Pläne schmieden

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Die Tasse Tee qualmte auf dem Terassentisch, als Elli die Ruhe genoss. Die Blätter hatten sich inzwischen gelb, rot und orange gefärbt und nur noch die stärksten hingen an den Bäumen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie auch herab fallen würden. Vögel versammelten sich auf den Bäumen und zogen gemeinsam in den Süden zum überwintern. Kurzum es war Herbst und schon bald würde die Tour anstehen, auf die Lukas und Elli richtig Bock hatten.
Er fand keine Ruhe mehr und probte immer mehr. Elli hatte etwas bedenken, dass er sich übernimmt, doch Lukas war nicht davon abzuhalten. Obwohl er beim ersten Tourtermin sehen hätte können, wie es läuft, denn dieser war knapp vier Wochen vor den ganzen anderen Terminen. Es war quasi ein Probe Konzert, ob es dann für die anderen Tourtermine auch alles rund laufen würde oder ob Verbesserungen gemacht werden müssen. Doch auch das wollte Lukas nicht, denn für ihn sollte jeder Auftritt perfekt werden.

Während sie nun die Bäume beobachtete, die sanft im Wind hin und her schwenkten, vibrierte plötzlich ihr Handy. Doch die Nachricht lesen, darauf hatte Elli nicht wirklich Lust, sodass sie sich weiterhin den letzten wärmenden Sonnenstrahlen hingab. Nach dem dritten Eintreffen einer Nachricht, wurde ihr es dann doch zu nervig, sodass sie laut seufzend auf ihr Handy starrte.
"Häh? Mama?", fragte sie sich laut selbst und wunderte sich schon stark. Seit fünf Monaten herrschte absolute Stille zwischen ihr und ihren Eltern. Und ganz ehrlich gesagt, es störte sie kein bisschen. Ganz im Gegenteil... Keine nervigen Telefonate oder Nachrichten, einfach Ruhe.
Sie überlegte kurz, ob sie die Nachrichten überhaupt öffnen wollte, doch die Neugier siegte. Wie so oft bei Elli.

Hey Kind,
Es tut mir leid, was damals gelaufen ist...

Gerne würden wir den neuen Mann an deiner Seite kennenlernen und dein Vater will dich mit dem Busschein unterstützen... Wenn der Plan noch so steht... Oder hast du vielleichts schon einen?

Bitte melde dich Mal.
Du fehlst uns!

Diese Nachrichten gingen nicht spurlos an ihr vorbei. Klar gab es einen Streit und der war alles andere als schön, trotzdem waren es immer noch Elli's Eltern. Von denen hatte man im Normalfall nur ein Pärchen.
Sie starrte noch einen Moment auf ihr Handy und begann eine Nachricht zu schreiben, die sie dann doch wieder löschte.
Irgendwie wollte Elli nicht einbrechen und ließ es mit der Antwort. Zumindest vorerst.
Ein klicken bestätigte die Tastensperre und das Handy landete wieder auf den Tisch, wo sie es her hatte.
Elli versuchte sich wieder auf die Schönheit der Natur einzulassen, aber ohne großen Erfolg. Noch vor den Nachrichten konnte sie sich an jedem Blatt erfreuen, was wackelnd zu Boden fiel, doch das war nun vorbei. Sie hatte keine Konzentration mehr und dachte nur an die Nachrichten, die ihr, ihre Mutter schrieb. Es war zum verzweifeln.
Wieder nahm sie ihr Handy, um die ganze Situation von eben noch einmal durchzuspielen.
Schreiben - löschen - Tastensperre.
"Elli, lass es!", sagte sie sich selber und redete ihr Mut zu.

Vorallem wollten sie Lukas kennenlernen. Was blieb ihnen auch anderes übrig? Er war immerhin nun ihr Freund und die beiden würde es nur noch im Doppelpack geben. Außerdem wie würde er auf die Situation reagieren, da er von dem heftigen Streit wusste. Sicherlich würde er sich nicht sonderlich willkommen fühlen. Oder doch? Immerhin nahm er es nicht persönlich und verstand Elli's Eltern sogar.
Wieder war sie überfordert, blieb aber doch hart und antwortete nicht.

"Was issn los, Schildkrötchen?", fragte Lukas, der seine Probe beendet hatte und plötzlich im Garten stand. Elli hatte ihn nicht einmal bemerkt. Daran sah man schon, wie sehr sie in Gedanken versunken war.
Er beugte sich zu ihr runter und holte seinen Kuss ab, der ihn immer wieder runter brachte von den ganzen Übungen. Dan ließ er sich neben sie fallen, auf die kleine Sitzecke und schaute sie erwartungsvoll an. Erwartungsvoll deswegen, weil er eine Antwort erwartete.
Elli versuchte so normal wie möglich zu sein und schüttelte den Kopf: "Nix, alles gut!"
"Wem willste das erzählen? Nun sag schon, an was denkst du?", bohrte er weiter nach. Er schien alle Gesichtsausdrücke seiner Freundin schon in- und auswendig zu kennen und wusste ganz genau, dass sie ihren Kopf zerbrach.
Elli atmete laut durch und fing dann an zu reden. Weiter schweigen hätte nicht viel gebracht, denn Lukas hätte so lange weiter gefragt, bis sie schlussendlich geredet hätte.
"Meine Mutter hat geschrieben. Nach fünf Monaten... Sie wollen dich kennenlernen und Papa will mich mit dem Busschein unterstützen. Ich habe aber nicht geantwortet. Hab darauf keine Lust!", erklärte Elli ihrem Freund, der konzentriert zuhörte. Zuhören war eines seiner größten Spezialitäten.
Er legte ihren Arm um sie und meinte: "Naja ist doch gut so, oder?"

"Ja, irgendwie schon, aber trotzdem. Erst schreit sie mich so an und dann sowas. Nein, das will ich nicht..."

"Schatz, was meinst du, wie die sich fühlen? Ihre einzige Tochter lebt irgendwo in Brandenburg und sie wissen nicht Mal, wie sie lebt. Glaub mir, die fünf Monate waren bestimmt schon Strafe genug, ohne Kontakt."

"Ich weiß nicht... Was erwarten die denn? Wir gehen sie besuchen, ich schlafe ein paar Nächte in meinem alten Kinderzimmer mit dir und dann ist alles wieder gut? Ne, beim besten Willen nicht!"

Lukas verstand, was Elli meinte und überlegte einen Moment, bis er auf eine Lösung kam: "Was ist, wenn die beiden uns auf Tour besuchen, je nachdem welche Stadt ihnen am besten passt... Dann gehen wir vor dem Konzert essen, dann können sie mich kennenlernen und sich vielleicht danach die Show angucken und dann war's das wieder. Kein lästiges Kinderzimmer und nicht zu übertrieben..."

Elli kratzte sich am Kopf und ließ seinen Einfall kurz in sich sacken.
"Hast Recht... Die Idee ist wirklich gut. Vorallem müsste ich sie nicht so lange sehen... Aber zu deiner Show... Ich weiß nicht... Das wird ein Kulturschock für die. Das Wort Sarkasmus, kennen die nicht. Nicht eins von deinen ganzen Liedern werden die verstehen..."
Elli musste grinsen, weil sie innerlich schon den Gesichtsausdruck von ihrem Vater sah, wenn er Lukas performen sehen würde. Er hörte nur Country und Trucker Musik. Ihre Mutter wäre da westentlich offener. Immerhin kannte sie jeden neuen Radiohit und sang ihn mit. Eher schlecht als Recht, aber sie kannte sie.

"Naja, deine Eltern sind erwachsen, sie werden schon selbst entscheiden können, ob sie zum Konzert wollen oder nicht...", meinte Lukas und beendete das Thema.

Der Plan war also geschmiedet und Elli wollte ihrer Mutter in den nächsten Tagen schreiben. Doch nicht mehr heute. Es war nach 20 Uhr und in der Regel, lag diese dann eh schon im Bett und würde durch das Klingeln nur gestört werden. Lautlostaste, sowas kannte ihre Mutter nicht. Sie war gerade mal 43 Jahre alt, trotzdem lebte sie, was Technik betraf, hinter dem Mond. Selbst Oma Strobel kannte sich in der Welt von Kabeln und Empfang besser aus, als Elli's Eltern.

Lukas und Elli genossen noch gemeinsam die letzten Stunden des Tages und wärmten sich gegenseitig unter einer Decke, auf der Terrasse. Es war kühl, immerhin war ja Herbst. Doch Lukas in der Nähe von Elli, heizte sie immer auf. Die Schmetterlinge vom ersten Tag, waren immer noch nicht verflogen. Es war halt doch etwas ganz besonderes, im Gegensatz zu ihren bisherigen Beziehungen.
Da sie letzte Zeit sehr ruhig war, hoffte Elli, dass es sich langsam alles eingepegelt hatte. Doch wahrscheinlich würde es nicht so bleiben...

Teufelskreis 3 (Alligatoah FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt