Rosa Rock

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"Schildkrötchen, was war das denn?", fragte Lukas seine Freundin auf dem Weg zurück ins Hotel. Er schien geschockt, wie schnell Elli die Fassung verlieren würde. Irgendwie war er froh, dass es noch nie gegenüber ihm passiert war.
"Ach mich nervt das tierisch. Man sieht sich nach Monaten wieder und dann soll alles wieder heile Welt sein? Tut mir leid, dass schaffe ich nicht. Und mir ihrem blöden Weihnachten nervt sie schon seit Jahren. Was meinst du, wieso ich Heilig Abend immer arbeiten war? Weil ich das alles nicht aushalte. Es ist jedes Jahr der selbe scheiß und ich hab da echt keine Lust drauf..."

"Was ist denn Heilig Abend? Kann doch nicht so schlimm sein."

"Oh doch, dann warst du noch nicht im Hause Schmitz..."

"Nun lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, was geht denn ab?"

"Ach das fängt schon früh an. Da muss mein Vater immer die Weihnachtskugeln vom Dachboden holen, weil der Weihnachtsbaum erst am 24. Dezember geschmückt wird. So sagt es das ungeschriebene Gesetz meiner Mutter. Meistens holt er aber nicht die Farbkombination, die sie gerne hätte, die allerdings jedes Jahr wechselt. Da bekommt sie schon den ersten Herzinfarkt.
Meistens geht es dann weiter mit Boden wischen. Und wehe nur einer rennt über den leicht feuchten Boden und es entstehen Fußstapfen - dann Gnade dir Gott. Als ob einer von uns auf dem scheiß Boden achtet, ob da ein kleiner Fleck ist oder nicht. Ich könnte dir tausende Gründe sagen, aber es würde nicht besser werden. Weihnachten ist der vorprogrammierte Streit Tag. Ist doch kein Wunder, wenn ich darauf keine Lust habe..."

"Ich verstehe garnicht was du hast... Klingt doch nach entspannten Festtagen...", sagte Lukas, wieder mit seinem typisch ironischen Unterton.

Elli schaute ihn an und musste grinsen. Mittlerweile kam sie mit seiner sarkastischen Art zurecht und er brachte sie immer wieder zum lachen.
"Meinst du die kommen nachher noch zum Konzert?", fragte Lukas und Elli nickte nur.

"Natürlich kommen die. Was denkst du was die für einen Schock bekommen, wenn die Tim und Basti kennenlernen. Irgendwie freue ich mich auch, wenn sie langsam realisieren, dass ihr kleines Mädchen, nicht mehr im rosa Rock durch den Garten rennt, sondern nun erwachsen ist und mit Bad Boys zu tun hat."

"Du im rosa Rock?", lachte Lukas laut.

"Ja na klar, auch ich war Mal ein normales Mädchen, was gern Mal ein Kleidchen trug."

Lukas bekam sich garnicht mehr ein vor lachen. Zwar war Elli nun auch noch weiblich angezogen, doch im Rock oder gar Kleid, konnte er sich seine Freundin nicht vorstellen. Hosen und Hoodies gehörten einfach zu ihr, wie die Farbe gelb zu einer Sonnenblume.

"Ja, ja lach Mal... Irgendwann siehst du mich mal in einem Kleid...", sagte Elli frech grinsend.

"Uhhh meine Prinzessin bildet sich wirklich ein, dass ich sie irgendwann Mal heirate oder wie soll ich mir deine Ansage vorstellen?"

"Denk dir doch dabei, was du willst...", grinste ihn Elli an und beide konnten es nicht lassen, sich gegenseitig zu dissen.

"Achso naja dann denke ich mir wohl, dass ich dann der Kapellmeister bei deiner Hochzeit bin, wenn du deinen Mister Perfect gefunden hast..."

"Herzlichen Glückwunsch, damit hat du vollkommen Recht!", sagte Elli und lachte ihm entgegen.

Mit einem beherzten Griff, kniff Lukas seiner Freundin in den Po und rannte vorraus. Elli riss geschockt den Mund auf und rannte hinterher.
Bis hin zum Hotel, jagten sich die beiden quer durch die Straßen Magdeburgs, wie zwei kleine Kinder. Innerlich waren es die beiden ja auch noch. Wobei, wer ist mit 23 beziehungsweise 24 Jahren auch schon vollkommen erwachsen? Wahrscheinlich niemand.

Im Hotel angekommen und von dem Rennen ausgepowert, konnten sich beide allerdings keine Auszeit gönnen, denn schnell mussten sie ihre Sachen zusammenpacken und wieder im Bus verstauen, der sie bald zum nächsten Konzert kutschieren würde. Dann hieß es wieder vier Tage lang leben im Bus, doch Elli hatte nix dagegen, denn mittlerweile hatte sie viele Themen, die sie gerne mit Peter bequatschte. Das Nightliner Leben war nicht das schlechteste, auch wenn es nicht gerade Elli's Fall war, jeden Tag zu überlegen, wie wohl die nächste Dusche in den Locations aussehen würde. Bei Toiletten war sie ja ekelfrei, doch bei Duschen, zog sie eine Grenze. Bisher hatte sie relativ Glück, doch wer weiß, ob dass so bleiben würde.
Viel ins Schwitzen kam sie eh nicht, sodass sie durchaus auch Mal einen Tag auf das frische Nass von oben verzichten konnte.
In ein paar Tagen waren sie eh wieder zu Hause, wo ihre geliebte Badewanne auf sie wartete.

Der Bus war beladen und die wilde Fahrt ging los. Für die Strecke von zehn Minuten, brauchten sie locker eine halbe Stunde. Der Magdeburger Verkehr war nicht der beste. Doch gut, dass Pünktlichkeit relativ groß geschrieben wurde bei Trailerpark, sodass alle noch rechtzeitig ankamen.

Auf dem Parkplatz, auf den Peter fuhr, nahm Elli schon ihre Eltern wahr, die schon wieder zitternd vor Kälte warteten.
Elli atmete tief durch und innerlich redete sie sich immer wieder ein, ganz entspannt zu bleiben, egal was kommt. Nach dem Konzert hätte sie eh wieder Ruhe und das für längere Zeit. Es lag wirklich nur noch daran den Abend zu überstehen.

Die vier Jungs stiegen hinten aus und Peter und Elli vorne. Die große Vorstellungsrunde hatte begonnen. Namentlich stellte Elli alle Jungs ihren Eltern vor und der Blick, den ihre Mutter auf die sichtbaren Tattoos von Tim geworfen hatte, ließ Elli innerlich lachen. Ihre Mutter war so gestrickt, dass alle, die sich so zupflastern ließen mit Tattoos, etwas auf dem Kerbholz haben. Sie war halt einfach eine in der Vergangenheit lebende Frau. Und das mit gerade Mal 43 Jahren.
Die Männer gingen schon vor, während sich Peter noch ein paar Stunden für die nächste Fahrt ausruhte.
Elli händigte ihren geschockten Eltern die Backstage Pässe aus und ihr war klar, dass nun wieder ein Spruch kommen würde. Doch scheinbar riss sich ihre Mutter am Riemen. Dass ihr Vater ganz ruhig blieb, überraschte sie nicht.
"Ganz nett die Jungs...", sagte ihre Mutter, die knapp einen Kopf kleiner war als Elli. Innerlich schüttelte Elli den Kopf, da sie wusste, dass ihre Mutter das nur sagte, damit sie nicht wieder irgendeinen reizbaren Punkt bei ihrer Tochter fand.
Äußerlich hingegen, nickte Elli grinsend.
"Los komm, gehen wir rein, zeige ich euch noch ein bisschen die Bühne und so...", sagte Elli und zog sich auf dem Weg zum Eingang schon einmal die dünne Jacke aus, um sich mit Pass und ihrem Crew Pulli auszuweisen.
"Was Verdienste denn eigentlich als Crew Mitglied?", fragte nun ihr Vater, als er sich in den Katakomben umsah.
"Miete, Essen, Liebe und Erfahrung... Das hat erstmal zu reichen...", schleuderte ihm seine Tochter entgegen und wieder schluckte ihre Mutter schwer.
Elli war auch klar, dass das nicht das war, was sich ihre Eltern für sie gewünscht hatten. Doch das war Elli egal, sie wollte einmal so leben, wie sie wollte und da gehörten solche Erfahrungen dazu. Wenn sie später den Bus lenken würde, käme schon wieder Geld rein.
"Ist Steven auch da?", fragte dann ihre Mutter, während sie es sich auf dem Sofa im Aufenthaltsraum bequem machten.
Elli schüttelte den Kopf. Ja Steven war damals auch ein Wunsch Schwiegersohn, denn alle liebten ihn. Doch beide wurden nicht mehr als beste Freunde.
"Aber ihm geht's gut?", forschte sie weiter nach und Elli nickte. Auf das Thema Steven eingehen, wollte sie nicht...

Teufelskreis 3 (Alligatoah FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt