind die Boxen auch beleuchtet, aber anstatt der weißen Boxen, sind diese braun. Aber auch in einem edlen braun. Jedoch sieht es so aus, als hätte man die Boxen seit Ewigkeiten nicht mehr gestrichen. Aus der hinteren Box vernehme ich ein leichtes, leises Wiehern. Damit, dass hier noch aktiv Pferde stehen, hätte ich nicht gerechnet. Also laufe ich zur Box, aus der ich das Wiehern vernehme. Ein Pferd, welches weiß ist, so weiß, wie man nur weiß sein kann, steht vor mir. In einem glänzenden weiß. Dennoch hat sie ein paar schwarze Strähnen in dem Schweif. Außerdem ist an ihren einen Bein auch ein schwarzer Fleck zu vernehmen. Meine Hände lasse ich über sie gleiten. So als wären wir schon ewig vertraute, lässt sie ihren Kopf zwischen meinen Händen nieder. Sie kaut und schließt ihre Augen. Im Allgemeinen wirkt sie mir sehr vertraut. Plötzlich vernehme ich ein Geräusch und drehe mich um. Adrenalin durchströmt ich, als ich erkenne, dass hinter mir eine Person steht. Diese macht jedoch nicht den Anschein, als mache ich irgendwas verbotenes. Doch näher konnte ich die Person nicht erkennen. Leise schnaubt die Stute hinter mir. Leicht drehe ich mich zu ihr, streichle ihr über den Kopf, wende mich dann aber wieder der Person zu. Noch weiß ich nicht, was ich sagen soll. Alleine die Tatsache, dass jemand außer mir hier ist, ist zuviel für mich. "Hallo", sagt die Person nur. Die Stimme reißt mich zurück auf den Boden der Tatsachen. "Hallo", erwidere ich leicht panisch, "wie heißt du?" Leise lachend wendete er sich wieder mir zu. "Wie du gleich davon ausgehst, dass du mich duzen darfst." Warum sollte ich es nicht? Soll ich es nicht? "Nun ja. Immerhin hast du Hallo gesagt. Dürfte ich dich nicht duzen, hättest du etwas anderes gesagt." "Dann möge ich mal so gnädig sein", meint er, "und dir weiterhin erlauben mich zu duzen." "Meine Frage ist dennoch nicht geklärt", werfe ich schnell ein. "Wie ich heiße? Mein Name ist Luis. Luis Sol." Sol. Luis Sol. wie das klingt. "Schöner Name." "Dennoch weiß ich nicht,  mit wem ich es zutun habe, Mylady." "Neria." Wie mein Name im Vergleich zu seinen klingt. "Okay, Air. Du hast doch nichts dagegen, wenn ich dich so nenne oder etwa doch?" "Natürlich nicht." Ein Lächeln huscht mir übers Gesicht. Wenn ich ihn doch nur sehen könnte. Wenn er nur einen einzigen Schritt näher tritt. "Das ist gut. Sehr gut sogar." Seinen Gesichtsausdruck kann ich nur erahnen. "Wie ich sehe hast du mit Eil schon Bekanntschaft gemacht." Eil? So heißt die Stute? Als ich ihr einen Blick zu werfe, macht sie so eine Kopfbewegung, als würde sie nicken. Lachend wende ich mich ihr vollkommen zu und streiche ihr übers Gesicht. Mein Blick fällt auf die Boxentür, die verschlossen ist. Wie auch sie, schließe ich meine Augen und atme tief ein und aus. Für diesen einen Moment wende ich mich ihr vollkommen zu. Vergesse alles um mich. Fühle sie. Ich spüre, wie sie atmet, ich spüre, wie ihr Herz schlägt. Für diesen einen Moment sind wir eins. Dann muss ich wieder an die Worte meiner Mutter denken. Sie ist wunderschön. Sie war wunderschön. Kaum einer verstand was ich an ihr fand. Nur durch mich hat sie so lange durchgehalten. Niemand verstand meine Wertschätzung gegenüber ihr. Für den Wettkampf ist sie ungeeignet, was nicht heißt, dass sie nicht gut drinnen sei. Doch so wenig man es auch denkt, sie weigert sich gegen jeden. Jedes Pferd konnte ich haben, aber ich wollte nur sie. Vielleicht wirst du mich irgendwann verstehen. Dass was ich für dieses Pferd empfand war mehr, als alles andere. Also gab ich ihr all meine Liebe und sie ließ mich an sich ran. Manchmal frage ich mich, was aus ihr geworden ist. Es war mein größter Verlust. Doch dann hörte ich, dass sie ein Fohlen bekam. Dies machte mich überglücklich. Es wurde weggegeben. Kam woanders hin, war nicht mehr im Schloss. Doch ich habe es schon mal gesehen." Mittlerweile muss es neun sein, wenn ich richtig rechne. Also war ich acht, als es auf die Welt kam.  Doch dies war nicht unbedingt wichtig. Eigentlich gar nicht. Was sie sagte, fühlte ich. Diese Einheit. Diese Einheit zwischen dem Pferd und einem selbst. Diese Liebe. Liebe gebunden mit Vertrautheit. Bedingungslose Liebe. Das was das Ziel ein jeder Beziehung ist. Hände spürte ich, Arme die sich um mich legen, bis Luis komplett neben mich tretet, seine Handgelenke neben meinen auf die Box gestützt. Vollkommen fasziniert betrachtet er uns. Also mich und Eil. Soll ich? Soll ich nicht? Ein Blick kann nicht schaden. Zudem will ich auch wissen, wie er aussieht.  Leicht gelockte, blonde Haare fallen ihm ins Gesicht. Golden lässt die Sonne, die Haare aufleuchten. Dunkelgrüne Augen strahlen, funkeln und leuchten in seinen Gesicht auf. Stundenlang könnte ich ihn so ansehen. Stunden, die wahrscheinlich viel zu schnell vorbei sind. Stunden die ich nicht habe. Stunden, die ich aber gerne hätte. Aus welchem Grund auch immer. Aus welcher Verrücktheit auch immer. Wie als habe er meinen Blick gespürt, dreht er seinen Kopf zu mir und lächelt mich an. Sein Lächeln strahlt nur so. Es erfüllt mich voller Wärme. "Also", begingt er, "bist  du eine der Ladys?" Sein Blick ist voller neugier. Sein Alter kann ich schlecht schätzen, dennoch kann er kaum älter sein als ich. Aber jünger eigentlich auch nicht. "Ja." Auf einmal fühlte ich eine Trauer in mir. Nicht das ich um jemand trauere, eher, dass ich um etwas trauere. Etwas was ich noch nicht kenne und vielleicht auch nie kennen werde. Tränen steigen mir in die Augen. Sein Gesicht sieht auch so aus, wie als hätte ihn etwas zerschmettert. So als habe er auf etwas Hoffnung gesetzt, auf das keine Hoffnung zu setzen ist. Alle Gefühle nehme ich deutlicher wahr. Vorsichtig wende ich mich ab und stürme raus. Stürme heraus aus dem Stall, auf der Suche nach einem geeigneten Ort. Tränen überströmen mein Gesicht, noch ehe ich irgendwo ankomme. Noch ehe, dass ich etwas anderes tun kann. Rennen ist das einzige was ich gerade kann und weinen, für alles andere bin ich momentan nicht fähig. Nicht mal zum denken. 

SoleilielosWhere stories live. Discover now