4. Ein Geheimnis für zwei

132 16 29
                                    

Fast schon überrascht steigt Nanette ins Auto und dreht sich direkt zu Marie um, um sie mit einer liebevollen Umarmung zu begrüßen. "Marie! Schön dich wiederzusehen. Mama hat mir schon angedeutet, dass du kommen wirst. Wie war deine Reise? Bist wahrscheinlich sehr müde nicht wahr?" Nanette sieht dabei ihre Cousine neugierig an und greift nach dem Anschnallgurt. Marie schüttelt lächelnd und überwältigt den Kopf und erzählt erneut, was sie Rosie schon beim Kakao erzählt hatte. Ihre Cousine hört ihr gebannt zu und wirft immer wieder liebevolle Kommentare ein. Rosie startet währenddessen den Motor und zusammen machen sie sich auf den Weg.

Nicht weit weg von der Wohnung fällt der Dreizehnjährigen etwas Wichtiges ein, worüber sie schon seit mehreren Nächten nachdachte. „Ich hab was, was ich dir unbedingt zeigen möchte. Willst du es sehen?" Marie nickt aufgeregt und schenkt Nanette ein breites Grinsen. „Ja klar! Was ist es denn?" Ihre Cousine lächelt ebenfalls und legt ihren Zeigefinger auf die Lippen. „Das ist mein kleines Geheimnis, aber ich verspreche dir, dass es super schön ist und es dir sicherlich gefallen wird." Mit diesen Worten halten sie vor der Wohnung an und Nanette öffnet Marie sowohl ihren Gurt, als auch die Tür. Hand in Hand laufen sie direkt in das bunte Zimmer, wo Marie sich auf ihre Matratze setzt und ihre Cousine ein bisschen peinlich berührt versucht, ein gewisses Etwas auf ihrem Schreibtisch zu finden. Triumphierend zieht sie es unter einem Stapel Papiere heraus.

„Ich hab es! Schau mal Marie." Sie legt ihr vorsichtig das Zeichenbuch in den Schoß und setzt sich neben sie. Mit den Rücken angelehnt, machen sie es sich gemütlich, bevor Marie total hibbelig das Buch öffnet. „Du hattest Recht! Es ist wirklich schön." Ihre Augen weiten sich. „Hast du das etwa gemalt?", fragt sie erstaunt und fährt mit ihren kleineren Fingern über die geschwungenen Linien. Vor ihr eröffnet sich eine neue Welt mit Tieren, die sie noch nie gesehen hatte, und Natur soweit das Auge reichte. Nanette lacht auf und schüttelt den Kopf. 

„Hab ich nicht, aber ich hab einen Freund, Calen, der mir das alles gezeichnet hat." Sie blättert weiter und deutet auf zwei Menschen. „Schau... Das sind Hexen, die sich um die Natur kümmern und die Tiere heilen, wenn sie sich verletzen. Das können sie, weil sie magische Fähigkeiten haben. Und sie sind echt, auch wenn du es mir jetzt nicht glauben magst. Ist das nicht cool?" Nanette zwinkerte ihr zu und blättert erneut um. 

Marie kichert und zeigt auf das Bild. „Die eine sieht ja aus wie du und wer ist der Junge daneben?!" Ihre Cousine schaut verlegen weg. Auf dem Bild sind nämlich sie und Calen unter einem großen Baum zu sehen. „Das ist ein Junge, den ich ganz gern habe." 

Marie nickt nur und kramt nach Kratz. „So gern, wie ich Kratz gern habe? Denn ich habe Kratz sehr, sehr lieb!" Nanette nickt ihr zu und lächelt verschmitzt. 

Die beiden schauen weiter ins Buch und sehen sich noch die vielen folgenden Bilder an. Jedenfalls tat Marie das, bevor ihre Cousine in Gedanken versank. So merkte diese auch nicht, dass die Müdigkeit doch über Marie hereinfällt und diese langsam aber glücklich einschläft. Erst als Rosie die beiden zum Essen ruft, zucken die beiden zusammen. Sie sehen sich fragend an und lachen dann doch auf, als sie merken, wie sie doch die Zeit vergessen haben und es draußen schon dunkel wurde.

 „Jetzt haben wir ja doch nicht alle Zeichnungen gesehen", murmelt Marie enttäuscht, worauf Nanette ihr tröstend die Hand auf die Schulter legt. 

„Macht nichts. Wir haben heute Abend noch Zeit und es ist auch nicht das einzige Geheimnis, das ich dir anvertrauen möchte." Somit machen sich die Mädels auf dem Weg in die Küche, wo ein himmlischer Duft sie einlud sich hinzusetzen. 

„Es gibt Lasagne und zum Dessert hab ich euch euren Lieblingsnachtisch gemacht." Beide jubeln auf und hauen auch schon richtig rein. 

Total satt legt sich Marie an dem Abend auf ihre Matratze und lässt den Tag nochmal in Revue passieren. Ihre Hand streift das Leder des Zeichenbuchs und sie kann es nicht verhindern, dass sich ein verträumtes Lächeln auf ihren Lippen ausbreitet. Wie schön es doch wäre, wenn das alles real wäre. Ein Rütteln stört ihren Schlaf. „Marie, wach auf. Du willst doch das Geheimnis sehen", flüstert Nanette und rüttelt erneut an ihr. Diese reibt verwirrt ihre Augen und sieht ihre Cousine ermüdet an. Die Uhr verrät ihr, dass sie kurz nach Mitternacht hatten und es keinen guten Grund geben könnte jetzt aufzustehen. Dachte sie jedenfalls. Nanette zieht sie ohne zu zögern auf die Beine und holt einen roten Fächer auf ihrer Schublade. 

„Los wir müssen uns beeilen. Calen wartet schon." Sie ergreift die Hand des jüngeren Mädchens und schleicht mit ihr in den Keller. Marie zittert aus Nervosität, bleibt aber dich hinter der Älteren und lässt sich mitziehen. Am Ziel erreicht, stehen die beiden in einem leeren weißen Raum. „Was ist denn hier?" Marie drückt Nanettes Hand als Zeichen ihrer Unsicherheit und als sie sich schon fast umdrehen will, erscheint ein Bilderrahmen. Inmitten dessen war eine kleine helle Lichtung zu sehen und in der Mitte saß ein Junge. Er zeichnete. Wortwörtlich, denn er bewegte sich und Marie könnte es einfach nicht glauben. „Das, Marie, ist mein kleines Geheimnis. Aber jetzt... ist es auch deins..."

Lass uns Geschichte schreibenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt