Saftladen

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Elli stieg aus dem Wagen, als Steven gerade damit beschäftigt war, seine Zigarette auf dem Boden auszutreten.
Seine Blicke schweiften in ihre Richtung.
"Elli?", fragte er zaghaft, denn er schien sie nicht zu erkennen, was der Dunkelheit geschuldet war.
Sie lief ein paar Meter vor, wo sie in den Schein einer Straßenlaterne kam.
"Ja, ich bin's...", sagte sie leise und Steven schien nicht zu wissen, was er tun soll. Weg rennen? Auf ein Gespräch einlassen? Er schien restlos überfordert.

"Steven, du kannst nicht einfach gehen...", meinte Elli.

"Was soll ich denn sonst, deiner Meinung nach tun? Ich merke doch, dass ich euch allen ein Klotz am Bein bin und nur Stress rein bringe..."

"Erzähl doch nicht sowas... Du bist nur zur Zeit etwas vernarrt und schaffst es nicht mit mir abzuschließen...
Wo ist der Steven hin, den ich damals als Kumpel hatte? Irgendwie ist der Weg... Du warst zwar schon immer so verbissen, aber du hast sich auch immer damit abgefunden, als mal etwas nicht geklappt hat. Du warst offen, konntest jeden leiden und nun springst du Lukas, ohne ersichtlichen Grund an. Man hatte immer Spaß mit dir und heute muss man aufpassen, was man sagt, dass du es nicht falsch verstehst... Du hast dich so geändert..."

Elli begann zu weinen und Steven dachte auch über alles nach, was sie sagte. Man sah, dass auch seine Augen feucht wurden, doch weinen war in seinen Augen nur was für Mädchen. Ein schrecklicher Macho, war er geworden. Doch anstatt einzulenken, bei dem Anblick von seiner ehemals besten Freundin, machte er nun auch Elli Vorwürfe.

"Meinst du, du bist genauso wie früher? Du hast dich genauso verändert. Wo ist das Mädchen hin, was zu mir aufgeblickt hat? Die Poké Elli, die mir jeden Tag in der Schule mit irgendwelchen Sprüchen versüßt hat? Heute trittst du mir in die Eier und liebst einen anderen. Und bitte Streit es nicht ab, selbst ein blinder sieht, dass du etwas mit Lukas am laufen hast... Ein bisschen mehr Ehrlichkeit, könntest du ruhig an den Tag legen."

Elli schluckte laut. Waren sie als Pärchen doch so auffällig? Er wusste es, oder ahnte es zumindest. Was sollte sie jetzt dazu sagen? Mit tränengefüllten Augen sagte sie ihm nun alles, was passiert war.

"Ja... Okay... Du hast Recht... Mit Lukas läuft was. Es bringt ja nix mehr, es zu verheimlichen... Alles begann, als ich mit ihm im Krankenhaus war, er war so liebevoll zu den Kindern, also konnte er nicht das Arschloch von dem Konzert sein. Dann haben wir uns öfter getroffen deswegen und dann ist es halt irgendwann passiert. Aber ganz ehrlich... Dein ständiges gebagger, es hat mich so genervt. Diese blöden Anmachsprüche... Als wir zusammen um die Häuser gezogen sind, warst du plötzlich wieder ganz anders. Vielleicht lag es daran, dass wir alleine waren. Vielleicht musst du mit deinen Anmachsprüchen auch immer nur vor den Jungs angeben. Selbst Tim und Basti waren deine Sprüche peinlich..."

Steven konnte seine Tränen nun auch nicht mehr für sich behalten. Er wusste, dass er selber dran Schuld war. Doch viel schlimmer war die Auskunft, dass Elli wirklich was mit Lukas hat. Es war definitiv nicht der richtige Ort, ihm alles zu sagen. Eine Autobahn bot zu viele Möglichkeiten, scheiße zu bauen, wenn man so emotional bedrückt ist. Elli versuchte die Situation runter zu spielen...

"Ich will dich doch als meinen besten Freund behalten. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo wir über alles, was hier ablief lachen. Sieh es doch mal so... Eine Freundschaft ist viel mehr wert, als eine Beziehung. Wenn die Beziehung einmal zu Bruch gehen sollte, ist das einzige was bleibt Freundschaften. Eine Beziehung geht in die Brüche und damit meistens auch das Verhältnis zu dem Partner."

"Ich glaube nicht, dass wir irgendwann darüber lachen...
Ich brauche nun Zeit für mich, um alles zu verarbeiten."

Steven stieß sie weg und stieg in sein Auto. Mit quitschenden Reifen verließ er den Parkplatz.
Elli hatte keine Möglichkeit, ihm hinterher zu fahren, denn die Tankfüllung neigte sich dem Ende.
Er musste jetzt selber mit sich klar kommen. Wie sollte Elli das nur den anderen erklären? Wiederum, wäre Steven so oder so abgehauen. Doch hatte sie es mit der Wahrheit nicht noch schlimmer gemacht?
Sie setzte sich in Lukas' Auto und ließ ihren Tränen freien Lauf. Sie wusste, dass sie nun ihren besten Freund gänzlich verloren hatte und wahrscheinlich Trailerpark auch ein Mitglied. Ob ihr das die anderen je verzeihen könnten?

Doch nun stellte sich auch direkt die nächste Frage: Wie sollte sie überhaupt wieder zu den anderen kommen? Ohne Geld saß sie auf einen Rastplatz und der Tank des Autos war leer. Sie würde es bestimmt noch zur nächsten Tankstelle schaffen, doch dann?
Außerdem sah sie wieder geschossen aus. Ein Schlafshirt, mir einer großen Ente darauf und eine grausame schwarze Jogginghose, die sie sich schnell anzog, zierten ihren Körper.
Kein Handy, kein Geld, kein nichts. Doch es musste irgendwie weiter gehen...
Elli wühlte immer noch total aufgelöst in dem Auto herum und endlich kam Hilfe. Ein Zettel mit Tim's neuer Handynummer tauchte in den Tiefen des Handschuhfachs auf. Für einen Moment atmete Elli tief durch und war froh, wenigstens etwas gefunden zu haben. Jetzt musste sie nur noch jemanden finden, bei dem sie telefonieren konnte.
Sie musste jetzt aufhören zu weinen und einen kalten Kopf bekommen. Sie starrte über den Parkplatz und neben ein paar LKW's mit polnischen Kennzeichen, war gar keiner da. Selbst die Fahrer, holten sich den Schlaf, den sich sich verdient hatten.
Elli schaltete den Motor ein, es war noch eine Reichweite von 18 Kilometern und die Tankstelle war zehn entfernt.
Sie musste es riskieren. Normalerweise müsste es passen, wenn sie langsam fahren würde.
Kaum hatte sie den Rückwärtsgang eingelegt, sank die Anzeige auf 15 Kilometer. Es wurde immer knapper, doch sie musste hier weg. Nicht nur weil keiner da war, sondern auch, weil sie der Parkplatz gruselte. Es war dunkel und dreckig.
Elli hasste es, mit so wenig Sprit unterwegs zu sein, doch da musste sie durch.
Sie hatte es geschafft, einen kühlen Kopf zu bekommen und sicher auf die Autobahn einzufahren.
Sie setzte sich hinter einen LKW und fuhr gemeinsam mit ihm, die 80 km/h, die er fahren durfte. Windschatten, nicht gerade das schlechteste...
Trotzdem sank die Anzeige immer mehr. Alles piepste und blinkte rot. Es war Psychoterror.
Doch endlich kam das Ausfahrtsschild auf die sehnlichst erwartete Tankstelle. Sie setzte den Blinker nach rechts und blieb direkt am Rand, vor den Zapfsäulen stehen.
Sie atmete laut aus und grinste, endlich hatte einmal was geklappt und das alles mit noch sieben Kilometer Rest.
Nun würde bestimmt wieder alles gut werden.
Mit der Handynummer in der Hand, schlenderte sie in ihrem heißen Outfit Richtung Tankstelle.

"Hallo, ich müsste Mal bitte telefonieren, könnte ich bitte ihr Telefon benutzen?", fragte Elli den jungen Verkäufer.
"Nein, tut mir leid, aber da hinten sind Münztelefone...", meinte er kalt.
Elli traute ihren Ohren nicht. Die ganze Situation, die vorgefallen war und nun noch das. Alles das, kochte eine Mischung aus Hass und Verzweiflung in ihr hoch:
"Jetzt passen sie mal auf... Ich habe meinen besten Freund verloren, kein Handy oder Geld dabei. Da draußen habe ich ein Auto, was mir nicht gehört und das ohne viel Benzin und nun wollen sie mich nicht telefonieren lassen? Toller Kundenservice!", schrie sie den Mitarbeiter an und dieser zuckte nur mit den Schultern.
"Saftladen!", schrie Elli beim Verlassen noch einmal quer durch den Shop.
Wie sollte es nun weiter gehen?

Teufelskreis 3 (Alligatoah FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt